Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio

Heute im Osten

Kollegah und Farid BangRapper besuchen Auschwitz: "Jeder Mensch ist lernfähig"

08. Juni 2018, 11:00 Uhr

Die Rapper Kollegah und Farid Bang provozierten mit ihrem Song den Eklat um den "Echo". Gestern besuchten die beiden Musiker auf Einladung des Internationalen Auschwitz Komitee die KZ-Gedenkstätte in Auschwitz-Birkenau. Ein Interview mit Christoph Heubner, Vize-Vorsitzender des Vorstandes der Stiftung für die Internationale Jugendbegegnungsstätte in Auschwitz.

Heute im Osten: Die Einladung an die beiden Rapper hat großes Aufsehen erregt. Was wollten Sie damit bezwecken?

Christoph Heubner: Die Idee ist natürlich, sie mit etwas zu konfrontieren, worüber sie offensichtlich zu wenig wissen. Den Ort zu sehen, an dem Menschen gequält, erniedrigt und ermordet worden sind, ist eine Tatortbesichtigung und gleichzeitig ein Gang in die Geschichte. Der ist Voraussetzung, um Interesse an dem Thema zu entwickeln.

Wie sollen wir uns das vorstellen? Laufen die beiden mit einem Geschichtslehrer durch Auschwitz und bekommen den Ort und seine Historie erklärt?

Sie laufen mit einem Guide der Gedenkstätte und mit mir durch das Stammlager Auschwitz I und wir werden ihnen die Bedeutung dessen erklären, was sie sehen. Gleichzeitig werden wir ihnen von bestimmten Menschen erzählen, die an diesem Ort gewesen sind und ihn überlebt haben oder dort ermordet wurden – also Lebens- und Todesgeschichten von Menschen, die Auschwitz ertragen mussten.

Haben Sie mit solchen "Fällen" schon Erfahrung, dass sich Menschen in der Öffentlichkeit antisemitisch geäußert haben und durch so einen Besuch geläutert wurden?

Ja, es gibt Erfahrungen, die ich selber gemacht habe. Da haben Menschen mit rechtem Gedankengut am Ort selber die Dimension dessen verstanden, was sie gedacht und ausgesprochen haben. Ich will das gar nicht mit den beiden Rappern vergleichen. Aber wenn jemand, der so etwas sagt oder denkt, als junger Mensch dahin kommt und plötzlich sieht, dass die Menschen, die dort umgebracht wurden, genauso alt waren wie sie selber, beginnt er zu denken.

Er versteht: Die hatten gleiche Lebenshoffnungen und Lebenserwartungen wie ich. Die waren in der gleichen familiären Situation, sie waren Sohn oder Tochter von jemandem, hatten Freunde, waren vielleicht verliebt. Das ist dann ein Anstoß, der klarmachen kann, hier brauchst du jetzt Ehrlichkeit dir selbst gegenüber: Was redest du für einen Müll? Und wie hasserfüllt ist der Müll, den du redest?

Was hält eigentlich die Gedenkstätte Auschwitz selbst von diesem Besuch?

Die Gedenkstätte sieht das als einen privaten Besuch zweier Künstler und nicht als einen offiziellen "Staatsbesuch". Und ich denke, dass die beiden, so wie das im Vorfeld miteinander besprochen wurde, das auch nicht als Event und Medienvorlage inszenieren wollen. Sondern als eine Reise, die sie auch ein Stück weit zu neuen Erkenntnissen über sich selber führt. Dazu lässt man sich Zeit zum Denken und um sich über seine Empfindungen klar zu werden. Das braucht auch Zeit und ist auch eine Herausforderung.

Man kann wohl unterstellen, dass die beiden schon beim Schreiben des Textes auf die mediale Aufmerksamkeit abgezielt haben. Und die Medien werden natürlich auch vor Ort über den Besuch berichten. Wie wollen Sie verhindern, dass der dann zu einem PR-Spektakel verkommt?

Ich denke, dass auch Medien an einem solchen Ort die Würde des Ortes respektieren. Es gibt Erfahrungen damit. Es kommen zum Beispiel immer wieder Fußballnationalmannschaften nach Auschwitz. Die werden natürlich auch von einem Presseheer belagert. Aber da hat man sich immer Distanz erbeten und die Presse hat das respektiert. Davon gehe ich auch bei diesem Besuch aus.


Bildrechte: Boris Buchholz/Internationales Auschwitz-Komitee

Zur PersonChristoph Heubner ist Vize-Vorsitzender des Vorstandes der Stiftung für die Internationale Jugendbegegnungsstätte in Auschwitz. Außerdem ist er Mitglied des Internationalen Auschwitz-Rats, der die polnische Regierung in Fragen der Geschichtsaufarbeitung berät.

Über dieses Thema berichtete MDR AKTUELL auch im:TV | 26.01.2018 | 19:30 Uhr