Auszubildende in der Holzwerkstatt.
Eine Auszubildende in einer Holzwerkstatt: Durch eine staatliche Prämie für Praktikanten und Praktikantinnen können nach Ansicht der Chemnitzer Handwerkskammer mehr junge Menschen für Handwerksberufe begeistert werden. Bildrechte: IMAGO/Guido Schiefer

Berufsorientierung Sachsens Handwerk fordert Geld vom Staat für Praktikanten

26. April 2024, 06:47 Uhr

In Sachsen-Anhalt erhalten Praktikanten im Handwerk schon länger Geld. Nun hat Thüringen nachgezogen. Auch die Handwerkskammer Chemnitz in Sachsen fordert eine staatliche Prämie. Kammerpräsident Frank Wagner sagte MDR AKTUELL, dass mit wenig Geld viel zu erreichen sei. Jugendliche sollten Handwerksberufe kennenlernen. Die sächsische Landesregierung lehnt den Vorstoß jedoch ab.

Ein Mann naht, blickt direkt in die Kamera
Ralf Geißler, Wirtschaftsredakteur MDR AKTUELL Bildrechte: MDR

Paul Knobl will Karosseriebauer werden. Der 17-Jährige macht eine Lehre bei Cars & Colours in Petersberg bei Halle. Als er die Lehre begann, kannte er den Betrieb schon: "Ich hatte mal ein schulisches Praktikum hier. Da habe ich mir das angeguckt zwei Wochen und mitgemacht. Und da dachte ich mir: Ja, das ist was für mich."

Lehrling schneidet und verarbeitet Gipskarton Platten. 4 min
Ein Lehrling schneidet und verarbeitet Gipskarton Platten Bildrechte: IMAGO/Sven Simon

Sachsen-Anhalt und Thüringen bezahlen handwerkliche Praktika bereits

Was sein Praktikum damals versüßt hat: Vom Land Sachsen-Anhalt gab es je Woche 120 Euro. Das Bundesland unterstützt Schüler mit diesem Bonus, wenn sie ein Praktikum im Handwerk machen.

Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Sven Schulze will diese Förderung künftig auch auf Praktika in der Landwirtschaft ausweiten. "Die Finanzierung erfolgt über den Haushalt des Landes. Bei mir im Wirtschafts- und Landwirtschaftsministerium sind da etwas mehr als 200.000 Euro zur Verfügung. Ich sage aber zu, wenn wir mehr Geld brauchen, dann werden wir dieses Geld auch haben. Ich möchte, dass die Berufe, die es im Handwerk gibt, die es in der Landwirtschaft gibt, noch bekannter werden und dass sich vielleicht noch ein paar mehr Schülerinnen und Schüler dafür interessieren und später dort eine Ausbildung machen."

Im Nachbarland Sachsen weckt diese Unterstützung Begehrlichkeiten. Die Handwerker dort hätten auch gern staatliches Geld für ihre Schülerpraktikanten. Zumal neben Sachsen-Anhalt inzwischen auch Thüringen ein entsprechendes Programm aufgelegt hat.

Der Chemnitzer Kammerpräsident Frank Wagner sagt, Sachsen brauche das auch. "Hier ist mit wenig Geld viel zu erreichen. Wir wollen, dass die Jugendlichen sich ausprobieren, dass sie ihre Fähigkeiten kennenlernen. Weil das hat dann den Vorteil, wenn sie eine Lehre beginnen, ist die Abbrecher-Quote dann geringer."

Sachsens Landesregierung argumentiert mit Kosten

Sachsens Landesregierung findet es trotzdem keine gute Idee, Schüler für Praktika staatlich zu entlohnen. Susann Meerheim aus dem Kultusministerium argumentiert, das Geld sei begrenzt.

Man konzentriere sich auf die Berufsorientierung in Schulen. Dort gebe es Praxisberater, die Kontakte zu Unternehmen vermitteln: "Zum anderen finden wir, dass Schüler nicht aus finanziellen Gründen einen Praktikumsplatz antreten sollten, sondern aufgrund ihre Neigungen, Interessen und auch dem Willen, später im Berufsleben gut durchstarten zu können und auch etwas zu finden, was einen dann auch Spaß macht."

Meerheim sagt, wenn man Praktika in Handwerksberufen fördere, könnten sich andere Wirtschaftszweige benachteiligt fühlen. Außerdem frage sie sich, warum die Handwerker die 120 Euro den Schülern nicht aus eigener Kasse zahlen. Es gehe ja um ihren Nachwuchs.

Gefälle zwischen Förderung von Studium und handwerklicher Ausbildung

Kammerpräsident Wagner entgegnet, der Staat bezahle ja auch Abiturienten das Studium: "Wenn wir den Einsatz von Fördergeldern in der akademischen Bildung anschauen, ist das in einer Größenordnung, von der das Handwerk nur träumt."

Was dem Handwerk hilft: Der Wahlkampf hat begonnen. Sachsens SPD kündigt an, sich für Praktikumsprämien in Kleinstbetrieben einzusetzen. Wenn es ihr wirklich so wichtig wäre, könnte SPD-Wirtschaftsminister Martin Dulig die Praktikumsprämien allerdings auch einfach einführen.

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 26. April 2024 | 06:09 Uhr

4 Kommentare

NeuerHeip vor 1 Wochen

"Kammerpräsident Wagner entgegnet, der Staat bezahle ja auch Abiturienten das Studium:"

Der Staat bezahlt letztendlich den Unternehmen die Ausbildung ihrer Ingenieure.

Außerdem wüsste er, wenn er denn selbst studiert hätte, dass die meisten Aufwendungen der Studierende selbst beiträgt.
Mein Studium war Vollzeitarbeit, teils mit 60 Stundenwoche. Und das für Wohnheimplatz plus 270 Mark der DDR.

Selbst diese Anerkennung einer Arbeitsleistung ist aus der gesetzlichen Rente gestrichen worden.

Außerdem sollte man sich bei den Unternehmern mal langsam dran gewöhnen, dass die Zeiten, zu denen man das Geld im Export verdienen konnte, vorbei sind.

Das liegt unter anderem daran, dass Deutschland technologisch teilweise völlig den Anschluss verloren hat.

Und den hat Deutschland unter anderem

hankeasz vor 1 Wochen

Also ich bin ein Praxisberater. Vielleicht sollte man erst mal über die Versicherungsfrage bei freiwilligen Praktikas nachdenken. Da diese Praktika meist in den Ferien liegen, sind die Schüler nicht über die Schule versichert. Die meisten Firmen nehmen daher nur Praktikanten ab 15 und auch dann muss ich oft nachfragen bei unserer WfE, ob sie den Vertrag unterzeichnen und der Schüler damit versichert ist. Wenn Geld geboten wird, so sehe ich es auch, dann kommen die Schüler nicht aus Interesse. Ich erlebe es hier so oft, dass die Schulpflichtpraktikas nicht nach Interessen oder Empfehlung durchgeführt werden, sondern nach Betriebszugehörigkeit und Wohnortnähe - eben aus Bequemlichkeit. Ich würde es begrüßen, wenn die Wirtschaft und das Handwerk mit uns Hand in Hand gehen würden und über neue Lösungsmöglichkeiten nachdenken würde, z. B. ein Tag pro Woche Einsatz im Betrieb.

NeuerHeip vor 1 Wochen

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