Künstlerische Darstellung: So könnte der vom NASA Weltraumteleskop TESS entdeckte Planet TOI 700 e aussehen - zu sehen ist rot bräunlicher Planet, bei dem sich Wolkenbänder an der Grenze zwischen heller und dunkler Seite entlangziehen. Im Hintergrund ist ein weiterer, bläulicher Planet zu sehen.
Künstlerische Darstellung eines fernen Planeten. Bildrechte: NASA/JPL-Caltech/Robert Hurt

Oort'sche Wolke Jenseits des Neptuns: Einzelgänger-Planeten am Rand des Sonnensystems möglich

06. Juli 2023, 13:07 Uhr

In unserem Sonnensystem könnte es mehr Planeten geben als bisher angenommen. Jedoch handelt es sich bei der aktuellen Untersuchung eines Forschungsteams nicht um die Suche nach Planet 9. Vielmehr geht es um Himmelskörper, die noch viel weiter von der Sonne entfernt sind. Sie sollen sich in der Oort'schen Wolke befinden.

Porträtfoto von Patrick Klapetz
Bildrechte: privat

In unserem Sonnensystem könnte es einen oder mehrere unentdeckte Planeten geben. Doch nicht etwas dort, wo Astronominnen und Astronomen einen neunten Planeten erwarten, der bestimmte Phänomene der Umlaufbahnen von Uranus und Neptun erklären würde. Die unbekannten Welten sollen sich stattdessen viel weiter draußen in der Oort'schen Wolke befinden. 

Ein Forschungsteam hat kürzlich die instabile Himmelsmechanik des frühen Sonnensystems simuliert. Als das Sonnensystem vor etwa 4,5 Milliarden Jahren entstand, war es ein unruhiger Ort. Die protoplanetare Staubwolke kühlte sich jedoch rasch ab und beherbergte unzählige Trümmer, die durch die Schwerkraft der Sonne um das Zentralgestirn kreisten.

Für diesen Artikel verwenden wir die Maßeinheit AE Die Oort’sche Wolke soll sich über mehrere Billionen Kilometer erstrecken. Da die Abstände in dieser Entfernung so extrem sind, verwenden wir in diesem Beitrag zur Einfachheit die Maßeinheit AE. Die Abkürzung steht für Astronomische Einheit und eine AE entspricht dem durchschnittlichen Abstand zwischen Erde und Sonne. Das sind ungefähr 149,6 Millionen Kilometer.

Der Jupiter befindet sich etwa 778,5 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt, also 5,2 AE; Saturn befindet sich bereits 9,6 AE (1,4 Milliarden Kilometer) von der Sonne entfernt und bei Neptun sind es 30 AE (4,5 Milliarden Kilometer). 

Laut den Berechnungen der Forschenden kam es gelegentlich dazu, dass einige Trümmerteile – manche waren so groß wie Planeten – weit genug hinausgeschleudert wurden, damit sie der Schwerkraft der Sonne entfliehen konnten. 

Die Suche nach Planet 9

Weitere, noch nicht entdeckte Planeten in unserem Sonnensystem, werden bereits eine Weile vermutet. Bereits im Jahr 1906 hatte der Astronom und Geschäftsmann Percival Lowell einen hypothetischen Riesenplaneten in einer transneptunischen Bahn angenommen – einer Umlaufbahn hinter dem Gasplaneten Neptun. Lowell war von der Existenz eines weiteren Planeten überzeugt, weil er angeblich Unregelmäßigkeiten in den Bahnen von Neptun und Uranus beobachtet hatte. Und tatsächlich wurde im Jahr 1930 der Planet Pluto entdeckt. Doch dieser war viel zu klein, um den gravitativen Einfluss auf die Umlaufbahn des Neptun und Uranus zu haben. 

Pluto
Eine Aufnahme vom Zwergplanet Pluto. Bildrechte: NASA/Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory/Southwest Research Institute

Die Suche nach Planet X (hier die römische 10) war somit entfacht, auch wenn sie später – als Pluto zum Zwergplaneten degradiert wurde – die Suche nach Planet 9 war. Heute gilt die Planet-X-Hypothese weitgehend als widerlegt. Das hat die Astronomen jedoch nicht davon abgehalten, in den entlegenen Gebieten des Sonnensystems nach Planeten zu suchen. So gibt es beispielsweise Untersuchungen, die nach möglichen Monden suchen, die einen neunten Planeten verraten könnten. 

Doch ein hypothetischer Planet 9 müsste sich vermutlich im Kuipergürtel befinden. Dabei handelt es sich um eine ringförmige, relativ flache Region, die hinter der Bahn des Neptuns beginnt. Sie erstreckt sich von 30 bis 50 AE und auch der Zwergplanet Pluto (39,5 AE) befindet sich in diesem Gürtel von Staub und Asteroiden. Im Kuipergürtel soll es mehr als 70.000 Objekte ab einer Größe von 100 Kilometern und viele kleine Himmelskörper geben.  

Doch was das aktuelle Forschungsteam untersucht hat, geht weit über den Kuipergürtel hinaus. Die möglichen unentdeckten und hypothetischen Planeten beziehungsweise bereits Exoplaneten sollen sich in der Oort'schen Wolke befinden.

