Menschen stehen in einem Museum an einer Vitrine mit Kunstobjekten
Rund 10.000 Kunstwerke befinden sich laut Koordinierungsstelle für Provenienzforschung beim Museumsverband Sachsen-Anhalt noch unrechtmäßig in den Museen des Bundeslandes. Bildrechte: MDR/Susanne Reh

Internationaler Tag der Provenienzforschung DDR-Raubkunst: Rund 10.000 Objekte unrechtmäßig in Sachsen-Anhalts Museen

12. April 2023, 12:35 Uhr

Am 12. April ist Internationaler Tag der Provenienzforschung. Auch in den Museen Sachsen-Anhalts wird seit einigen Jahren nach Kunstwerken mit ungeklärter Herkunft geforscht. Neben NS-Raubkunst geht es dabei auch um Kunstwerke, die zu DDR-Zeiten enteignet wurden.

In Sachsen-Anhalts Museen befinden sich nach Schätzungen noch rund 10.000 Objekte, die in der DDR ohne Zustimmung der Eigentümer in die Sammlungen gelangten. "Der Entzug von Kulturgut in der DDR ist ähnlich umfangreich wie der aus der NS-Zeit", sagte die Leiterin der Koordinierungsstelle für Provenienzforschung beim Museumsverband Sachsen-Anhalt, Annette Müller-Spreitz. Betroffen seien beispielsweise Kunstwerke, Möbel oder Porzellan, aber auch Textilien, Bücher und Noten.

Weiterhin viel Forschungsbedarf

Auch wenn die Museen seit 1995 mit dem Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen zusammenarbeiten, gebe es noch viel Forschungsbedarf. Vor allem Museumsobjekte, die von Menschen auf der Flucht in die Bundesrepublik zurückgelassen und vom Staat beschlagnahmt wurden, müssten genauer untersucht werden.

Museen sollten eigene Sammlungen untersuchen

Hier gebe es allerdings eine große rechtliche Lücke: "Bis 1995 mussten die Betroffenen oder ihre Nachkommen einen Antrag stellen. Oft haben die Menschen aber gar nicht geahnt, dass ihr Eigentum in einem Museum gelandet sein könnte, oder sie hatten damals andere Sorgen", erklärt Müller-Spreitz. Daher sei es notwendig, dass Museen auch proaktiv recherchieren und ihre Sammlungsdokumentation überprüfen.

Die Inventarbücher oder Karteikarten der Museen wiesen zum Teil kryptische Einträge auf, die darauf hinwiesen, dass die Objekte von staatlicher Seite übergeben wurden. Einträge wie "Altbestand", "Übernahme" oder "ehemals Herr/Frau XY" seien Indizien dafür, dass es sich nicht um freiwillige Schenkungen gehandelt habe.

Forschungsprojekt in Zeitz

Auch in Zeitz wird zur Herkunft von Kunstwerken geforscht. Das Projekt um Provenienzforscherin Anne Paschen ist auf zwei Jahre angelegt. Seit November vergangenen Jahres forscht sie zu der Vergangenheit Hunderter Grafiken des Museums Schloss Moritzburg in Zeitz im Burgenlandkreis.

Vor allem Deutschland habe eine besondere Verantwortung, aufzuklären, wo historische Objekte ihren Ursprung haben, meint die Forscherin. Neben möglichem Unrecht mit Bezug zur Zeit des Nationalsozialismus nehme die Provenienzforschung auch in den Blick, ob Unrecht mit Bezug zu DDR-Zeiten oder im kolonialen Kontext vorliege.

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Forschung auch in kleineren Städten

In kleineren Städten und deren Museen gäbe es viele Objekte, deren Herkunft noch nicht erforscht sei. "Da beginnt das jetzt so langsam. Und es gibt immer mehr Forscherinnen und Forscher. Das Feld wächst", meint Paschen.

Neben Zeitz lassen mittlerweile auch das Danneil-Museum Salzwedel und das Altmärkische Museum in Stendal, die städtischen Museen in Aschersleben (Salzlandkreis), Halberstadt (Landkreis Harz) und Wolmirstedt (Landkreis Börde) sowie die Anhaltische Gemäldegalerie in Dessau die Vergangenheit ihrer Sammlungsstücke näher begutachten.

Der Fall "Gneisenau"

Dass sich Vorbesitzer und Museen auch einigen können, zeigt der im Fall des Gemäldes "August Wilhelm Graf Neidhardt von Gneisenau zu Pferde mit Gefolge" des Malers Franz Krüger (1797-1859) aus dem Jahr 1819.

Das Reiterporträt aus dem Besitz der Familie von Gneisenau war ohne deren Zustimmung in das Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) gelangt. 2014 habe die Kulturstiftung Sachsen-Anhalt das Gemälde erworben.

127.000 Kunstwerke zurückgegeben

Im Jahr 2000 ging das Landesamt laut Müller-Spreitz von insgesamt 400.000 Objekten aus, die an die früheren Eigentümer zurückgegeben werden müssten.

Bis Juni 2021 sind den Angaben zufolge mehr als 127.000 bewegliche Sachen nach dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz zurückgegeben worden. Das Gesetz regelt unter anderem Entschädigungen für Enteignungen.

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epd, dpa, MDR (Moritz Arand)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 12. April 2023 | 06:00 Uhr

4 Kommentare

W.Merseburger am 12.04.2023

Obiger Artikel ist reisserisch und einseitig überhöht angelegt worden. Es ist gut bekannt, dass ein grosser Teil der "Blaublütigen" eng mit dem NS-Unrechtsstaat verbandelt und aktiv politisch und militärisch im 1000 jährigen Reich tätig war. Diese Gruppe wurde von der Roten Armee in der sowjetischen Besatzungszone anspruchslos enteignet. In den Westzonen war das offensichtlich anders? Die Enteignung der Grossgrundbesitzer durch die sowjetische Militäradministration samt deren Eigentum ging damit einher und war kommunistische Ideologie. Oben spricht man nun von DDR-Raubkunst, obwohl die DDR erst ab Oktober 1949 juristisch existierte. Die Forschenden müssten schon etwas genauer differenzieren und auch tatsächliche Nachweise bringen, was "DDR-Raubkunst" ist und wie dieser "Raub" praktisch stattgefunden hat! Und noch etwas bewegt mich. Es gab auch US Militärs, die wertvollste Kunstgegenstände um 1945 entwendet haben. Solche Objekte wurden in Quedlinburg für viel Geld "zurückgekauft"!

steka am 12.04.2023

Bin gespannt ob auch die Westmuseen und -Kunstliebhaber ihre Schätze wieder ausrücken müssen, die sie billig bei Schalck-Golodkowskis Firma eingekauft haben oder ob es wiedermal nur ein ostdeutsches Problem bleibt.

burkhard_geyer am 12.04.2023

Da bleibt mir doch der Mohrenkopf im Hals stecken. Aber wessen Brot ich ess, dessen Lied ich sing. Ist nun mal so.

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