PlastikgeldGeld à la Carte: Geldautomaten in der DDR
Am 27. Juni 1967 wurde in England der erste Geldautomat der Welt in Betrieb genommen. Schon im Folgejahr war die Erfindung auch in Westdeutschland angekommen. In der DDR wurden die ersten Geldautomaten erst zwei Jahrzehnte später, 1987, aufgestellt. Bis Mitte 1989 hatten aber nur 250.000 Bankkunden die dazu nötige Geldkarte.
Der erste Geldautomat der DDR wurde Anfang März 1987 in Dresden aufgestellt, denn dort hatte die Firma Robotron ihren Sitz, die das Gerät entwickelt hatte. Äußerlich unterschieden sich die DDR-Geldautomaten kaum von ihren westlichen Artgenossen – diesbezüglich konnte die DDR mit dem vielzitierten "Weltniveau" mithalten.
Bei der Netzdichte sah es da schon deutlich schlechter aus. Kurz vor dem Mauerfall, im August 1989, waren in der ganzen Republik 274 Geldautomaten installiert – 80 in Ost-Berlin, die übrigen in den Bezirksstädten. Nur allmählich tauchten sie auch auf dem flachen Land auf, etwa in Bad Düben bei Leipzig. In Westdeutschland lag die Zahl der Geldautomaten damals bereits bei einigen Tausend.
Für die, die einen Geldautomaten in der Nähe hatten, war es eine enorme Erleichterung, denn die Bargeldbeschaffung bei Post und Sparkassen stellte ein ziemlich langwieriges Unterfangen dar – es mussten handschriftlich Formulare oder Schecks ausgefüllt werden, von oftmals langen Schlangen ganz zu schweigen. Da war der Geldautomat ein Segen.
"Elektronischer Bankangestellter"
Anfang Mai 1989 wurde die Neuerung in der Fernsehquizshow "AHA" dem Publikum präsentiert. Eberhard Geißler, seinerzeit stellvertretender Präsident der DDR-Staatsbank, pries das Potential des "elektronischen Bankangestellten" an. Die meisten Geräte seien für den "Outdoor"-Einsatz vorbereitet und stünden den Bürgern rund um die Uhr, unabhängig von den Öffnungszeiten der Bank, zur Verfügung. Mit Stolz verkündete der Funktionär, dass die DDR als erstes sozialistisches Land eigene Geldautomaten entwickelt und eingesetzt habe. "Markstücke und Pfennige zahlen wir nicht aus", musste er allerdings dem Publikum erklären, das mit der Erfindung "Geldautomat" damals noch wenig vertraut gewesen sein dürfte, denn zu diesem Zeitpunkt hatten nur 250.000 DDR-Bürger eine Geldkarte.
Endlich Bargeld ohne Schlangestehen ...
Um Geld abzuheben, benötigten die Bürger eine Geldkarte. Sie war schon damals mit einem Magnetstreifen ausgestattet und – im Unterschied zu den heute üblichen Bankkarten – zusätzlich mit einem Passbild des Inhabers versehen. Die Geheimzahl hieß in Ostdeutschland nicht PIN, sondern PBC – kurz für "Persönlicher Bankcode". Der Auszahlungsvorgang unterschied sich aber kaum von dem heute üblichen Prozedere. Der Automat stellte alle durch 10 teilbaren Beträge zwischen 40 und 500 DDR-Mark bereit.
Eine Geldkarte konnte jeder Bürger erhalten, der ein Girokonto bei der Post oder einer Sparkasse besaß. Bezahlen im Geschäft konnte man mit dieser Karte noch nicht. Dort waren neben der Barzahlung Schecks üblich.
... wenn der Geldautomat nicht streikt
Die relativ wenigen Geldautomaten waren relativ häufig wegen Störungen außer Betrieb. Das lag unter anderem daran, dass die Geldscheine vor der Ausgabe besonders streng geprüft wurden. Wurde ein Sicherheitsmerkmal nicht gefunden oder eine Beschädigung erkannt, wurde der Geldschein zurückbehalten. Da der Platz für die bemängelten Scheine relativ gering war, hingen sich die Geldautomaten öfters auf.
Außerdem gingen die DDR-Geldautomaten außer Betrieb, wenn ein Kunde seine Scheine nicht innerhalb von 45 Sekunden entnommen hatte. In diesem Fall verschloss sich das Ausgabefach mit dem Geld. Um es wieder freizugeben, musste ein Bankangestellter persönlich anrücken.