Was ist die Oort'schen Wolke? 

Ob es die Oort'schen Wolke tatsächlich gibt, wurde noch nicht bewiesen. Sie wurde nach dem niederländischen Astronomen Jan Hendrik Oort benannt, der im Jahr 1950 eine hypothetische Kometenwolke im äußeren Sonnensystem postulierte. Diese Wolke soll das gesamte Sonnensystem in einer kugelschalenförmigen Ansammlung astronomischer Objekte umschließen – von denen soll es mehrere Milliarden bis Billionen geben. Zugleich wird vermutet, dass diese Wolke der Ursprung zahlreicher Asteroiden und Kometen ist, die das Sonnensystem von Zeit zu Zeit durchqueren.

Die Entfernung zwischen der Oortschen Wolke und dem Inneren des Sonnensystems sowie zwei der nächstgelegenen Sterne wird in astronomischen Einheiten gemessen. Die Skala ist logarithmisch: Jede angegebene Entfernung ist zehnmal weiter entfernt als die vorhergehende Entfernung. Der rote Pfeil zeigt die Position der Raumsonde Voyager 1 an, die die Oortsche Wolke in etwa 300 Jahren erreichen wird.
Die Entfernung zwischen der Oortschen Wolke und dem Inneren des Sonnensystems sowie zwei der nächstgelegenen Sterne wird in astronomischen Einheiten gemessen. Die Skala ist logarithmisch: Jede angegebene Entfernung ist zehnmal weiter entfernt als die vorhergehende Entfernung. Der rote Pfeil zeigt die Position der Raumsonde Voyager 1 an, die die Oortsche Wolke in etwa 300 Jahren erreichen wird. Bildrechte: NASA, JPL-Caltech

Die Oort'schen Wolke soll sich vom Kuipergürtel (also ab 50 AE) bis in eine Entfernung von 100.000 AE erstrecken. Das entspricht etwa einer maximalen Reichweite von 1,6 Lichtjahren. Zum Vergleich: Der uns nächste Stern Proxima Centauri befindet sich in einer Entfernung von 4,2 Lichtjahren. Neben dem Begriff Oort’sche Wolke (auch Oortsche Wolke geschrieben) wird dieses hypothetische Gebilde auch zirkumsolare Kometenwolke oder Öpik-Oort-Wolke genannt. 

Die vermutete Oort’sche Wolke erstreckt sich damit über einen Bereich, der weit über den Einflussbereich der Sonne hinausgeht. Die Heliosphäre reicht bis zu einer Entfernung von 120 AE. Das ist ein weiträumiger Bereich um die Sonne, in dem der Sonnenwind mit dem Magnetfeld der Sonne wirksam sind.

Die Einzelgänger-Planeten in der Oort'schen Wolke

In dieser weitumgreifenden Wolke könnte es sogenannte Einzelgänger-Planeten (englischer Begriff Rogue-Planets) geben. Das sind vagabundierende Objekte von planetarer Masse, die in weiter Entfernung ein Planetensystem umkreisen. Entweder wurden sie aus ihrem eigenen System herausgeschleudert oder sie waren nie an die Gravitation eines Sternes gebunden. 

Eine schematische Darstellung von der Jupiterbahn, dem Kuipergürtel, der Umlaufbahn von Sedna und der Oortsche Wolke im Vergleich.
Eine schematische Darstellung von der Jupiterbahn, dem Kuipergürtel, der Umlaufbahn von Sedna und der Oortsche Wolke im Vergleich. Bildrechte: NASA, JPL-Caltech, R. Hurt

Die aktuelle Studie berechnet jetzt die Wahrscheinlichkeit, mit der sich ein solcher Einzelgänger-Planet in unserem eigenen System gebildet haben und in der Oort’schen Wolke gelandet sein könnte. Die Chance dafür liegt bei 0,5 Prozent – ist laut den Simulationen der Forschenden also eher unwahrscheinlich. 

Wahrscheinlicher sei es dagegen, dass ein neptunähnlicher Fremdplanet aus einem anderen Sonnensystem von der Schwerkraft unserer Sonne erfasst wurde. Dieser könnte in der Oort’schen Wolke zur Ruhe gekommen sein. Für ein solches Szenario ergibt sich laut der Studie zumindest eine siebenprozentige Wahrscheinlichkeit. Der gesuchte Planet 9 wäre es aber nicht, denn die Entfernungen wären viel zu groß, als dass die Schwerkraft die Orbits von Neptun und Uranus beeinflussen könnte.

Die Forscher halten es jedoch für wahrscheinlicher, dass die Oort’sche Wolke aus einer Ansammlung viel kleinerer eisiger Objekte besteht. Auf eine endgültige Antwort müssen wir angesichts der angenommenen gigantischen Ausmaße der Region wohl aber noch lange warten.

Links/Studien

Die Studie wurde am 21. Juni 2023 auf dem pre-Print-Server arXiv veröffentlicht: Oort cloud (exo)planets (engl. (Exo)Planeten der Oortschen Wolke).  

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