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GesetzesänderungExperten für Aufweichen der ärztlichen Schweigepflicht bei Verdacht auf Kindesmissbrauch

11. Mai 2023, 09:35 Uhr

Derzeit verhindern Datenschutzvorgaben, dass Ärztinnen und Ärzte sich bei Verdacht auf Kindesmissbrauch austauschen können. In Bayern bringen CSU, FDP und Freie Wähler nun eine gemeinsame Gesetzesänderung in erster Lesung in den Landtag ein, um die Schweigepflicht zu lockern. In Nordrhein-Westfalen wurde sie bereits gelockert, in Mitteldeutschland bislang noch nicht. Eine Psychologin vom Uniklinikum Leipzig unterstützt die Pläne.

Ein Mädchen steht vor der Kinderärztin. Sie hat blaue Flecken auf den Oberarmen, klagt über Bauchschmerzen. Auf Nachfrage sagt der Vater nicht, woher die Verletzungen kommen. Ein Fall, der so oder ähnlich häufig in Deutschland passiert.

Bernhard Seidenath ist gesundheitspolitischer Sprecher der CSU-Fraktion im bayerischen Landtag. Er fordert, die Schweigepflicht so zu lockern, dass sich Ärztinnen und Ärzte gegenseitig über minderjährige Patienten austauschen können. "Sie können das Kindeswohl besser im Blick haben. Das Bild wird kompletter und runder. Die bisherigen Eingriffsmöglichkeiten gegenüber den Eltern und gegenüber dem Jugendamt reichen dafür einfach nicht aus."

Datenschutz erschwert Austausch

Bislang erschwert der Datenschutz, dass Ärztinnen und Ärzte über Patientinnen und Patienten sprechen können. Und sie brauchen dafür eine Erlaubnis der Eltern, die aber oft selbst die Täter sind. Bei einer Meldung ans Jugendamt wollen Ärzte auch wirklich sicher sein, dass eine Gefährdung vorliegt, sagt Seidenath. "Da müssen die Anhaltspunkte schon extrem und ganz klar sein. Ein Arzt macht diesen Weg der Meldung ans Jugendamt nur wirklich, wenn er vollkommen überzeugt ist." Sich mal so austauschen zu können, diese Möglichkeit fehle und werde jetzt in Bayern geschaffen.

Schweigepflicht in Mitteldeutschland nicht gelockert

In Nordrhein-Westfalen wurde die Schweigepflicht schon im vergangenen Jahr aufgeweicht. In Mitteldeutschland noch nicht. Petra Nickel ist Psychotherapeutin an der Kinderklinik des Uniklinikums Leipzig. Sie hält ein Auflockern für sinnvoll, der Datenschutz sei jedoch genauso wichtig.

Nickel verweist auf die sogenannte Kinderschutzleitlinie, die es bundesweit schon länger gibt. Demnach könnten Ärztinnen und Ärzte sich zumindest anonym beraten lassen von sogenannten "Insofas", das heißt "insoweit erfahrene Fachkräfte". Diese seien im Erkennen von Gefährdungssituationen geschult. Es gebe sie auch in Sachsen – in Leipzig. "Die sollte man auch kennen. Wir haben auch andere Institutionen wie die Kinder-und Jugendnotdienste, die auch geschult sind im Vorgehen. Also im Zweifelsfall findet man im Netzwerk immer einen Ansprechpartner, um sich nochmal Rat zu holen."

Nickel: Enger Austausch wichtig

Für Nickel ist der enge Austausch wichtig, um vor allem "Ärzte-Hopping" zu vermeiden. Denn viele gewalttätige Eltern würden einfach den Kinderarzt wechseln, um nicht aufzufallen. Wisse man davon als Ärztin, könne man auch schneller reagieren.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 11. Mai 2023 | 06:00 Uhr

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