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Bildrechte: MDR/Polyphon/Sandra Hoever

Überwachung und SpitzeleiStasi-Spione in der Bundesrepublik

21. April 2020, 09:40 Uhr

Bespitzelungen, Abhörungen und Datensammeln – das "täglich Brot" des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR. Aber auch in der Bundesrepublik waren emsige Stasi-Mitarbeiter tätig. Sie spionierten für die Hauptverwaltung Aufklärung, kurz HVA. Was waren die Ziele der DDR-Wirtschaftsspionage und welcher Techniken bediente sich das MfS dabei?

Spionage in der DDR: Die "Gegner" im Auge

1950 bekommt das MfS durch den Beschluss des Politbüros und durch die Zustimmung der Volkskammer seinen bis heute berüchtigten Namen. Der Minister für Staatssicherheit Erich Mielke baut das MfS ab 1957 zu einem komplexen Überwachungssystem aus.

Durch die Mitarbeiter dieses Ministeriums werden u. a. politisch auffällige Bürger, Oppositionsgruppen aber auch die eigenen Parteimitglieder und staatlichen Behörden kontrolliert. Wer beschuldigt wird, gegen das SED-Regime zu sein oder eine Republikflucht zu planen, läuft Gefahr, überwacht oder sogar verhaftet zu werden. Dafür müssen nicht einmal handfeste Beweise vorliegen: Verdächtige Aussagen in Anwesenheit von Spitzeln reichen. Diese Spitzel, meist "Inoffizielle Mitarbeiter", arbeiten für das MfS und geben Informationen an dieses weiter. Die IM werden durch das MfS auf den Verdächtigen angesetzt. Es können Freunde, Verwandte oder auch Bekannte sein. Die übermittelten Informationen finden Eingang in die Akte der verdächtigen Person. Denn über jeden, der im Rahmen eines sogenannten "Operativen Vorgangs" bespitzelt wird, wird alles detailliert festgehalten.

"Falsche" Freunde machen verdächtig

Eine politische Aussage gegen das System oder der Kontakt zu einer ebenfalls "verdächtigen" Person kann zur Verhaftung führen. In einer der 17 Untersuchungshaftanstalten werden die vermeintlichen "Systemgegner" festgehalten. Die Gefängnisse arbeiten mit dem perfiden Mittel der "Zersetzung".

Psychischer Druck, Isolation und permanente Überwachung sollen Geständnisse erzwingen. Die Ungewissheit über das zur Last gelegte Vergehen und die mögliche Strafe zerren zusätzlich an den Nerven der Inhaftierten. Egal, ob ein Geständnis vorliegt oder nicht und der Tatbestand tatsächlich erfüllt ist, ein Prozess wird geführt. Je nach Anklage fallen die Strafen verschieden hoch aus. Für "staatsfeindliche Hetze" kann eine Strafe von viereinhalb Jahren ausgesprochen werden.

DDR-Spione in der BRD: Ausgefeilte Wirtschafts- und Wissenschaftsspionage

Auch in der Bundesrepublik sind die Spione des MfS aktiv. Es ist die westdeutsche Industrie, die von großem Interesse ist. In der DDR werden Agenten ausgebildet, die in westdeutsche Firmen eingeschleust werden, um sich das technische Wissen der Bundesrepublik anzueignen. Zum Beispiel in den chemischen Werken Marl-Hüls. In den 1970er- und 1980er-Jahren spioniert Wolfgang Müller hier für die Hauptverwaltung Aufklärung. Das ist der Auslandsnachrichtendienst der DDR, unter der Leitung von Markus Wolf, der zum MfS gehört.

Alles nur geklaut

Unter dem Decknamen "Hans Hildebrandt" arbeitet Wolfgang Müller ab 1961 in dem Werk. Er soll chemische Formeln an die DDR weiterleiten. Mithilfe einer Mikrat-Kamera kann er Dokumente abfotografieren. Die Kamera versteckt er in seinem Ärmel, sodass niemand sie sehen kann. Durch seinen Bruder werden die Aufnahmen in die DDR gebracht. Damit bei einer Grenzkontrolle niemand etwas finden kann, gibt es sogenannte "Container". Diese Container sind Alltagsgegenstände, in diesem Fall eine Aktentasche, die ein verstecktes Fach enthalten. Hier können die Aufnahmen versteckt werden. Die in dem westdeutschen Chemiewerk entwendeten Formeln helfen der DDR, die eigene Kunststoffindustrie weiter zu entwickeln. Das Werk in Marl-Hüls ist jedoch kein Einzelfall. Auch andere Werke werden ausspioniert und dazu baut das MfS über die Mikrat-Kamera hinaus ausgefallene Spionagegeräte: z. B. Gießkannen oder BHs mit integrierten Kameras.

Vermeintlich romantisch: Die "Romeo-Agenten"

Das Interesse an der westdeutschen Politik ruft eine rabiate Strategie auf den Plan: "Operation Romeo". Nachrichtendienstlich ausgebildete Spione der DDR werden in die Bundesrepublik geschickt, um Frauen zu umwerben. Dabei werden die Frauen vom MfS vorher gezielt ausgewählt. Es sind größtenteils Sekretärinnen in wichtigen Ämtern und Behörden, die im Visier des MfS stehen. Der Agent täuscht seine Liebe vor und macht sie von sich abhängig. Das Vertrauen und die Gefühle der Zielpersonen werden ausgenutzt, um an die gewünschten Daten zu gelangen. Auf dieser vermeintlichen Grundlage soll die Zielperson dem Agenten wichtige Dokumente liefern. Die Frauen wissen nicht, dass sie der DDR zuarbeiten. Meist geben sich die Spione als Mitarbeiter ausländischer Nachrichtendienste aus. Sie behaupten, für die Wahrung des Friedens zu arbeiten. Die Agenten geben ihnen Kameras, mit denen sie die Dokumente fotografieren können. Die Fotos werden daraufhin in die DDR geschleust. So eine Beziehung, welche sogar in einer Ehe münden kann, kann mehrere Jahre anhalten.

Die Agentinnen aus Liebe: Am Ende selbst gestraft

Bereits in den 1960er- und 1970er-Jahren werden zahlreiche Frauen bei ihrer "Spionage aus Liebe" ertappt. Nichtsahnend, dass sie der DDR wichtige Informationen geliefert haben, werden Prozesse gegen sie eingeleitet. Nach der Wende werden durch die Übergabe der Stasi-Akten weitere Fälle bekannt. Oft erfahren die Frauen erst bei ihrer Verhaftung, wer ihr Partner oder Ehemann wirklich war. Der emotionale sowie der gesellschaftliche Schaden für die Frauen ist groß. Vor allem weil die Agenten meist ungestraft davonkommen. Durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1995 gibt es ein "Verfolgungsverbot wegen früherer Spionage in der Bundesrepublik".

Die Geschichte des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS)Februar 1950: Gründung "Ministerium für Staatssicherheit" als eigenständige Geheimpolizei und Behörde (Vorläufer MfS: Nachrichtendienst "Hauptverwaltung zum Schutze der Volkswirtschaft" von 1946)

1953-55: MfS wird Innenministerium unterstellt, da Schuld für den Volksaufstand vom 17. Juni 1953 MfS zugerechnet

November 1955: wieder eigenständiges Ministerium

Ab November 1957: unter Mielke Ausbau MfS zum "Schild und Schwert der Partei"

November 1989: Umbenennung in "Amt für Nationale Sicherheit" (AfNS)

Dezember 1989: Auflösung

Über dieses Thema berichtete der MDR auch im TV:Inside HVA | 21.04.2020 | 22:05 Uhr