Im Heimatmuseum Falkenstein im Vogtland präsentiert am 19.06.2007 Sylvia Schlenker eine Auswahl von Moosmännern und -weibeln.
Träger des Lichts: Im Heimatmuseum Falkenstein ist Deutschlands größte Moosmännl-Sammlung zu sehen. (Archivbild) Bildrechte: picture-alliance/ ZB | Matthias Hiekel

Brauchtum Warum das Moosmännl zu Weihnachten in die Stuben des Vogtlands kommt

17. Dezember 2023, 19:30 Uhr

Ein Adventsbrauch aus Skandinavien erobert Wohnungen hierzulande: Neuerdings werden auch in Sachsen Wichteltüren verkauft oder von Eltern gebastelt, stellen Kinder abends Milch und Kekse hin, um das unsichtbare Wesen zu belohnen. Der Wichtel gilt als Assistent des Weihnachtsmanns, der vor dem Fest bei Familien einzieht. Kleine Wesen zu Weihnachten kennen die Vogtländer seit Jahrhunderten. Dort kommen Moosmännl und Moosweibl in die Stuben. Sie haben mit den nordischen Wichteln nichts zu tun.

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Während Engel, Räuchermännchen und neuerdings auch unsichtbare Wichtel aus Skandinavien die Wohnzimmer im Advent in Sachsen bevölkern, haben die Vogtländer ihre eigenen Figürchen: Moosmännl und Moosweibl. Von den Sagengestalten heißt es, dass sie am 25. Dezember in die warmen Stuben kommen, dort Unterschlupf bis zum Dreikönigstag am 6. Januar suchen und sich nützlich machen.

Es heißt auch, dass die Moosleute an die wiederkehrende Sonne und das ruhende Leben unter warmen Moosen im Winterwald erinnern würden. Und sie bringen das Weihnachtslicht zu den Menschen.

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Das Vogtland ist auch eine Welt der Sagen und Legenden. Alex Huth taucht in diese Welt ein und trifft ein Moosweibel. Zusammen gehen die beiden auf eine Entdeckungstour voller Natur, Mystik – und Spaß.

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Stefanie Hertel: Moosmännchen räuchert in Weihnachtsstube

Für Schlager-Star Stephanie Hertel passen das Moosmännl und das Weihnachtsfest gut zusammen, denn: "mit beiden ist Hoffnung verbunden", sagte die gebürtige Vogtländerin MDR SACHSEN. Das Märchen vom Moosmann und seiner Frau gehöre zum Vogtland wie der Schwibbogen, der in allen Fenstern in der Weihnachtszeit die Häuser zum Strahlen bringe. "Mein Opa hat selbst Schwibbögen gebaut. Ich habe auch einen bekommen, der jedes Jahr mein Wohnzimmerfenster im Chiemgau ziert. Ebenso ein Moosmännchen in Form eines Räuchermännchens, das in der Weihnachtszeit genüsslich sein Pfeifchen rauchen darf. Er steht neben all den andere Raachermännern (es sind sieben an der Zahl) und den Engelchen, Nussknackern und der großen Pyramide, die meine Weihnachtsstube zieren."

Brauch, den Familien zu Hause pflegen

Der Volksglaube habe nicht direkt mit der christlichen Tradition zu tun, meint der Bürgermeister der Gemeinde Grünbach, Ralf Kretzschmann. Sein Ort wird auch Moosmanngemeinde genannt. Das Moosmännl wird dort touristisch vermarktet. Es gibt einen gleichnamigen Pfad, in Falkenstein eine Ausstellung und die Gestalt auch als übermannsgroße Holzfigur. Die wird zu Beginn des Advents aufgestellt und bleibt bis Februar mitten in Grünbach stehen.

"Die Tradition der Moosmännl wird hauptsächlich in den Familien gepflegt. Das war schon immer so und ist recht lebendig", erinnert sich der 65 Jahre alte Bürgermeister Kretzschmann an seine Kindheit. Es gab und gibt viele Schnitzer in der Region. Daher habe jede Familie eigene Moosmännl, die zum 1. Advent aufgestellt würden - wie im Erzgebirge die Räuchermännchen und Lichtengel.

Die Tradition der Moosmännl wird hauptsächlich in den Familien gepflegt. Das war schon immer so.

Ralf Kretzschmann Bürgermeister der Gemeinde Grünbach

Das steckt hinter der Sagengestalt Moosmännl und Moosweibl (Bitte klicken!)

