Das Stadtwerkehaus in Chemnitz ein weiß-grauer Betonbau mit einem modernen Türmchen.
Im ehemaligen Stadtwerkehaus in Chemnitz soll das NSU-Dokumentationszentrum seinen Platz finden. Bildrechte: MDR/Thomas Friedrich

Rechtsextremismus Chemnitz: Planungen für NSU-Dokumentationszentrum vorgestellt

16. April 2024, 21:03 Uhr

Die rechtsterroristische Mörder des NSU brachten zwischen 2000 und 2007 zehn Menschen um, neun von ihnen mit migrantischem Hintergrund. Erst nach dem Selbstmord des Terrorduos Mundlos und Böhnhardt wurde bekannt, dass sie gemeinsam mit ihrer Komplizin Beate Zschäpe jahrelang unentdeckt in Chemnitz und Zwickau gelebt hatten. Ein Dokumentationszentrum in Chemnitz soll sich nun an der Aufarbeitung beteiligen.

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Am Dienstag sind die Pläne für ein NSU-Dokumentationszentrum in Chemnitz vorgestellt worden. Das Zentrum, das sich mit der weiteren Aufarbeitung des des rechtsextremistischen Terrors des NSU (Nationalsozialistischer Untergrund) befassen soll, wird voraussichtlich im Mai 2025 eröffnet.

In Räumen im ehemaligen Chemnitzer Stadtwerkehaus sollen auf einer Fläche von etwa 1.300 Quadratmetern neben der Ausstellung "Offener Prozess" Bildungs- und Vermittlungsangebote, ein Forschungs- und Archivbereich und ein Versammlungsort zum Gedenken an die Opfer des NSU-Komplexes entstehen.

Auf einem Plakat sind die Namen der vom NSU Ermordeten zu lesen, daneben ein Fernseher.
Aus dem Provisorium zur Präsentation des Projektes soll nach dem Umbau eine vollständig gestaltete Ausstellung werden. Bildrechte: MDR/Thomas Friedrich

Lydia Lierke: Wir müssen aus dem NSU-Komplex lernen

Seit 2019 werde an dem Projekt "Offener Prozess" gearbeitet, sagt Projektleiterin Lydia Lierke. "Wenn die Ausstellung nun einen festen Anker in Chemnitz bekommt, erwarte ich mir eine große Wirkung über die Stadt hinaus."

Lydia-Lierke, Projektleiterin NSU-Dokumentationszentrum Chemnitz
Projektleiterin Lydia-Lierke hofft, dass das Dokumentationszentrum auch eine Außenwirkung für die
Stadt Chemnitz entfalten kann.
Bildrechte: Initiative Offene Gesellschaft e.V.

Sie empfinde die Stadt als migrantisch. "Ich denke, für diese Menschen ist es auch wichtig, einen solchen Ort zu haben in der Stadt." Perspektivisch solle eine Stiftung dafür sorgen, dass das Dokumentationszentrum unabhängig von staatlichen Zuschüssen weiterarbeiten könne.

Gamze Kubaşık: Chemnitz muss sich seiner Vergangenheit stellen

Gamze Kubaşık, die Tochter des 2006 vom NSU ermordeten Mehmet Kubaşık, mahnte bei der Vorstellung des Projektes per Audio-Botschaft, dass die Stadt Chemnitz eine große Rolle bei NSU-Mordserie gespielt habe. "Hier fühlten sich die Täter und die Täterin sicher und tauchten jahrelang unter. Hier planten sie auch den Mord an meinem Vater."

Gamze Kubasik
Gamze Kubaşık, die Tochter des vom NSU ermordeten Mehmet Kubaşık, forderte die Stadt Chemnitz auf, sich der Verantwortung bei der NSU-Aufarbeitung zu stellen. Bildrechte: picture alliance/dpa/Peter Kneffel

Chemnitz müsse sich mit seiner Vergangenheit auseinandersetzen und dies aufarbeiten." Daher sei es besonders wichtig, hier an die Opfer zu erinnern und einen Raum für politische Bildung in dieser Stadt einzurichten.

Justizministerin Meier: Ort soll der Aufarbeitung des NSU-Terrors dienen

Die sächsische Justizministerin Katja Meier bekannte sich zur Verantwortung des Freistaates Sachsen bei der Aufarbeitung des NSU-Komplexes. "In den vergangenen drei Jahren haben wir mit dem Konsortium, den Angehörigen der Opfer und den Betroffenen intensiv daran gearbeitet, dass ein Ort entsteht, an dem Gedenken, aber auch Dokumentation und weitere Aufarbeitung stattfinden kann." Gleichzeitig solle hier daran gearbeitet werden können, rechtsterroristische Straftaten zu verhindern.

Die sächsische Justizministerin Katja Meier.
Die sächsische Justizministerin Katja Meier hofft, dass das Dokumentationszentrum die Aufarbeitung des NSU-Komplexes vorantreiben kann. Bildrechte: MDR/Thomas Friedrich

Träger des NSU-Dokumentationszentrums sind neben der "Initiative Offene Gesellschaft" die Vereine "ASA-FF" und "RAA Sachsen". Bund und Land finanzieren den Aufbau und den Betrieb vorerst mit einer Summe von rund vier Millionen Euro.

NSU Der sogenannte Nationalsozialistische Untergrund (NSU) war eine neonazistische Terrorvereinigung. In der Zeit zwischen 2000 und 2007 ermordeten die beiden Haupttäter Uwe Mundlos und Uwe Bönhardt neun Migranten und eine Polizistin, unternahmen 43 Mordversuche und 15 Raubüberfälle.

In dieser Zeit lebten sie in Chemnitz und Zwickau im Untergrund. Nach einem Raubüberfall im November 2011 in Eisenach begingen die beiden Täter Selbstmord. Ihre Komplizin Beate Zschäpe stellte sich wenige Tage später der Polizei. Sie wurde 2018 zu lebenslanger Haft verurteilt.

Mehrere ihrer Unterstützer wurden ebenfalls zu Haftstrafen verurteilt. Mehrere Untersuchungsausschüsse konnten die Hintergründe der Verbrechen nicht abschließend klären. Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung

Auch der Bund hat im Februar 2024 durch die Bundeszentrale für politische Bildung eine Machbarkeitsstudie über ein nationales NSU-Dokumentationszentrum erstellen lassen. Über die Finanzierung und den Ort soll noch in diesem Jahr im Bundestag entschieden werden.

MDR (tfr)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 16. April 2024 | 19:00 Uhr

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