1952: Leiter des Aufbau-VerlagsWalter Janka(1914-1994)
Die Schlagzeile klang bedrohlich, der Ton scharf. Das "Neue Deutschland" titelte am 27. Juli 1957: "Gerechte Strafe für staatsfeindliche Verschwörergruppe". Die Verurteilten waren Walter Janka, Leiter des Aufbau-Verlages, Heinz Zöger, Chefredakteur des "Sonntag", sein Mitarbeiter Gustav Just und der Rundfunkredakteur Richard Wolf. Sie alle wurden beschuldigt, Mitglieder einer Gruppe zu sein, "die auf der Grundlage einer konterrevolutionären Konzeption das Ziel verfolgte, die Staatsmacht der DDR zu liquidieren". Das Urteil bildete das Ende eines Schauprozesses. Janka bekam die höchste Strafe, obwohl sein Anwalt auf Freispruch plädiert hatte. Das bedeutete fünf Jahre verschärfte Einzelhaft in Lichtenberg und Bautzen. Damit war die Karriere eines Kommunisten, der im Dritten Reich und im Spanienkrieg sein Leben für seine Überzeugungen eingesetzt hatte, zu Ende. Die DDR brauchte seine Erfahrungen nicht.
Eine klassenbewusste Familie
Walter Janka wurde in eine klassenbewusste und politisierte Arbeiterfamilie hineingeboren. Er kam am 29. April 1914 in Chemnitz zur Welt. Die Eltern waren schon in den frühen Zwanzigerjahren Mitglieder der Kommunistischen Partei geworden. Sein ältester Bruder Albert saß für dieselbe Partei im Reichstag. Walter Janka lernte Schriftsetzer und arbeitete nebenbei in kommunistischen Jugendverbänden mit.
Es traf ihn besonders hart, als Albert kurz vor seinem 26. Geburtstag von der SS ermordet wurde. Die Überzeugung, den Nationalsozialisten etwas entgegensetzen zu müssen, hatte der Ältere wohl an den jüngeren Bruder weitergegeben. 1933 wurde dieser von der Gestapo verhaftet und zwei Jahre darauf in das Konzentrationslager Sachsenburg bei Chemnitz gebracht. Seine Mutter bemühte sich beim Reichsinnenministerium um die Ausweisung ihres Sohnes aus dem Deutschen Reich. Sie war erfolgreich. Die SS schob Walter Janka nach einiger Zeit an der tschechischen Grenze ab. Sein Leben war gerettet.
Auf Seiten der Interbrigaden in Spanien
Im Herbst 1936 ging Janka mit einem gefälschten Pass nach Spanien zu den Interbrigaden. Schon bald war er der jüngste Kommandant eines Bataillons der 27. Division, in der ursprünglich die freiwilligen spanischen Kommunisten kämpften. Er war an allen großen Schlachten beteiligt und wurde dreimal verwundet. Nach dem Ende des Spanienkrieges sollte er an die Moskauer Militärakademie delegiert werden. Das lehnte Janka aber ab und blieb so mit seiner Truppe von 1939 bis 1941 in Frankreich interniert. Anfang August 1941 konnte er nach Marseille flüchten, wo er zweieinhalb Monate in der Illegalität lebte. Dort lernte er seine Lebensretterin und spätere Frau, Charlotte Scholz, kennen. Sie war Mitglied einer deutschen Widerstandsgruppe, brachte Janka Geld und Lebensmittelkarten. Schließlich konnten sie 1941 nach Mexiko auswandern.
"Freies Deutschland"
Charlotte Scholz und Walter Janka begründeten dort die Bewegung "Freies Deutschland" und die Zeitschrift und den Verlag "El Libro Libre" mit. Janka arbeitete als Schriftsetzer und Verlagsleiter in einem. "El Libro Libre" war der erfolgreichste Exil-Verlag auf dem amerikanischen Kontinent. Er verlegte etwa 30 Bücher, darunter solche von Anna Seghers, Heinrich Mann, Ernst Sommer und Egon Erwin Kisch.