  • Die Weihnachtsfiguren gehen auf die Sage des Moosmanns zurück.
  • Die keine drei Fuß hohen Gestalten sollen in den Wäldern zwischen Falkenstein und Schöneck unter Wurzeln, in Höhlen und Baumstöcken gelebt haben. Sie ernährten sich von dem, was der Wald hergab und kleideten sich karg mit Moos und Zweigen.
  • Zum Feind hatten sie nur den "Wilden Jäger", den Wächter zur Hölle, der nachts durch die Wälder zog. Um sicher vor ihm und seiner Meute zu sein, baten die runzeligen Wesen Holzhauer, drei Kreuze (für Vater, Sohn und Heiliger Geist) in Bäume zu schlagen. In den Raunächten ab Weihnachten flohen sie vor dem "Wilden Jäger" in die Häuser der Menschen.
  • Armen Bewohnern halfen die Moosleute. Sie belohnten gute Taten mit drei Handvoll Laub, das sich in Gold verwandelte. Jedes Dorf kennt eigene Sagengeschichten dazu.
  • Der Lehrer und Mundart-Forscher Friedrich Barthel aus Falkenstein stellte 1970 bereits die Frage: "Sollte der vogtländische Moosmann im Grunde nicht das Ebenbild des fleißigen, hilfsbereiten und doch so bitterarmen Waldarbeiters vergangener Zeiten sein, der sich aus Not und Unterdrückung nach einem freien, glücklichen Leben sehnte und dem das in der Finsternis strahlende Weihnachtslicht Glauben und Kraft gab?"


Quelle: Gemeinde Grünbach/MDR-Recherchen

Unsichtbare Untermieter "zwischen den Jahren"

Der Brauch geht Jahrhunderte zurück. Belegt sind die Moosfiguren seit 1666, nachdem der Leipziger Gelehrte Johannes Praetorius eine Sagensammlung veröffentlichte. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts gehören sie zum volkstümlichen Weihnachten im Vogtland dazu, weiß Ralf Edler. Der Gästeführer und Hobby-Volkskundler erzählt als Nachtwächter von Schöneck immer wieder die Sagen der Moosleute.

Seit dem Jahr 2009 befasst er sich damit und sammelt die Geschichten in den Dörfern. Er hat selbst sechs Figuren im Wohnzimmer stehen. "Ab Heiligabend suchen Moosmännl und -weibl Schutz bei den Menschen und bleiben in den Untertagen bis zum Dreikönigstag zu Gast", berichtet Edler weiter. Die zwölf Tage nennen die Vogtländer Untertage, andernorts heißen sie auch Raunächte.

Die Zeit "zwischen den Jahren" war vielen früher nicht geheuer: "Die Menschen kamen auf die Idee, dass diese Zeit eine Nahtstelle sei. Die jenseitige Welt hat Zugang in unserer Welt und das Böse versucht Menschen zu fangen und in die Hölle abzuschleppen", erklärt der Brauchtumsforscher Manfred Becker-Huberti im MDR-Gespräch. Im Volksglauben hieß es, dass in dieser Zeit Dämonen und Geister übers Land ziehen würden und sich in aufgehängter Wäsche draußen verfangen und dann rächen. "Deshalb waschen in der Zeit manche heute noch keine Wäsche und hängen auch keine draußen auf", berichtet Stadtführer Edler.

Das Geheimnis um die rotfarbige Belohnung

Jedenfalls sollen Moosweibl und Moosmännl in den Wohnungen nur schwer zu finden sein - so wie die skandinavischen Wichtel auch, die für neugierige Kinderaugen unsichtbar sind. "Jeder Ort hat seine eigene Geschichte zu den Moosleuten. Sie lebendig zu halten, ist wichtig, um nachzuvollziehen, was für die Ortsgeschichte relevant war. Es ist vogtländische Heimatgeschichte", betont Edler.

Auch das Moosmännl hilft zu Weihnachten im Haushalt oder im Stall mit und will dafür belohnt werden. Aber diese eine Sache hat Edler noch niemand erklären können: "Als Belohnung soll man ihnen eine rote Hose oder ein rotes Kleid geben. Warum in Rot?"

Moosmänner stehen im Heimatmuseums Falkenstein.
Auch wenn die Moosleute im Museum Falkenstein hagere Gesichter haben und arm aussehen: Sie haben ein goldenes Herz und helfen Menschen, die gutes Tun. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Katrin Mädler

MDR (kk)

Dieses Thema im Programm: ARD Videopublisher | #hinreisend | 29. November 2023 | 18:00 Uhr

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