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PorträtHeinz Quermann – verquer und doch geschmeidig

24. Juni 2010, 15:17 Uhr

Er war der Showmaster des DDR-Unterhaltungsbetriebes: Vom Varieté-Conferencier der späten 40er-Jahre über den Radiomoderator der 50er zum Fernsehstar der 60er. Kein anderer DDR-Künstler hatte eine so dauerhafte Präsenz wie er.

"Heinz, der Quermann" - so stellte sich der kleine, kugelige und trotzdem quirlige Radio- und Fernsehmoderator gern vor. Ein Mann, der mit dem
Querliegen kokettierte, und doch eigentlich durchaus im Strom schwamm. Quermann, geboren 1921 in Hannover, belieferte als Junge für die Bäckerei seines Vaters das Opern- und das Schauspielhaus – und wurde "Stammgast im vierten Rang". So kam er mit Kunst und Künstlern in Berührung, lernte Geige spielen und gewann in den 1930er-Jahren einen lokalen Gesangswettbewerb. Kurz vor Kriegsbeginn 1939 bekam der gelernte Bäcker seine ersten Engagements als Schauspieler, musste dann aber wieder in die Backstube. Das Kriegsende erlebte er als "Hilfssanitäter mit Schauspielverpflichtung" in Köthen. 1945 wurde er dort sogar auf Befehl des sowjetischen Stadtkommandanten Theaterintendant.

Quermann mit Witz

Bald ging der Conferencier, der vor Ideen nur so sprühte, zum Landessender Halle, später zum Rundfunk der DDR als Programmgestalter und Redakteur für Unterhaltung und Kabarett. Seine schnoddrige Art zu reden kam beim Publikum an - er brachte seine Radiozuhörer zum Lachen. In seine Manuskripte hätte er immer einen Gag geschrieben, von dem er wusste, dass der gestrichen würde, sagte er später einmal. Dafür wären alle anderen dringeblieben. Allerdings waren seine Witze selten tief - jedenfalls die öffentlich vor Mikrofonen verkündeten. Mit einem hatte er sich trotzdem bei einer volkswirtschaftlich wichtigen Berufsgruppe höchst unbeliebt gemacht: "Die vier Hauptfeinde der Deutschen Reichsbahn?", fragte er das Publikum. "Frühling, Sommer, Herbst und Winter!"

Quermann, der Balancier

Seit 1953 moderierte Heinz Quermann die wöchentliche "Schlagerrevue" - bis 1989 eine der erfolgreichsten Radiosendungen. Und hier kam eine vorzügliche Eigenschaft Quermanns zur Geltung: Sein Gespür für Talente. Und als Programmverantwortlicher bewies er immer wieder auch sein "Näschen" für das Machbare: Die Geschichte des "Sachsenliedes" ist ein Beispiel dafür. Es beginnt mit der im besten Sächsisch "breit gemährten" ersten Zeile "Dor Sachse liebd das Reisen säär...", im Refrain wird geschmettert "Sing, mei Sachse, sing! Es is ä eijen Ding..." Der Text fand keine Gnade vor den Zensoren, deshalb wurde das Abspielen im DDR-Rundfunk verboten.

Quermann setzte sich darüber hinweg, der Schlager lief in der "Schlagerparade". Die Parteigenossen schäumten vor Wut. Aber dann bestellte das Verteidigungsministerium hunderte Mitschnitte des "Sachsenliedes". Mit diesem Lied auf den Lippen würden die NVA-Soldaten viel lieber marschieren als mit den alten Kampfliedern. Die Parteigenossen fügten sich und hoben das Verbot auf.

Quermann war auch einer, der Menschen zusammenbrachte - auch wenn das bei den Genossen höchst ungern gesehen wurde. Der Opernsänger und
Entertainer Reiner Süß moderierte im Leipziger "Haus der Talente" gerade eine Schlagerveranstaltung, da kam Heinz Quermann überraschend mit dem Weststar Freddy Quinn auf die Bühne. Ein Auftritt Quinns war natürlich nicht geplant gewesen. Inbrünstig und dankbar sang das Publikum dessen Schnulze "Junge, komm bald wieder" mit. Quermann gelang, was sehr vielen anderen zu ihrem Nachteil misslingen musste: Die Balance zwischen der Zugehörigkeit zum offiziellen Kultur-Establishment und dezidierter Nähe zum kleinen Mann durch seine Volkstümlichkeit im wohlmeinenden Sinn des Wortes.

Quermann und "die großen Kisten"

Quermann moderierte jahrelang im Radio "Da lacht der Bär". Seine alljährliche weihnachtliche Fernsehsendung mit Margot Ebert "Zwischen
Frühstück und Gänsebraten" war beste DDR-Unterhaltung. Sie lief im DFF 35 Mal zwischen 1957 und 1993. Pech nur für ihn: Er erreichte höchstens ein Viertel der deutschen Fernsehzuschauer, wenn überhaupt. Denn die Antennen im Osten waren zumeist "nach Westen" gerichtet außer im Raum Dresden, dem "Tal der Ahnungslosen". Dorthin reichte das Westfernsehen nicht.

Man muss ihn nicht gemocht haben. Trotzdem war Heinz Quermann auf dem Gebiet der Radio- und Fernsehunterhaltung der DDR eine Institution. Der Beweis: In seinem Berufsleben moderierte er mehr als 2.500 Sendungen. Schon Ende der 1950er-Jahre belegte er bei einer Umfrage nach den beliebtesten Sportlern und Künstlern neben Täve Schur den ersten Platz. Er war der Mann, der es gewohnt war, "große Kisten zu produzieren" - ein Ziehvater und Altmeister der ostdeutschen Unterhaltung. Im Westen hätte man ihn wohl Mister Showbusiness genannt.

In seinen letzten Lebensjahren litt Heinz Quermann unter Alzheimer. Er, der ein halbes Jahrhundert lang mit Witz und Schlagfertigkeit Millionen von Menschen zum Lachen gebracht hatte, saß nur noch in seinem Ohrensessel und sah fern. Am 14. Oktober 2003 ist er, 82-jährig, eingeschlafen, der Fernseher flimmerte weiter.

Heinz QuermannQuermann wurde am 10. Februar 1921 in Hannover geboren.

1936 begann er eine Lehre als Bäcker, nahm aber parallel auch Violin- und Schauspielunterricht und legte 1939 die Schauspielprüfung ab. 1945 übernahm er die Intendanz des Theaters in Köthen und leitete ab 1947 die Abteilung Unterhaltung beim Mitteldeutschen Rundfunk.

Seine Sendung "Herzklopfen kostenlos" startete 1958 in der DDR und gilt als älteste Casting-Show Deutschlands. Durch die Show bekannt wurden unter anderem Frank Schöbel, Nina Hagen und Chris Doerk.

Legendär wurde seine Sendung "Zwischen Frühstück und Gänsebraten" mit Margot Ebert. Die Sendung lief von 1957 bis 1993 jedes Jahr zu Weihnachten.

Quermann starb am 14. Oktober 2003 in Berlin.