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Der Leipziger Zoo ist der erste Tierpark, der Gräben statt Gitter um sein Elefantengehege baut. Es ist damals eine Sensation, die Tiere so betrachten zu können. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Geschichte des Leipziger Zoos140-jährige Geschichte der Elefantenhaltung im Zoo Leipzig

04. April 2022, 20:14 Uhr

Der Leipziger Zoo überdauerte Kriege, die sowjetische Besatzung und die DDR. Seine Geschichte reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück und fast genauso lang ist die Geschichte seiner Elefanten. 1878 gegründet, wurde der Zoo schnell zu einem Publikumsmagneten, 1881 wurde Elefantenkuh Sally zur Hauptattraktion. Von artgerechter Haltung verstand der Zoogründer Ernst Pinkert jedoch nicht besonders viel. Über hundert Jahre wurden immer modernere, tiergerechtere Gehege entwickelt und eine neue Art der Elefantenhaltung etabliert.

von Miriam Frank

Sally lebte im Stall ohne Außenbereich

Die Geschichte der Haltung und Zucht von Asiatischen Elefanten im Leipziger Zoo reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück. Alles begann, als der Gastwirt Ernst Pinkert Schaulustige mit exotischen Tieren, Sport- und Musikveranstaltungen sowie Völkerschauen in seine Kneipe, den "Pfaffendorfer Hof", lockte. Als das angeschlossene Wildgehege immer größer wurde, entstand 1878 einer der ersten Zoos Europas: der Zoo Leipzig. 1881 kam die Asiatische Elefantenkuh Sally in Pinkerts Bestand - eine Sensation, denn nur wenige Zoos leisteten sich damals Elefanten. Ihre Haltung war jedoch alles andere als artgerecht.

Das ursprüngliche erste Elefantenhaus war lediglich ein Stallgebäude mit keinem richtigen Außenbereich. So würde man heute schon gar keinen Elefanten mehr halten. Der Platz hat gefehlt.

Prof. Jörg Junhold, Zoodirektor Leipzig

Sally ist 1881 der erste Elefant im Leipziger Zoo und damit eine Sensation. Sie lebt in einem Stallgebäude ohne richtigen Außenbereich. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Historisches Elefantenhaus mit gefährlichem Freigehege

Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde der Tierpark kontinuierlich ausgebaut - in nur wenigen Jahren entstanden ein Raubtierhaus, Affenhaus, Aquarium sowie ein Terrarium. 1926 ließ der damalige Zoodirektor Johannes Gebbing das heute historische Elefantenhaus im Klinkerstil erbauen. Neben der Innen- und Außenanlage entstand außerdem ein Badebecken für die Dickhäuter. Das Freigehege war eines der ersten, das ohne Gitter gebaut wurde – nur ein Graben trennte die Tiere von den Zoobesucherinnen und -besuchern. Es war eine Sensation, die Elefanten so betrachten zu können.

Die damals innovative Abgrenzung brachte in den darauffolgenden Jahren jedoch so manchen Elefanten zu Fall: Die tonnenschweren Tiere verloren das Gleichgewicht, wenn sie nach Futter von Schaulustigen griffen oder stießen sich bei Rangkämpfen gegenseitig in die Grube. Meistens gingen die Stürze gut aus und die Elefanten kamen nur mit einem Schrecken davon - einzig die Elefantenkuh Cilly überlebte ihren Sturz 1951 nicht. Die letzte dramatische Rettungsaktion ereignete sich 1980, als Rani nach ihrem Absturz von der Feuerwehr an allen vier Beinen aus dem Graben gezogen werden musste. Erst in den 90ern wurde das Gehege mit einer Innenabsperrung aus Schaukelseilen sicherer gemacht.

Der Zoo Leipzig baut 1926 einen Graben um das Elefantengehege

Bauarbeiter heben einen Graben für das neue Elefantengehege im Zoo Leipzig aus. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Drei Leipziger Elefanten in ihrem Gehege vor dem 1926 neu errichteten Elefantenhaus im Klinkerstil. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Nur ein Graben trennt die Elefanten vom schaulustigen Zoopublikum. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
1951 überlebt die Elefantenkuh Cilly den Sturz in den Graben nicht. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Nach ihrem Absturz muss Elefantenkuh Rani von der Feuerwehr geborgen werden. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Tierische Kriegsreparationen: Maia muss nach Moskau

Nach Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde ein Drittel der Leipziger Zoo-Belegschaft zur Wehrmacht eingezogen. Gleichzeitig erreichte die Zahl der Besucherinnen und Besucher mit 840.000 zahlenden Personen 1942 einen neuen Rekord. In Folge mehrerer Luftangriffe in den Jahren 1943 und 1944 und durch einen akuten Mangel an Futtermitteln und Brennstoffen, musste der Zoo aber schwere Verluste hinnehmen. Nur etwa 659 Tiere überlebten den Krieg.

