Richter und Rechtsanwälte aus ganz Europa, viele von ihnen in ihren Richterroben gekleidet, marschieren schweigend durch die Stadt.
Schon 2020 gingen Richter und Rechtsanwälte aus ganz Europa gegen Einschränkung der Unabhängigkeit der Justiz in Polen auf die Straße. Bildrechte: picture alliance/dpa/AP | Czarek Sokolowski

Europäischer Gerichtshof Polnische Justizreform verstößt gegen EU-Recht

05. Juni 2023, 20:45 Uhr

Die polnische Justizreform von 2019 verstößt gegen EU-Recht. Das entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg am Montag und gab damit einer Klage der EU-Kommission statt.

Polen hat in einem Streit mit der EU um die Unabhängigkeit und das Privatleben von Richtern eine endgültige Niederlage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) erlitten. Die polnische Justizreform aus dem Jahr 2019 verstoße gegen EU-Recht, verkündete das Gericht am Montag in Luxemburg. Das Gericht gab damit einer Klage der EU-Kommission statt.

Insbesondere die inzwischen abgeschaffte Disziplinarkammer für Richter habe die richterliche Unabhängigkeit untergraben. Das bislang gegen Polen festgesetzte Zwangsgeld läuft damit aus formalen Gründen aus, die EU-Kommission kann aber erneut ein Zwangsgeld beantragen. (Az: C-204/21)

Nach dem Urteil hat der polnische Justizminister Zbigniew Ziobro den EuGH beschimpft. Ziobro sagte, das wichtigste Gericht der EU sei korrupt. Sein Urteil sei nicht von Richtern, sondern von Politikern verfasst worden. Er sprach zudem von einer klaren Verletzung der europäischen Verträge, ohne dies näher zu begründen.

EuGH: Unabhängigkeit polnischer Richter weiterhin nicht gewährleistet

Die EU-Kommission geht seit Anfang 2016 wegen mehrerer Justizreformen gegen Polen vor. Kern der Justizreformen war 2018 eine Neuausrichtung der beim Obersten Gericht angesiedeltem Disziplinarkammer. Mit der Reform von 2019 nahm Polen hier nochmals Änderungen vor.

Der EuGH bestätigte nun im Hauptverfahren, dass die Disziplinarkammer auch nach den Änderungen gegen EU-Recht verstoßen hatte. Die Unabhängigkeit der Richter sei weiterhin nicht gewährleistet gewesen. Auch sei die Möglichkeit der Gerichte eingeschränkt worden, sich auf EU-Recht zu berufen.

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Hintergrund: Justizumbau der polnischen Regierung

Hintergrund ist eine Klage der EU-Kommission aus dem Jahr 2021, wonach mehrere polnische Regelungen gegen EU-Recht verstoßen. Die Kommission ist als Hüterin der EU-Verträge dafür zuständig, zu überwachen, dass die Staaten sich an EU-Recht halten.

Im aktuellen Streit ging es unter anderem um ein Gesetz zur Disziplinierung von Richtern. Der EuGH machte nun deutlich: Die polnischen Regeln gewährleisteten keinen Zugang zu einem unabhängigen und unparteiischen Gericht. Dazu gehöre nämlich, dass die nationalen Gerichte überprüfen könnten, ob sie selbst oder andere Gerichte den im Unionsrecht vorgesehenen Anforderungen genügen.

Polens nationalkonservative Regierung baut die dortige Justiz seit Jahren ungeachtet internationaler Kritik um. Die EU-Kommission klagte mehrfach gegen die Reformen. Teilweise wurden Beschlüsse vom EuGH gekippt.

Weil Warschau sich weigerte, frühere EuGH-Urteile umzusetzen, verhängte der Gerichtshof innerhalb des nun entschiedenen Verfahrens eine Million Euro Zwangsgeld pro Tag. Die Strafe wurde im Frühjahr halbiert, weil die Regierung inzwischen einige Änderungen am Justizsystem vorgenommen hat.

Afp, dpa (nvm)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 05. Juni 2023 | 15:30 Uhr

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