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80 Jahre VW: Wie aus Hitlers Autofabrik ein Weltkonzern wurde

25. Mai 2018, 11:33 Uhr

Unter 1.000 Reichsmark sollte das "KdF-Auto" kosten, der erste Volkswagen, der in Deutschland die Massen motorisieren sollte. So preiswert war der spätere "Käfer" nie, dafür wurde aus Volkswagen trotz aller Krisen die Nummer eins der Autobauer. Heute vor 80 Jahren wurde der Grundstein für das VW-Stammwerk in Wolfsburg gelegt.

Autofahren für alle erschwinglich machen: Die Strahlkraft dieser Idee, in den USA von Henry Ford ersonnen und dort schon im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts umgesetzt, erkannten auch die Nationalsozialisten und instrumentalisierten sie für ihre Zwecke. Am 26. Mai 1938, einem sonnigen Himmelfahrtstag, legte Adolf Hitler den Grundstein für das Herz des heutigen Autogiganten Volkswagen - das Werk in Wolfsburg. Mit viel Pomp. Rund 50.000 Menschen nahmen am Großereignis teil. Doch bis schließlich der erste "Käfer" vom Band lief - eine automobile Legende, die den Aufstieg von Volkswagen erst ermöglichte - sollte noch viel Zeit vergehen. Denn das Versprechen der Nationalsozialisten, Autofahren für alle bezahlbar zu machen, entpuppte sich schon bald als Utopie. Der erste Volkswagen, der später liebevoll "Käfer" genannte Typ 1, lief erst nach dem Zweiten Weltkrieg vom Band. Und für 990 Reichsmark, wie es die Nazis versprochen hatten, war der Wagen nie zu haben. 

Große Pläne: 1,5 Millionen "KdF-Autos" pro Jahr 

Nach den Vorstellungen der Nazis sollten im Volkswagen-Werk bis zu 1,5 Millionen Autos pro Jahr produziert werden. Eine ungeheure Zahl, wenn man bedenkt, dass die gesamte deutsche Autobranche damals nicht mehr als 380.000 Wagen im Jahr fertigte. Hitler, der den Konstrukteur des "KdF-Wagens" , Ferdinand Porsche, bewunderte, nahm zwischenzeitlich selbst regen Anteil an der Entwicklung des Volkswagens, des damals so genannten "KdFf-Wagens" - nach dem Namen der NS-Organisation Kraft durch Freude (KdF). Nach "Verwertung der Kriegserfahrungen mit diesem Fahrzeug" werde dem deutschen Volk ein Automobil beschert, das "unübertreffbar" sei, sagte der Diktator einst in seinen Tischgesprächen. Doch bis Kriegsende verließen nach Angaben von VW nur rund 600 zivile Fahrzeuge die Werkshallen - vor allem für Staatsstellen und Privilegierte, die dem Regime nahestanden. 

Kübelwagen für die Wehrmacht statt Kleinwagen alle

Statt des von Ferdinand Porsche konstruierten "Käfers" rollten nun zunächst Kübel- und Schwimmwagen aus den Wolfsburger Werkshallen an die Fronten, auch Flugzeugteile und Panzerfäuste wurden hergestellt. Ein düsteres Kapitel in der Firmengeschichten: Die VW-Geburt wurde erst durch die Ausbeutung von Zwangsarbeitern möglich, die in den Kriegsjahren 1943/44 zeitweise etwa 80 Prozent der Belegschaft stellten. Insgesamt hätten nahezu 20.000 Zwangsarbeiter für das Wolfsburger Unternehmen schuften müssen. Im deutschen Durchschnitt habe der Anteil der Zwangsarbeiter an den Belegschaften bei etwa 30 Prozent gelegen - der höhere Anteil bei Volkswagen erkläre sich mit der Entstehung des Werks "auf der grünen Wiese", sagt VW-Sprecher Landenberger. Es habe schlicht zu wenig Arbeitskräfte gegeben.  

