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Aus Sachsen wurden drei Benin-Bronzen an Nigeria zurückgegeben worden. SKD-Chefin Marion Ackermann hält das nach wie vor für richtig. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild/Sebastian Kahnert

Nach Rückgabe an NigeriaSKD-Chefin Marion Ackermann zu Benin-Bronzen: "Die Entscheidung war richtig"

09. Juni 2023, 11:58 Uhr

Die Benin-Bronzen wurden im Dezember 2022 an Nigeria zurückgegeben. In Deutschland hatte man erwartet, dass die ehemalige Raubkunst der Öffentlichkeit in einem neuen Museum zugänglich gemacht wird. Bisher ist das nicht passiert. Nun hat der scheidende Staatspräsident Nigerias angekündigt, dass die Bronzen in den Besitz des Oberhaupts der früheren Königsfamilie Benins, den sogenannten Oba, übergehen sollen – womit sie privatisiert würden. Auch aus den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) sind Benin-Bronzen zurückgegeben worden. Marion Ackermann, Direktorin der SKD, erklärt die Situation im Interview.

MDR KULTUR: Erst im Dezember 2022 wurden die ersten drei Benin-Bronzen aus Sachsen in Nigeria übergeben. Sie sollten dort in einem neuen Museum mit den anderen restituierten Skulpturen, das mit deutscher Hilfe finanziert wird, für die Öffentlichkeit ausgestellt werden.

Jetzt aber ist völlig ungewiss, ob die Kunstwerke in Zukunft öffentlich zugänglich sein werden. Frau Ackermann, wie sehen Sie nun diese plötzliche Privatisierung der Benin-Bronzen?

Marion Ackermann: Ich würde dazu raten, erst einmal ganz ruhig abzuwarten. In Benin finden bald Wahlen statt, da gibt es natürlich auch viel Präsidentschaftswahlrhetorik. Immerhin hält dieser Prozess mit der Benin-Dialogue-Group schon Jahre an. Da war nicht nur die nigerianische Museums- und Denkmalbehörde, sondern auch der Oba selber mit integriert.

Die Entscheidung ist grundsätzlich richtig, Objekte zurückzugeben aus einem nachgewiesenen Unrechtskontext.

Marion Ackermann, Direktorin der SKD

Die Benin-Bronzen sind unrechtmäßig in deutsche Museen gelangt. 2022 wurden erste Kunstwerke zurückgegeben. Doch auch das steht nun in der Kritik. Bildrechte: picture alliance/dpa | Daniel Bockwoldt

Jetzt würde ich einfach dazu raten, erst einmal das ruhig zu beobachten. Natürlich ist es wichtig, dass sie öffentlich gezeigt werden, aber der Oba hat selbst angekündigt, es öffentlich zu zeigen. Es ist schwer, von hier zu beurteilen. Man kann ja auch nicht einfach europäische Modelle übertragen auf das Land. Von daher muss man es gut analysieren, aber natürlich genau hinschauen.

Aber wenn Sie über Unrechtskontexte, wie Sie es nennen, reden, dann müssen wir wahrscheinlich doch den Bogen etwas größer ziehen. Die Oba-Königsfamilie hat die Benin-Bronzen in Auftrag gegeben, ist zweifellos also der rechtmäßige Eigentümer. Die Briten haben die Kunstwerke geraubt, sie sind dann als Hehlerware auch nach Deutschland gelangt.

Doch das Königshaus der Oba war selbst in den Sklavenhandel verstrickt, und ihm wurden vielfach Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen, wie etwa in der "Welt" zu lesen war. Bei der Übergabe der Benin-Bronzen war viel von Wiedergutmachung die Rede und der Heilung von historischen Wunden. Doch wiedergutgemacht ist bis jetzt nur das Eigentumsverhältnis zugunsten eines Königshauses, das selbst auch durch den Sklavenhandel die Benin-Bronzen finanziert hat.

Muss man sich mit dieser ganzen Gemengelage nun einfach abfinden, Frau Ackermann?

Das gehört zu diesen komplizierten Provenienz- und Restitutionsdiskussionen einfach dazu, dass Geschichte nun mal nicht eindimensional, sondern ziemlich kompliziert ist.

Marion Ackermann, Direktorin der SKD

Auch Deutschland ist ja wirklich in den Genuss gekommen, von zahlreichen Rückgaben, die an unsere Sammlungen getätigt worden sind. Und nie ist es einfach. Aber diese Entscheidung, die gereift ist und mit vielen Spezialist*innen entwickelt worden ist, die halte ich grundsätzlich für vollkommen richtig. Es gibt natürlich immer Restitutionsgegner, die grundsätzlich gegen jede Form von Restitution sind. Dazu gehören auch die zitierten Stimmen aus den deutschen Medien, die Sie gerade genannt haben.

Hat man damit gerechnet, dass die Bronzen eventuell nicht in das auch von Deutschland mitfinanzierte geplante Museum gehen könnten, sondern an die Oba-Königsfamilie?

Ja, also sagen wir mal so: Die Haltung, dass man zurückgibt und dann von Deutschland oder anderen europäischen Ländern aus kontrolliert, wie man dann in einem Land damit umgeht, das wurde ausgeschlossen von vornherein. Das hätte man wiederum als kolonial definiert.

Von daher war es ganz klar, dass es eine Rückgabe ohne Bedingungen ist.

Marion Ackermann, Direktorin der SKD

Alles andere ist gewissermaßen im diplomatischen und kollegialen Kontext entstanden. Viele Personen aus Nigeria inklusive des Oba sind in den Gesprächen: Dass man darum ringt, ein Modell zu entwickeln, was unseren Wünschen entspricht; dass man co-kuratiert, dass man auf Augenhöhe Dinge entwickelt, dass man den nächsten Generationen auch in den Ländern dort vor Ort die Möglichkeit gibt, sich mit ihrer eigenen Geschichte auseinanderzusetzen – das sind unsere ethischen Standards, die wir aber nach allen bisherigen Gesprächen eigentlich teilen mit den Menschen.

Darum wird es jetzt gehen, dass wir intensiv an dieser Lösung weiterarbeiten, aber ohne uns kolonial von oben herab einzumischen und vorzuschreiben – ein sehr heikler diplomatischer Akt, aber das muss sein.

Was bedeutet sich dieser Fall nun für eventuelle weitere Rückgaben von Kunst? Wohin auch immer?

Das bedeutet, dass wir grundsätzlich erst einmal über die Frage nachdenken: Ist die Rückgabe aus ethischen Gründen gut und erforderlich? Und dann im nächsten Schritt überlegen: Wie kann man alles dafür tun, dass eine Öffentlichkeit hergestellt wird?

Für den Fall, dass doch eines Tages aus Russland noch die fehlenden Werke an die Sächsischen Kunstsammlungen zurückgegeben werden sollten, wird sich zum Beispiel auch für uns hier vor Ort ganz klar die Frage stellen: Wie geht man hier damit um?

Das Gespräch führte Stefan Maelck für MDR KULTUR.
Redaktionelle Bearbeitung: Hanna Romanowsky

Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 09. Mai 2023 | 12:10 Uhr