KunstResidenzprogramm in Bad Düben: Ein Stipendienplatz speziell für Fotografin mit Kind
Zwei Fotografinnen sind gerade in der Dübener Heide zu Gast. Nicht als Touristen, sondern im Rahmen des "Passage"-Artist-in-Residence-Programmes. Ein Platz davon war speziell für Künstlerinnen mit Kind ausgeschrieben. Der Kultur- und Kunstverein Kemberg und der Polygona-Kunstverein ermöglichen bereits zum dritten Mal mit ihrem Künstler-Residenzprogramm zwei Künstlern einen Monat lang in ländlicher Abgeschiedenheit zu leben und zu arbeiten.
Auf dem Weg zum Bad Dübener Ortsteil Alaunwerk geraten bald reifende Kornfelder in den Blick. Hier, am Stadtrand, wo der Kiefernwald beginnt, steht die Waldschänke. Eigentlich hat der Gasthof, dessen Besitzer ein passionierter Jäger ist, schon lange geschlossen, doch für einen Monat ist wieder Leben in das Haus eingekehrt.
Die beiden Fotografinnen, Sara Perovic aus Kroatien, die in Berlin lebt, und Chrystel Lebas, eine aus Paris stammende Londonerin, haben sich zwischen Hirschgeweihen und ausgestopften Füchsen ihren Arbeitsplatz eingerichtet, um als diesjährige Stipendiatinnen des Artist-in-Residence-Programms "Passage" einen Monat lang hier an ihren Projekten zu arbeiten. Das erfordere etwas Mut, erzählt Chrystel Lebas:
Bei einem Aufenthaltsstipendium ist es anfangs immer etwas schwierig, weil man den Ort nicht kennt und nicht weiß, was hier entstehen wird.
Chrystel Lebas, Artist-in-Residence bei "Passage"
Landschaft mit vielschichtiger Vergangenheit
Lebas streift für ihre großformatigen Panoramafotografien gern stundenlang durch Wälder oder Brachen. Ihre berückend schönen Aufnahmen offenbaren beim genauen Hinsehen zuweilen Abgründe: Absterbende Bäume, vertrocknende Böden, aber auch die zwiespältige Schönheit invasiver Pflanzenarten. In der Dübener Heide findet sie viele Anknüpfungspunkte.
Diese Gegend hat eine so vielschichtige Vergangenheit, mit ihrer vom Menschen geformten Landschaft. Mich interessiert gerade der Klimawandel. Wie wir unsere Umwelt beeinflussen.
Chystel Lebas, Fotografin
Die chemische Industrie und der Braunkohletagebau haben ihre Spuren in den Böden und der Landschaft hinterlassen. Die Straße, an der die Waldschänke liegt, heißt noch immer nach dem Alaunwerk, das es hier gab.
Im ehemaligen Wirtsgarten herrscht jedoch Idylle. Sara Perovic und Chrystel Lebas trinken unter dem dunkelgrünen Blätterdach einer Kastanie einen gemeinsamen Nachmittagskaffee. Sie seien beide sehr unterschiedlich in ihrem Arbeitsprozess, meint Perovic, findet es aber schön zu sehen, wie die andere arbeitet.
Analoge Fotos statt Digitaltechnik
Beide nutzen für ihre Bilder analoge Fototechnik. Doch statt, wie Lebas, allein die Natur zu durchstreifen, sucht Perovic für ihre Arbeiten den Kontakt zu anderen Menschen. Beziehungen interessieren sie. Während ihrer Zeit in Bad Düben würde sie gern tanzende Paare fotografieren und hat sich schon nach Veranstaltungen umgehört, zum Beispiel in einem Pflegeheim.
Sie sagt dazu "Ich muss auch sagen, die Leute, die wir getroffen haben, sind sehr offen und sehr interessiert, was passiert und worum es geht. Und sie sind auch willig zu helfen."
Stipendienplatz speziell für Fotografin mit Kind
Perovic ist mit ihrer kleinen Tochter hier, denn ein Platz des "Passage"-Residenzprogramms ist ausdrücklich für eine Fotografin mit Kind ausgeschrieben. Der Verein organisiert für die Zeit einen Platz in Schule oder Kindergarten. Das sei noch immer keinesfalls selbstverständlich, meint die junge Mutter, würde aber inzwischen häufiger berücksichtigt. Sie hebt hervor: "Dass es überhaupt diese Möglichkeit gibt für Mutter mit Kind, oder Eltern mit Kind. Dass endlich mal akzeptiert wird, dass Künstlerinnen auch Kinder haben können."
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Kein Druck, Zeit für die Natur
Und noch etwas ist besonders an diesem Aufenthaltsstipendium in Bad Düben: Anders als üblich, muss am Ende der vier Wochen kein fertiges Kunstwerk entstanden sein. Das nähme viel Druck raus, meint Lebas. Sie empfindet die Zeit, fern ihres Alltags in London, als äußerst kostbar.
Man braucht diese Zeit der Konzentration, um sich vorzustellen, wie man die eigene Arbeit weiterentwickeln kann. Und um zu experimentieren. Es ist sehr wichtig zu experimentieren.
Stipendiatin Chrystel Lebas
Die Kunst ist das eine. Doch darüber hinaus tut die Natur auch einfach gut, wie beide begeistert erzählen. Lebas hat schon ein paar der örtlichen Badeseen durchprobiert. Und Perovic fährt mit dem Rad jeden Tag ein Stück an der Mulde entlang und schwärmt "Ich habe ein kleines Notizbuch und ich notiere mir jeden Tag, was ich sehe, welche Tiere […] Von kleinen Füchslein, zu Fasanen und so. Also es ist echt wunderschön." Die ausgestopften Füchse und Fasanen in der Waldschänke schauen ihr dabei aus ihren gläsernen Augen etwas melancholisch über die Schulter.
Redaktionelle Bearbeitung: op
Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 29. Juni 2023 | 16:10 Uhr