In der Besatzungszeit half die sowjetische Armee dem Zoo Leipzig mit der Beschaffung von Heu, Getreide, Grünfutter und Kadaverfleisch. Trotzdem erwies sich die Futtermittelbeschaffung noch lange als schwierig. Hinzu kamen die Reparationsleistungen: 1945 wurden 62 Tiere aus der sowjetischen Besatzungszone beschlagnahmt und nach Moskau transportiert. 1947 musste der Zoo Leipzig ein Nashorn, Großkatzen und auch die Elefantenkuh Maia an die Sowjets abtreten.  

Staatsgeschenke aus Hoh-Chi-Minh

Auch in der DDR erfreute sich der Zoo Leipzig als "unpolitische" Institution großer Beliebtheit. Der Eintrittspreis blieb über Jahrzehnte gleich: eine Mark für Erwachsene, 50 Pfennig für Kinder. An zuchtfähige Elefanten zu kommen, wurde mit den Jahren dagegen immer schwieriger. Seit 1976 untersagte ein internationales Artenschutzabkommen die Einfuhr wildgefangener Tiere, die asiatischen Elefanten waren inzwischen hochbedroht.

1983 wird ein Asiatischer Elefant aus Vietnam per Schiff in den Zoo Leipzig transportiert. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Um das Abkommen zu umgehen, vertiefte Leipzig seine Beziehungen nach Ho-Chi-Minh-Stadt. Mitte der 80er machte die Partnerstadt ein Angebot: Junge, halbwüchsige Elefanten, aufgewachsen in Waldarbeitercamps – als Staatsgeschenke für die DDR. Die ersten Tiere wurden 1983 ausgesucht und nach Deutschland verschifft. Die drei- bis fünfwöchigen Überfahrt verbrachten die Elefanten in Containern. Für ihre Versorgung mussten große Mengen Futter auf dem Frachtschiff gelagert werden, wie Bananenstauden, Kürbisse und Zuckerrohr.

Natürlich war dann das Futter schneller am Punkt, wo es kippte, als wir hofften. Das hatte am Anfang den Vorteil für die Besatzung, dass der Koch jeden Tag Bananen in allen Variationen servierte, bis die Besatzung das Wort Banane nicht mehr hören konnte. Und das war zu DDR-Zeiten ja durchaus eine Frucht, die man sehr gern aß, wenn man sie bekam.

Gerd Nötzold, Seniorkurator

Hoa war einer von vier Elefanten aus Vietnam. Höchstens eineinhalb Jahre war sie damals alt - eigentlich zu jung, um von der Mutter und den Tanten getrennt zu werden. Das war übliche Praxis zu jener Zeit. Nach vielen Jahren im Leipziger Zoo lebt Hoa inzwischen in Neunkirchen.

Die Elefantenkuh Hoa wird mit eineinhalb Jahren per Schiff von Vietnam in den Leipziger Zoo gebracht. Heute lebt sie in Neunkirchen. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Leipziger Zoo baut Elefantentempel

2000 wurde das Konzept vom "Zoo der Zukunft" beschlossen, das artgemäße Tierhaltung, Artenschutz und Bildung vereint. Im Zuge dessen baute der Zoo Leipzig das Elefantengehege 2006 zu einer der modernsten Anlagen der Welt um: "Ganesha Mandir". Auf einer Fläche von einem Hektar stehen den Tieren insgesamt vier Außengehege zur Verfügung, gestaltet im Stil indischer Tempelanlagen. Einsicht in die Freianlagen besteht durch stilechte asiatische Pagoden, außerdem dienen Badeteiche im Herden- und Bullengehege zur Gehegeabgrenzung. In der Innenfreilaufanlage befindet sich ein Wasserbecken, in das die Besucherinnen und Besucher durch eine Unterwassersichtscheibe blicken können.

Asiatische Elefanten - Eine bedrohte Art

Trotz modernster Anlage missglückten jahrelang die Zuchtversuche bei den Leipziger Elefanten Don Chung, Voi Nam und Rani. Als 2020 dann der kleine Kiran auf die Welt kam, war die Freude bei Zoo-Chef Prof. Jörg Junhold und den Pflegerinnen und Pflegern riesig. Nur wenige Monate später bekam die Asiatische Elefantenfamilie erneut Zuwachs: Eine fünfköpfige Berliner Herde zog zu den vier Leipzigern, angeführt von Elefantenkuh Kewa mit ihren Töchtern Thuza und Pantha, Sohn Edgar sowie der 41-jährigen Astra. Die Zusammenführung der zwei Herden wurde in enger Abstimmung zwischen den Zoos sowie dem Europäischen Erhaltungszuchtprogramm erarbeitet und akribisch vorbereitet. Lange hatte der Zoo Leipzig schon auf eine Chance wie diese gewartet. Die neun Dickhäuter sollten eine gemeinsame Herde bilden, um die Nachzucht der stark vom Aussterben bedrohten Tiere zu sichern.

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