Dass schon die Nazis in Wolfsburg von Anfang an groß gedacht hatten, zeigen die Ausmaße der Fabrik am Mittellandkanal, mit deren Bau kurz vor der Grundsteinlegung begonnen worden war. Bereits am 28. Mai 1937 wurde die "Gesellschaft zur Vorbereitung des Deutschen Volkswagens mbH" gegründet, und schon 1934 hatte der Reichsverband der Automobilindustrie Ferdinand Porsche damit beauftragt, den ersten Volkswagen zu konstruieren.

Neustart nach dem Zweiten Weltkrieg

Nach dem Zweiten Weltkrieg stellten die Briten die Weichen für die Erfolgsgeschichte Volkswagen. In  Wolfsburg begann man wieder zu produzieren. Allerdings bescheiden: mit 55 Fahrzeugen startete im Dezember 1945 die Produktion des Typs 1. 1947 wurden die ersten fünf Autos exportiert – in die  Niederlande. Was folgte, war ein kometenhafter Aufstieg. In den acht Jahrzehnten seit der Grundsteinlegung entwickelte sich Volkswagen zum größten Autobauer der Welt. Der Konzern umfasst heute zwölf Marken - darunter die Stammmarke VW, aber auch Audi, Porsche und Škoda. Die Unternehmensgruppe beschäftigt mehr als 640.000 Mitarbeiter und liefert jährlich mehr als 10 Millionen Fahrzeuge aus. Und: Volkswagen war von Anfang an ein besonderer Konzern mit besonders starkem Einfluss der Arbeitnehmerseite und des Landes Niedersachsen. Das umstrittene VW-Gesetz sichert den Sonderstatus des Landes und seine Sperrminorität bei einem Stimmrechtsanteil von 20 Prozent.

1986 stellte sich Volkswagen seiner eigenen Geschichte und begann, die Verstrickungen mit dem NS-Regime zu untersuchen und aufzuarbeiten. Der Konzern beteiligte sich zudem an der im Jahr 2000 gegründeten Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ), die nach eigenen Angaben insgesamt etwa 4,4 Milliarden Euro an fast 1,7 Millionen ehemalige Zwangsarbeiter der NS-Diktatur auszahlte.

Affären, Skandale, Krisen

Die Geschichte des Weltkonzerns ist reich an Konflikten, Affären und Skandalen: die existenzbedrohende Krise Anfang der 1990er-Jahre, als VW Milliardenverluste machte und zum Sanierungsfall zu werden drohte, der Skandal um Schmiergelder und Lustreisen auf Firmenkosten Mitte der 2000er-Jahre, die Übernahmeschlacht mit Porsche, die zwischen 2008 und 2012 tobte und damit endete, dass VW den Sportwagenhersteller Porsche übernahm oder der Machtkampf des schließlich doch entthronten Ex-Konzernchefs Martin Winterkorn mit dem langjährigen Mentor und Chefaufseher Ferdinand Piëch Anfang 2015.

Alles in den Schatten stellte aber "Dieselgate". Denn im September 2015 rutschte Volkswagen in die wohl tiefste und gefährlichste Krise seiner Geschichte. Damals gab VW zu, in großem Stil bei Abgastests von Diesel-Fahrzeugen getrickst zu haben - und ringt nach zahlreichen Klagen und milliardenschweren Vergleichen in den USA noch immer um Vertrauen. Immer wieder schien es zwischenzeitlich, als sei die Krise ausgestanden, doch der Skandal holt den Autobauer immer wieder ein. Zuletzt Anfang Mai: Kaum hatte der neue Konzernchef Herbert Diess auf der Hauptversammlung gefordert, Volkswagen müsse "anständiger werden", da platzte die Nachricht wie eine Bombe: Die US-Justiz will Ex-Chef Winterkorn im Abgasskandal vor Gericht bringen. "Dieselgate" dürfte Volkswagen noch lange beschäftigen.

(Thomas Strünkelnberg, dpa, voq)


Über dieses Thema berichtete MDR AKTUELL auch im:TV | 04.05.2018 | 19:30 Uhr