StaatsinstitutionDie Künstler-Agentur der DDR
Für die Buchung und Vermittlung der "Star-Exporte" war die Künstler-Agentur der DDR zuständig. Sie wurde 1960 gegründet und war Hauptanlaufpunkt für die Stars, die jenseits der Grenzen spielen wollten.
Die Staatsmacht prüfte genau, wen sie als Repräsentanten in den Westen schickte. Zunächst berief man sich auf die "Klassiker" der ernsten Muse, exportierte vor allem politisch unverfängliche E-Musik. Vor allem die großen Orchester gastierten im Ausland, erzählt heute Hermann Falk, ehemaliger Direktor der Künstler-Agentur der DDR.
Bei der zuständigen Abteilung Kultur des ZK der SED lagen stets zahlreiche Anträge von Künstlern. Schauspieler, Maler, Schriftsteller, Artisten, Musiker, Schlagersänger bemühten sich um Auftritte im Westen. Die DDR-Führung schmückte sich gern mit ihren Stars, auch um das kulturelle Image des Staates aufzubessern. Nicht zuletzt ließ sich mit großen Namen auch gutes Geld verdienen. Besonders die Klassikinterpreten waren im Ausland gefragt.
Kein Auftritt auf eigene Faust
Natürlich mussten Buchung und Vermittlung der "Star-Exporte" organisiert, genehmigt und abgewickelt werden. Dafür wurde am 1. Mai 1960 die Deutsche Künstler-Agentur GmbH Berlin gegründet, die ab 1968 "Künstler-Agentur der DDR" hieß. Sie war zuständig für die Vermarktung der Ost-Stars im Ausland, wobei jede Vermittlung eine Genehmigung von "oben" erforderte. Auf eigene Faust durfte niemand im Ausland auftreten.
Jede einzelne Ausreise von Künstlern musste beantragt werden, viel Bürokratie war zu erledigen. Der frühere Agentur-Chef Hermann Falk erinnert sich heute: "Da kann man sich vorstellen, wie viele Unterschriften ich jeden Tag leisten musste. Die gingen über das Ministerium für Kultur zum Ministerium des Inneren. Dort wurden dann die Visa erteilt - oder auch nicht."
Um den Aufwand geringer zu halten, erbat die Agentur schließlich Dauervisa für mehrere hundert Künstler, unter ihnen namhafte Sänger wie Peter Schreier und Theo Adam. Eigentlich hätten sie ihre Pässe immer in der Agentur zur Aufbewahrung hinterlegen müssen, um sie erst für die nächste Reise zurückzubekommen. Doch da bei Einigen die Westgastspiele schon zur Routine wurden, durften sie ihre Reisepässe behalten.
Schwere Vermittlung von Schlagersängern
Eine eigene Honorar- und Gebührenordnung legte die Entgelte für Gastspiele von DDR-Künstlern im Ausland fest. Einladungen zu Auftritten im Westen wurden entweder offiziell an die Agentur herangetragen oder direkt an die Künstler gerichtet.
Die Künstler-Agentur mühte sich redlich um Vermittlung zwischen Ost und West. "Das Problem aber war", so Hermann Falk, "die Veranstalter dazu zu bewegen, sie überhaupt einzuladen." Die Puhdys, Karat und City - das seien Namen gewesen, die leicht zu verkaufen waren. Doch das Angebot war größer, und gerade DDR-Schlagersolisten hatten es schwer, im Westen Fuß zu fassen und für Auftritte vermittelt zu werden.
Großzügige Handhabung
Für Künstler von Weltruf legte man sich nicht nur im Westen, sondern auch zu Hause mächtig ins Zeug. Falk: "Die DDR war in vielen Fragen auch großzügig - bis zu solchen Dingen wie Zoll. Wenn die Staatsoper Berlin in Japan war, habe ich gleich drei Container bestellen lassen: für Fernseher, für Musikanlagen und so weiter. Die wurden mit dem Schiff nach Deutschland gebracht und einen Monat später hatten die Mitglieder der Staatsoper zollfrei ihre Anlagen." Eine Erleichterung, die nur schätzen kann, wer die damaligen Ausreiseschwierigkeiten selbst kennengelernt hat.
Auch bei den Einkäufen der Ost-Stars im Westen wurde dann und wann ein Auge zugedrückt. Schließlich gab es in der Bundesrepublik die bessere Technik, zum Beispiel bei Lautsprechern. "Es wurde nicht offiziell genehmigt, dass man mitbringen kann, was man will - aber es wurde auch nicht bösartig verfolgt", erzählt Falk heute. "Im Gegenteil: Dort, wo es festgestellt wurde, sind die Zollorgane großzügig gewesen."
Einnahmen wie ein Industriebetrieb
In den 80er-Jahren reisten die Künstler immer öfter. Der Staat brauchte Devisen und mit namhafter Kultur ließ sich im Westen gutes Geld verdienen. Laut Falk gastierten fast 60 Prozent der Konzertsolisten in der Bundesrepublik, bei den leichter zu vermittelnden Unterhaltungskünstlern seien es wohl noch mehr gewesen.
Die Auftritte und vor allem die Gagen verhandelte die Künstler-Agentur. Der Auftrag war klar formuliert: Mit den Provisionen sollten Devisen eingenommen werden, wie aus einem vertraulichen Dokument der Agentur vom 4. August 1980 hervorgeht. Die Deviseneinnahmen der Agentur erhöhten sich von 1975 mit einer Million Valutamark bis 1989 auf das Siebenfache. In manchen Jahren entsprachen sie denen eines Industriebetriebs. Der größte Teil der Deviseneinnahmen der Künstleragentur stammte von Ensemblegastspielen, die von der DDR großzügig subventioniert und gefördert wurden.
Die Künstler selbst wussten meist nicht, welche Gesamtgagen verhandelt wurden. Und es wurde gemunkelt, dass ein Großteil der Einnahmen direkt auf ein Sonderkonto von Schalck-Golodkowskis KOKO ging.
Das Ende der Agentur
Mit der Wende im Herbst 1989 endeten die privilegierten Zeiten für viele Künstler. Plötzlich brachen Auftritte weg, man war nicht mehr gefragt. Mit dem Zusammenwachsen der beiden deutschen Staaten war auch die Künstler-Agentur ein Unternehmen, das abgewickelt wurde. Zunächst versuchte man 1990 noch, sie unter dem früheren Namen Deutsche Künstler-Agentur GmbH Berlin als privates Unternehmen weiterzuführen.
Doch es half nichts. Über das Ende der Agentur nach 30 Jahren berichtet Hermann Falk heute: "Wir haben die Verträge noch abgewickelt, die wir hatten - sie waren ja zum Teil langfristig. Ansonsten haben wir dem Künstler die Freiheit gelassen zu entscheiden, von wem er vertreten werden will." Und da niemand wusste, ob und wie es mit der Agentur weitergeht, verließen die Künstler sie in Scharen. Zu nachhaltig war außerdem der DDR-Stempel, den die Einrichtung hatte. West-Agenturen übernahmen nur Künstler, die schon internationale Referenzen vorweisen konnten. Die Künstler-Agentur der DDR wurde ad acta gelegt.