Eine künstlerische Darstellung unseres Sonnensystems, mit dem Blick vom Kuipergürtel – einem Bereich voller Asteroiden im äußeren Sonnensystem – auf unsere Sonne.
Eine künstlerische Darstellung unseres Sonnensystems, mit dem Blick vom Kuipergürtel – einem Bereich voller Asteroiden im äußeren Sonnensystem – auf unsere Sonne. Bildrechte: NASA/JPL-Caltech

New Horizons und das Sonnensystem Der Kuipergürtel ist wohl größer und hat mehr Asteroiden als angenommen

12. Oktober 2023, 09:35 Uhr

Hinter der Bahn des Neptun beginnt der Kuipergürtel. Eine flache Region, in der es Millionen Objekte gibt. Ein Forschungsteam vermutet, dass sich diese Region viel weiter ins tiefe Universum ausdehnt und mehr Objekte beherbergt als bisher angenommen wurde.

Unser Sonnensystem ist ein komplexer Ort, in dem es nicht nur Planeten gibt, sondern auch Zwergplaneten, Asteroiden und Eisbrocken. In einen Regionen gibt es besonders viele Asteroiden und Eisbrocken, beispielsweise im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter oder im Kuipergürtel, der jenseits der Umlaufplan von unserem äußersten Planeten Neptun erstreckt. 

Zum Kuipergürtel hat ein Forschungsteam um Wesley Fraser vom Herzberg Forschungszentrum für Astronomie und Astrophysik in Kanada neue Erkenntnisse gesammelt. Bisher war bekannt, dass sich dieser Ort in einem Abstand von etwa 30 bis 50 astronomischen Einheiten (AE) erstreckt – eine AE definiert den Abstand von Erde zur Sonne, also etwa 148 Millionen Kilometer. Beim Kuipergürtel handelt es sich um eine relativ flache und scheibenartige Region, die unser Sonnensystem umgibt. Dort soll es über 70.000 Objekte geben, die größer als 100 Kilometer sind und Millionen von kleineren Objekten. Das wohl bekannteste Objekt in dieser Region ist der Zwergplanet Pluto.  

Die Raumsonde New Horizons arbeitet im dunklen Universum

Dank der Nasa-Raumsonde New Horizons konnte die Fachwelt einige neue Daten aus dieser Gegend des Weltraums erhalten. Etwa Aufnahmen vom Pluto oder von einem Felsen in Form eines Schneemanns: dem miteinander verschmolzenen Asteroiden (486958) Arrokoth, auch bekannt als "Ultima Thule", der etwa 40 AE von der Sonne entfernt ist. Dieser Himmelskörper braucht für eine Umrundung unseres Zentralgestirns 298 Jahre und ist das bisher am weitesten von unserem Stern entfernte, untersuchte Objekt im Sonnensystem.

Schematische Darstellung vom Kuipergürtel in unserem Sonnensystem.
Schematische Darstellung vom Kuipergürtel in unserem Sonnensystem. Bildrechte: Nasa

Mittlerweile ist die Raumsonde fast 60 Mal so weit von der Sonne entfernt wie die Erde. Laut den gängigen Theorien hat sie den Kuipergürtel bereits verlassen. New Horizons befindet sich in einer Region voller Dunkelheit. Das Licht der Sonne scheint dort nur noch sehr schwach. Deswegen ist es schwer, in einer solchen Entfernung noch Objekte zu entdecken – besonders, wenn man nicht weiß, wo man hinschauen soll. 

Aus diesem Grund haben Fraser und Kollegen eine Software entwickelt, die dank maschinellem Lernen weit entfernte Objekte aufspüren kann. Mit der zusätzlichen Hilfe des erdgestützten Subaru-Teleskops auf dem Mauna Kea in Hawaii wurden in den Jahren 2020 und 2021 schließlich Daten gesammelt und ausgewertet.

Der Kuipergürtel endet wohl nicht bei 50 AE

Zum einen kann das Forschungsteam sagen, dass das diffuse Feld aus Eisbrocken im Kuipergürtel ab einem Abstand von 48 AE plötzlich dünner wird. Außerdem sieht es nach dem neuen Erkenntnisstand so aus, also dehne sich der Gürtel bis zu einer Entfernung von 60 AE aus. Auch eine maximale Ausdehnung bis zu 80 AE scheint möglich zu sein. Damit müssten bisherige Theorien über das Sonnensystem verworfen werden. Die Forschung hatte angenommen, es wäre im Vergleich zu anderen Systemen relativ klein, da sich deren umgebende Asteroidengürtel oft doppelt so weit erstrecken. Dank dem Einsatz von künstlicher Intelligenz konnten die Forschenden inzwischen auch die Zahl der identifizierten Objekte im Kuipergürtel verdoppeln. 

Schematische Darstellung vom Kuipergürtel in unserem Sonnensystem.
Im Kuipergürtel gibt es alleine mehr als 70.000 Objekte, die größer als 100 Kilometer sind. Bildrechte: NASA/Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory/Southwest Research Institute/Alex Parker

Jedoch kann diese Beobachtung nicht auf das gesamte Sonnensystem angewandt werden. Diese zusätzliche Materialdichte und Entfernung von Objekten befindet sich zufälligerweise im Bereich der Flugbahn von New Horizons. Beobachtungen in anderen Himmelsbereichen wiesen diese Besonderheit nicht auf. 

Nun kann es sein, dass diese Region tatsächlich besonders ist. Es kann aber auch sein, dass die Software zum maschinellen Lernen eine noch nicht identifizierte Schwachstelle hat. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass es neben dem Kuipergürtel einen weiteren Ring auch Trümmerteilen gibt. Ab einer Entfernung von 50 AE könnte es eine Lücke geben, an die ein breiter Streifen eisigen Felsbrocken anschließt. Dieser Streifen wäre dann von Pluto so weit entfernt, wie Pluto von der Erde entfernt ist. 

Die Ergebnisse der Studie müssen noch von Fachleuten begutachtet und durch künftige boden- und weltraumgestützte Untersuchungen bestätigt werden. Vorgestellt wurden sie auf der 54. Lunar and Planetary Science Conference (54. Konferenz zur Mond- und Planetenforschung).

Links/Studien

Die Erkenntnisse des Forschungsteams (PDF-Datei): Approaches to Detecting Kuiper Belt Objects for NASA’s New Horizons Extended Mission: Digging Into the Noise (engl. Ansätze zur Erkennung von Kuipergürtel-Objekten für die erweiterte NASA-Mission New Horizons: Dem Rauschen auf der Spur Rauschen). 

Wie es mit der Raumsonde New Horizons weitergeht, erfahren Sie in diesem Paper (PDF-Datei): Not Even Halfway There: New Horizons’ Future Exploration of the Heliosphere, the Outer Solar System, and Beyond (engl. Nicht einmal die Hälfte des Weges geschafft: Die Zukunft von New Horizons, die Erforschung der Heliosphäre, des äußeren Sonnensystems und darüber hinaus). 

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