Rückkehr nach Deutschland
Im Januar 1947 kehrte Walter Janka zusammen mit Charlotte Scholz und Ludwig Renn nach Deutschland zurück. Noch im selben Jahr heirateten er und Charlotte. Kurz darauf wurde Janka persönlicher Mitarbeiter von Paul Merker beim Parteivorstand der SED: "Gegen meinen Willen, nur weil ich mich überreden ließ, auch weil ich meinte, am Anfang aller Dinge stehe die Partei, trat ich in den zentralen Parteiapparat des Parteivorstandes ein". Kleine und größere Differenzen führten schon nach einem Jahr zu seinem Ausscheiden.
Leitung des Aufbau-Verlags - Diskussionen über Reformen
Wenig später trat er sein Amt als Generaldirektor der DEFA an. Anfang 1952 übernahm er die Leitung des Aufbau-Verlages. Er wurde ein erfolgreicher Verleger und machte den Lesern in der DDR auch westliche Autoren zugänglich. Der Aufbau-Verlag wurde für viele Schriftsteller und Intellektuelle zum Treffpunkt und Diskussionsforum. Nach Chruschtschows Enthüllungen über die Stalinschen Verbrechen waren die in Gang gekommenen kommunistischen Reformversuche in Polen und Ungarn wichtige Gesprächsthemen. Janka stand in engem Kontakt zu Anna Seghers, Kulturminister Johannes R. Becher und Helene Weigel.
Vorwurf der Verschwörung und Einzelhaft
Dann kamen der Vorwurf der Verschwörung, die absurde Anklage und die Einzelhaft. Während dieser Zeit erkrankte Walter Janka schwer. Charlotte Janka durfte ihren Mann nur für zwei Stunden im Jahr besuchen. Seine Erlebnisse haben manche Schriftsteller zur literarischen Verarbeitung inspiriert. In Stefan Heyms Roman "Collin" gewann er in der Figur des Havelka Gestalt, Erich Loest erinnerte sich in seiner Erzählung "Durch die Erde ein Riß" an den Bautzener Mithäftling Janka. Am 23. Dezember 1960 zeigten die ständigen Proteste aus dem Westen von Katia, Erika und Thomas Mann, Leonard Frank, Lion Feuchtwanger und Günther Weisenborn schließlich Erfolg. Ulbricht ordnete zehn Monate vor der geplanten Entlassung an, Janka auf freien Fuß zu setzen.
Kaltgestellt - Heimliche Übersetzungen und Synchronisation
Nun war Janka arbeitslos. Er wollte weder als Filmvorführer in der Provinz arbeiten, noch sah er im Gang in den Westen einen Ausweg. Stattdessen lebte er von heimlichen Übersetzungen und Synchronisationen. Martha Feuchtwanger und Katia Mann beispielsweise unterstützten ihn sehr. Sie vergaben erst Verfilmungsrechte an die DEFA, wenn zugesichert war, dass Janka an deren Realisierung beteiligt würde. 1972 wurde er Rentner. Seine Anträge auf Rehabilitierung lehnte Honecker immer wieder ab. Stattdessen bekam er den Vaterländischen Verdienstorden in Gold. Das "Neue Deutschland" vermerkte im Mai 1989 neben seinem Namen "Arbeiterveteran, Kleinmachnow".
Janka bricht sein Schweigen
Dann lag die DDR im Sterben und Janka brach sein Schweigen. Am 28. Oktober 1989 las der Schauspieler Ulrich Mühe im Deutschen Theater in Berlin aus Jankas "Schwierigkeiten mit der Wahrheit". Diese Lesung und Jankas Buch markieren den Anfang der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit. Die Reaktionen auf Jankas Erlebnisse und auf die Verwicklung einiger DDR-Schriftsteller waren nach dieser Lesung ausgesprochen vielfältig. Viele Betroffene fanden durch ihn den Mut, sich erstmals öffentlich zu äußern.
Walter Janka starb im Alter von 80 Jahren am 17. März 1994.