Blick auf das Gebäude des Thüringer Landtages in Erfurt
Der Thüringer Landtag in Erfurt - dort tagt auch der U-Ausschuss zur Treuhand. (Archivbild) Bildrechte: MDR/Michael Frömmert

Befragungen Ex-Treuhandchef verteidigt Behördenarbeit im Thüringer Untersuchungsausschuss

15. März 2023, 00:22 Uhr

Im Treuhand-Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtags hat der frühere Leiter der Anstalt in Erfurt, Volker Großmann, die Arbeit seiner Behörde verteidigt. Richtig sei beispielsweise auch die umkämpfte Schließung der Kali-Grube Bischofferode gewesen. Der U-Ausschuss soll klären, ob die Treuhand bei der Privatisierung von Betrieben Fehler gemacht hat.

Der frühere Leiter der Treuhand-Anstalt in Erfurt, Volker Großmann, hat die Arbeit seiner Behörde in den frühen 1990er Jahren verteidigt. Großmann sagte im Treuhand-Untersuchungsausschuss des Landtags, die Treuhand habe am Anfang vor großen Problemen gestanden. Die ostdeutschen Firmen hätten kaum weltmarktfähige Produkte gehabt, die Produktivität habe im Vergleich zur westdeutschen Wirtschaft nur bei 30 Prozent gelegen. Dazu habe es "unermessliche" Umweltprobleme gegeben.

Richtige Entscheidungen trotz "Gaunern und Glücksrittern"

Laut Großmann waren im Jahr 2002 etwa 53 Prozent der von der Treuhand privatisierten Firmen in Besitz von Ostdeutschen. Es sei zwar richtig, dass gemessen an den Verkaufspreisen das meiste Geld von Investoren aus Westdeutschland und dem Ausland bezahlt wurde. Das liege aber auch daran, dass es nicht möglich gewesen sei, an einen Bäckermeister in Suhl einen Industriebetrieb zu verkaufen.

Großmann räumte ein, dass es auch "Gauner und Glücksritter" gab, die Anfang der 1990er Jahre in Ostdeutschland Kapital herauszuschlagen versuchten. Die Treuhand habe dafür sogar eigens eine Stabsstelle eingerichtet. Aber solche kriminellen Akte zu vermeiden, sei praktisch unmöglich gewesen, so Großmann.

Weiter Diskussion um Kali-Revier

Wie Großmann betonte, sei auch die Schließung der Kali-Grube Bischofferode wegen mangelnder Wettbewerbsfähigkeit gewesen.

Der frühere Thüringer Wirtschaftsminister Hans-Jürgen Schultz erklärte dagegen in seiner Aussage, das Kali-Revier Südharz hätte seiner Ansicht nach eine Überlebenschance gehabt. Wenn auch nicht mit der vollen Zahl an Beschäftigten.

Kritik: Mangelnde Kontrolle der Treuhand

Die Kriminologin Kari-Maria Karliczek sprach im U-Ausschuss von einer mangelnden Kontrolle der Treuhand in den ersten Jahren. Es habe sogar Netzwerke zwischen dem Treuhand-Personal und potentiellen Investoren geben.

Forderung der Linken

Die Fraktion Die Linke im Thüringer Landtag will sich im Ausschuss dabei auf vor allem auf das Verhältnis von Landespolitik und Treuhand konzentrieren. Andreas Schubert, Obmann der Fraktion erklärte: "Der Untersuchungsausschuss muss klären, ob Regierung und Parlament überhaupt Einfluss auf die Abwicklung der Thüringer Wirtschaft nehmen konnten - oder ob die Behörde eine Blackbox jenseits demokratischer Kontrolle war."

Birgit Breuer vor einem Treuhand-Schild. 2 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Zentrale Frage: Hat die Treuhand Fehler gemacht?

Der Treuhand-Untersuchungsausschusses des Landtags soll unter anderem prüfen, ob die Treuhand bei Privatisierungen möglicherweise Fehler gemacht und zum Beispiel die Sanierungsfähigkeit von Betrieben falsch bewertet hat.

Mehr zur Treuhand in Thüringen

MDR (wh/dst)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 14. März 2023 | 17:00 Uhr

5 Kommentare

Mediator am 15.03.2023

@Lavendel
Richtig: An der Meinung der Menschen wird sich durch so einen Ausschuss auch nichts ändern. Wer sich nicht kritisch mit der DDR Wirtschaft und damit eben auch mit seiner eigenen Geschichte auseinandersetzen will, der hat mit der bösen Treuhand einen in seinem Umfeld wohl generell akzeptierten Sündenbock parat.

Und schon ist da die Legende von den in der Blüte ihrer Produktivität von bösen Westlern aus dem Weg geräumten DDR Industrie. Das ganze wird umso bitterer wenn man sich dann noch einredet, dass man kurz davor stand den Westen zu überflügeln, bevor dieser zugrunde gegangen wäre.

Mediator am 15.03.2023

Schön, dass Jahrzehnte des Überlegens und Abwägens jetzt ein Untersuchungsausschuss klären will, was anders hätte laufen können, wenn man nur 20 Jahre mehr Zeit gehabt hätte und nicht ein DDR Betrieb nach dem anderen aus Mangel an Kapital, Aufträgen und Abnehmern den Bach runter gegangen wäre, als plötzlich die Märkte des Ostblocks weggebrochen sind, oder nicht in Devisen bezahlen konnten. Dazu stand man plötzlich durch die DM in direkter Konkurrenz zu den Westbetrieben die billiger produzierten und Konkurrenz gewohnt waren. Die DDR Wirtschaft musste in Rekordzeit und ohne das es dafür eine Vorlage gab privatisiert werden. Das war wohl in Teilen wohl so wie wenn man ein Haus entrümpelt... am Ende des Tages hat man zwar das Ziel erreicht, aber neben all dem unverwertbaren Dingen auch einige Schätzchen entsorgt. Nur was wäre die Alternative gewesen?

Lavendel am 15.03.2023

@steka
Was unterstellen sie denn hier noch vor der Untersuchung und ohne jeden Beleg?
Es wird übrigens auch nicht untersucht wie es sich auf die Betriebe ausgewirkt hat, dass das Volk in den volkseigenen Betrieben wie die Raben geklaut hat, weil man ja was zum tauschen haben musste und einem eh alles ja irgendwie gehört hat.

Wie wäre es einfach einmal das Ergebnis der Untersuchung abzuwarten. Irgendeine unfundierte Meinung warum Betrieb X oder Y eigentlich eine Chance gehabt hätte gibt es ja zu Hauf. Die fakten berücksichtigen dabei die wenigsten. Zu den wichtigen Fakten gehörte der niedrige Automatisierungsrad im Osten und die damit verbundenen hohen PErsonalkosten die in DM kalkuliert vielen Betrieben das Genick brachen. Von wegbrechenden Absatzmärkten ganz zu schweigen.

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