Anja Kossak: Das einzige Playmate der DDR
1989 wollten alle ihr DDR-Thema haben, auch das bildgewaltige Magazin "Playboy". Unbedarft und nicht zu sexy, blanke Natur - so sollte das erste Playmate des Ostens aussehen. Die Wahl fiel auf Anja Kossak aus Magdeburg.
Mit der Mauer sind 1989 auch die letzten Tabus gefallen. Beate Uhse und Teresa Orlowski haben alle – sagen wir mal – Hände voll zu tun. Die Sexwelle rollt durch die DDR. Erotik-Läden schießen wie Pilze aus dem Boden und oft bilden sich davor lange Schlangen. Die Menschen holen nach, was ihnen jahrzehntelang verwehrt blieb.
Und just in dieser Zeit erscheint auch ein "Playboy"-Heft, das im Osten wie im Westen die Gemüter erhitzt. Hauptattraktion der Ausgabe vom Januar 1990 ist Anja Kossak, Zahnarzthelferin aus Magdeburg. Sie ist 21 Jahre jung, vor allem aber: das erste Playmate, das aus der DDR kommt.
Auch der "Playboy" will sein Ost-Thema haben
Auf einer extra anberaumten Pressekonferenz in Berlin im Dezember 1989 präsentiert das Männermagazin voller Stolz seine Errungenschaft - denn in dieser Zeit, in der "zusammenwächst, was zusammengehört", wollen alle West-Blätter ein Thema aus dem Osten haben, auch der "Playboy", der mehr mit freizügigen Bildern als mit Texten auf "Leser"-Fang geht. 150 Journalisten reißen sich bei der Pressekonferenz um ein Interview mit der Magdeburgerin. Sogar das biedere Parteiblatt "Neues Deutschland" bringt am nächsten Tag ein Nacktbild von Anja Kossak – ein Jahr zuvor wäre das noch undenkbar gewesen.
Günter Gueffroy fotografiert
Für Anja Kossak ist der Medienrummel eine völlig neue Erfahrung. "Es ging dann ganz schön los. Ich wurde darauf nicht vorbereitet. Ich bin da einfach reingeschmissen worden und musste schwimmen lernen", erinnert sie sich ein Vierteljahrhundert später im MDR FERNSEHEN.
Der Fotograf, der die aufsehenerregenden Bilder von Anja Kossak geschossen hatte, war ebenfalls ein Ostdeutscher: Günter Gueffroy. "Das Schöne war, als die Wende kam, war ja alles pure Anarchie. Man konnte Fotos machen, die man sich früher überhaupt nicht getraut hat", erinnerte sich 2015 der inzwischen verstorbene Aktfotograf. Konkret heißt das: Nackte Haut und deutlich erotische Posen.
DDR-Playmate sollte die blanke Natur sein
Für das Shooting hatte die Playboy-Redaktion eine Suite im Ost-Berliner "Grand Hotel" angemietet. Fünf junge Frauen waren in der engeren Wahl, doch Anja hat das Rennen gemacht – wegen ihrer schüchternen Art. "Die Playboy-Redakteure hatten eine gewisse Vorstellung, wie ein DDR-Mädel auszusehen hat: unbedarft, nicht zu sexy, also nicht so wie die Mädchen, wo man gleich sagen kann, das ist ein Model, sondern die musste die blanke Natur sein", erzählte Gueffroy im Interview mit dem MDR. Da wundert es nicht, dass Anjas Hobby die West-Redakteure regelrecht in Extase versetzt: In ihrer Freizeit tanzte sie im Tanzensemble "Ernst Thälmann" ihres volkseigenen Betriebs, dem SKET in Magdeburg. Anja Kossak erscheint als ein Sozialismus-Klischee auf zwei Beinen – zwei langen Beinen wohlgemerkt.
Zwischen Entzücken und Entsetzen
Die Playboy-Herren sind entzückt – ganz anders als die westdeutschen Feministinnen. Und auch Anjas Landsleute aus der DDR schreien nicht alle hurra.
Ich habe viele Briefe bekommen, von Fans, die das ganz klasse fanden, aber auch viele, die der Meinung waren, das ist jetzt der absolute moralische Verfall. So was hätte die Mauer ferngehalten, und jetzt ist die Mauer offen und es kommt sowas.
Anja Kossak
Doch ganz so schlimm ist es, wie man inzwischen weiß, nicht gekommen. Die Sexwelle von 1990 ist abgeebbt und im Zeitalter von Internet-Pornografie würde wohl niemand mehr vor einem Sexshop Schlange stehen. Anja Kossak hat übrigens keine Modelkarriere gemacht – sie ist ihrem Beruf treu geblieben.
Das könnte Sie auch interessieren
Über dieses Thema berichtete der MDR auch im TV:MDR Zeitreise | 03.04.2018 | 21:15 Uhr