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Bildrechte: Archiv/Berliner Flughäfen

PorträtKlaus Henkes - Generaldirektor der Interflug

22. Oktober 2021, 17:39 Uhr

Klaus Henkes war einer der mächtigsten Wirtschaftsbosse der DDR – er war Generaldirektor der "Interflug", Offizier und stellvertretender Verkehrsminister.

"Als Generaldirektor musste man listig sein. Da musste man bis an die Grenze des Zulässigen gehen. Und manchmal auch darüber hinaus. Zumal wir das Problem hatten, dass unser Boss, Politbüromitglied Günter Mittag, der Meinung war, dass wir Generaldirektoren Tag und Nacht nur darüber nachdenken, wie wir der DDR Schaden zufügen können. Deshalb hat er ein strenges Kontrollsystem eingeführt. Das war nicht angenehm für uns."

Einer der mächtigen Wirtschaftsmanager der DDR

"Name: Henkes, Klaus. Nation: DDR. Titel: Dr. rer. mil., Dr. rer. nat. Berufe: Soldat, Offizier, Wirtschaftsmanager, Verwaltungschef. Partei: SED." Mit diesen Angaben verzeichneten bundesdeutsche Nachschlagewerke einen der mächtigsten Wirtschaftsbosse der DDR: den Generaldirektor der Fluggesellschaft "Interflug" und stellvertretenden Verkehrsminister Generalleutnant Dr. Dr. Klaus Henkes.

Aus einfachen Verhältnissen

Klaus Henkes, der 1929 in Görlitz geboren wurde, stammt aus einfachen Verhältnissen. Er studierte am Bergtechnikum Freiberg und an der FDJ-Jugendhochschule Bogensee. Anschließend wurde er in der UdSSR zum Militärpiloten ausgebildet. Nachdem er einige Jahre als Chefnavigator der DDR-Luftstreitkräfte beschäftigt war, nahm er diverse Studien an Militärakademien in Berlin und Moskau auf. Er promovierte zweimal und wurde 1975 zum stellvertretenden Verkehrsminister und drei Jahre später zum Generaldirektor der "Interflug" berufen.

Höchste Sicherheitsstufe bei der "Interflug"

8.000 sorgfältig ausgewählte Mitarbeiter waren in Henkes Imperium beschäftigt – für die "Interflug" galt höchste Sicherheitsstufe. Im Stammsitz des Kombinates in Berlin-Schönefeld besetzte die Staatssicherheit ein Viertel aller Räume. Besondere Aufmerksamkeit widmete der Generaldirektor der Auswahl seiner etwa 500 Piloten. Sie kamen ausschließlich von den Fliegerschulen der NVA und waren allesamt "Offiziere der Reserve".

Befehle und Kampfappelle bei der "Interflug“

Klaus Henkes, der trotz seines Generalsranges nie eine militärische Einheit befehligt hatte, baute sich bei der "Interflug" seine eigene Armee auf. Er führte Strukturen ein, die tatsächlich eher an eine Kaserne als an eine zivile Luftfahrtgesellschaft erinnerten: Statt Betriebsanweisungen erließ er "Befehle" und seine Piloten und Stewardessen mussten zu Kampfappellen antreten oder an ihm vorbeimarschieren.

Weltweites Streckennetz

Das Streckennetz der "Interflug" umfasste mehr als 100.000 Kilometer. Mit 58 Ländern gab es Luftfahrtabkommen. Von den vier Flughäfen in der DDR – Berlin, Leipzig, Erfurt und Dresden – wurden außer den Hauptstädten der sozialistischen Staaten Flughäfen in aller Welt angeflogen: Amsterdam, Wien, Istanbul, Athen, Mailand, Beirut, Kairo ...

"Interflug" in der Krise

Mitte der 80er-Jahre geriet die "Interflug" in eine Krise. Die meisten Flugzeuge waren älter als 15 Jahre und verbrauchten dreimal mehr Sprit als die westeuropäischer Airlines. An westliche Maschinen konnte Henkes aber nicht herankommen – sie standen auf der "Cocom-Liste" - Ausfuhr in sozialistische Staaten verboten. Henkes hätte sie allerdings auch nicht kaufen können. Die 500 Millionen Valuta Mark, die die "Interflug" jährlich einflog, gingen an den Staat und nur 10 Prozent kamen für Investitionen zurück. Selbst Flugbenzin konnte sich Henkes ab 1987 nur aufgrund guter Beziehungen zum Generaldirektor des Petrolchemischen Kombinates Schwedt in ausreichender Menge verschaffen. 1988 kam jedoch unverhoffte Rettung.

Franz Josef Strauß verschafft "Interflug" Aufwind

Am 24. Juni 1988 unterzeichneten der bayerische Ministerpräsident Franz-Josef Strauß und Klaus Henkes in Toulouse einen Vertrag über die Lieferung dreier hochmoderner Airbusse an die "Interflug". Der Pauschalpreis pro Airbus lag bei 68 Millionen DM. Das Geld hatte Strauß gleich selbst mitgebracht – durch die Gewährung eines Milliardenkredits an die DDR. Die "Interflug" war mit einem Mal wieder konkurrenzfähig.

Konkurrenz zur "Lufthansa"

1989 setzte Klaus Henkes seine Hoffnungen in eine "starke und leistungsfähige Interflug", die zur "Lufthansa" in Konkurrenz stünde. Mit dem Ende der DDR war dieser Traum allerdings ausgeträumt. An einem Konkurrenzunternehmen war die "Lufthansa" keineswegs interessiert. Und obwohl die "Treuhandanstalt" der "Interflug" noch im Oktober 1990 bescheinigte, dass "das Unternehmen sehr wohl überlebensfähig ist", musste der Flugbetrieb im April 1991 eingestellt werden - die "Interflug" wurde von der "Treuhandanstalt" liquidiert.

Henkes wird Berater für westliche Fluggesellschaften

Klaus Henkes war bereits im Mai 1990 vom letzten Verkehrsminister der DDR in den Ruhestand verabschiedet worden. Für den damals 61-jährigen Henkes begann nun eine neue Karriere: Als Berater westlicher Fluggesellschaften kümmerte er sich in den einstigen Staaten des Ostblocks um die Transformation staatlicher Fluggesellschaften in privatwirtschaftliche Unternehmen. "Ich kannte ja alles und jeden im sozialistischen Lager: Fluggesellschaften, Luftfahrtbehörden, Luftfahrtchefs, Minister. Und da war ich plötzlich interessant geworden", sagt Klaus Henkes und lacht. "Es war eine spannende Zeit. Machte riesigen Spaß!" Dr. Klaus Henkes verstarb im März 2003.

Über dieses Thema berichtete der MDR im TV in "60 Jahre Interflug"16.09.2018 | 22:25 Uhr