Überziehen leichter als heute
Anders als heute waren die Geldautomaten nicht mit einem zentralen Server verbunden, erklärt Michael Körner, bis 1989 Ingenieur in der Entwicklungsabteilung des VEB Wägetechnik Rapido, im Gespräch mit MDR GESCHICHTE. Die Buchungsdaten wurden auf Disketten gespeichert, die beim Nachfüllen der Scheine ausgetauscht und dann in der Bank ins EDV-System eingespielt wurden. So konnte bei Abhebungen nicht überprüft werden, ob das Konto des Karteninhabers eine ausreichende Deckung aufwies.
Entwickelt wurden die DDR-Geldautomaten unter strengen Sicherheitsvorkehrungen in Radebeul und Dresden. Den Auftrag dazu erteilte die Staatsbank der DDR etwa 1983. Die Computertechnik lieferte Robotron. Der Prototyp wurde in einer Garage im Dresdner Stadtteil Löbtau getestet – zunächst mit Spielgeld, später mit richtigen Banknoten. Die Produktion begann 1986 in einem extra dafür errichteten Gebäudekomplex. Anfang März 1987 schließlich wurden die ersten beiden Geldautomaten der DDR in der Sparkasse am Dresdner Güntzplatz aufgestellt.
Nach der Währungsunion wurden einige DDR-Automaten zwar auf D-Mark umgerüstet, dann allerdings doch schnell, bis Ende 1991 außer Dienst gestellt. Ein Exemplar kann heute in den Technischen Sammlungen Dresden besichtigt werden.
Seit wann gibt es Geldautomaten?
Der Geldautomat ist eine britische Erfindung. Den ersten stellte die Barclays-Bank in der Kleinstadt Enfield nördlich von London am 27. Juni 1967 auf. Bankkarten mit einem Magnetstreifen, wie wir sie heute kennen, gab es damals allerdings noch nicht. Der Automat prüfte einen Scheck und behielt ihn ein. Der Kunde bekam den Gegenwert in Bargeld ausgezahlt – maximal zehn britische Pfund, doch das reichte damals immerhin für eine wilde Partynacht. So wie heute identifizierten sich die Kunden schon damals mit einer vierstelligen PIN.
Westdeutschland hatte 1968 auch schon einen Geldautomaten, der allerdings anders als der britische funktionierte. Der Kunde konnte höchstens 400 Mark abheben und für jeden 100-Mark-Schein brauchte er eine Lochkarte – nebst einem eigenen Schlüssel für den Tresor. Der am 28. Mai bei der Kreissparkasse Tübingen installierte Automat bediente nur 1.000 registrierte Kunden – eine elitäre Angelegenheit.
Auch in Japan und den USA wurden Geldautomaten unterschiedlicher Bauart installiert. Allerdings hatten sie alle dasselbe Problem: Sie waren noch sehr umständlich, nur beschränkt einsetzbar und trotz aller Sicherheitsvorkehrungen zu unsicher. Das änderte sich in den Siebziger Jahren, als in den USA die Magnetstreifenkarte eingeführt wurde. Damit wurde die Handhabung deutlich einfacher und sicherer. Der erste Geldautomat dieser zweiten Generation wurde in Deutschland 1978 in Köln installiert. Einen richtigen Siegeszug begannen die Geräte aber erst Anfang der Achtziger.
Ist der Geldautomat ein Auslaufmodell?
Neueste Statistiken legen allerdings nahe: Der Geldautomat könnte auch im Bargeld liebenden Deutschland bald zum Auslaufmodel werden. Denn seit einigen Jahren sinkt die Zahl der "elektronischen Bankangestellten". 2016 gab es nach Angaben des Bankenverbands noch fast 69.000 Geldautomaten, 2020 waren es nicht mal ganze 67.000. Die Corona-Pandemie verstärkt diesen Trend, denn die Deutschen zahlen immer häufiger bargeldlos. Nach Angaben der Deutschen Kreditwirtschaft wurden 2020 fast 5,5 Milliarden bargeldlose Transaktionen an den Kassen, etwa in Supermärkten oder beim Friseur, verzeichnet – 21,7 Prozent mehr als noch im Vorjahr, was einem historischen Höchststand entspricht.
Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | MDR Zeitreise | 20. November 2018 | 21:15 Uhr