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In vielen Städten staut sich oftmals der Verkehr. Bildrechte: IMAGO / Michael Gstettenbauer

MDRfragtGeteilte Meinung zu autofreien Innenstädten

09. August 2023, 09:00 Uhr

Mehr als 40 Prozent der MDRfragt-Teilnehmenden sprechen sich für mehr autofreie Zonen in den Städten aus. 45 Prozent fordern zudem mehr Tempo-30-Zonen in Städten und Gemeinden. Zugleich wünschen sich hier jeweils mehr als drei Viertel einen Ausbau der Radwege. Das zeigt eine nicht repräsentative, aber gewichtete Befragung von MDRfragt unter rund 20.000 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

von Anna Siebenhaar

Die Mobilität in Stadt und Land wird immer wieder diskutiert. Wie können Verkehrskonzepte zukunftsfähig gestaltet werden? Wie soll die Verkehrswende aussehen? Grundsätzlich sind 92 Prozent der MDRfragt-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer der Meinung, dass die verschiedenen Fortbewegungsmittel wie Autos, Fahrräder oder auch der Öffentliche Nahverkehr bei der Verkehrsplanung nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen.

Parallel dazu sprechen sich 42 Prozent für mehr autofreie Zonen in den Städten aus und 45 Prozent sind der Ansicht, dass es mehr Tempo-30-Zonen in den Städten und auch Gemeinden geben sollte. Weniger Zuspruch erhält hingegen die Forderung, Gebühren für diejenigen zu erheben, die mit dem Auto in die Innenstädte fahren möchten. Zudem gehen 76 Prozent davon aus, dass autofreie Innenstädte die Pendler aus dem Umland benachteiligen.

Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Keine Verkehrswende ohne den ÖPNV

Viele MDRfragt-Mitglieder sehen den Ausbau des Öffentlichen Personen-Nahverkehrs (ÖPNV) als grundlegende Voraussetzung dafür, den Verkehr in den Städten zu reduzieren. Jörg (68) aus Dresden würde beispielsweise "öfter mit dem Öffentlichen Nahverkehr in die Stadt fahren, wenn das Angebot besser wäre und dieser pünktlich fährt und auf Anschlüsse Rücksicht nimmt". Auch Oliver (39) aus Meißen meint: "Wenn ich aus dem Umland in die Innenstadt auf Arbeit möchte und diese autofrei sein soll, brauche ich eine Verkehrsinfrastruktur, die das kompensiert und nicht zu großen Zeitverlusten führt." Ähnlich wie Sylvia (68) aus Eisenach sind viele MDRfragt-Teilnehmer jedoch der Ansicht, dass dies in vielen Regionen noch nicht der Fall ist. Aus ihrer Sicht sind "die Verbindungen so schlecht, dass die meisten auf eigene Autos angewiesen sind".

Aus Sicht von Stefan (26) aus Halle (Saale) kommt man an Veränderungen für den Autoverkehr nicht herum. Er schreibt: "Derzeit wird über das Ausspielen der Verkehrsmittel gegeneinander immer nur oder hauptsächlich diskutiert, wenn dem Auto Platz (Parkplätze oder Fahrspuren) weggenommen wird. Aufgrund des Platzmangels in den Städten ist es schlicht unmöglich, anderen Verkehrsmitteln mehr Fläche einzuräumen, ohne dem Auto Fläche wegzunehmen." Dementsprechend meint auch Felix (32) aus Erfurt "der beschränkte Platz in den Innenstädten führt unweigerlich dazu, dass Verkehrsmittel mit viel Platzbedarf pro Person keine Anreize erfahren sollten". Als Alternative bieten sich seiner Ansicht nach "gut angebundene Park-and-Ride Flächen für Autos an".

Wen benachteiligen autofreie Innenstädte?

Insbesondere ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen werden aus Sicht vieler MDRfragt-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer durch autofreie Innenstädte benachteiligt. So schreibt zum Beispiel Michael (41) aus Leipzig: "Wer aus gesundheitlichen Gründen (so wie ich) nicht weit laufen kann, braucht das Auto auch in der Innenstadt". Ähnlich sieht das Heike (53) aus dem Saale-Orla-Kreis. Sie ist "darauf angewiesen mit dem Auto zu fahren und möchte hier nicht benachteiligt werden". Auch Sybille (48) aus Dresden fragt sich: "Was ist mit denen, die nicht so gut zu Fuß gehen können? Sollen die alle ausgeschlossen werden aus den Innenstädten?" und fordert "ein gutes Miteinander und sinnvolle Lösungen".

Hans-Jürgen (67) aus Saalfeld-Rudolstadt sieht noch ein weiteres Problem. Er meint: "Je mehr autofreie Zonen beziehungsweise je höher die Parkgebühren in Innenstädten sind, desto mehr nutzen Menschen die Einkaufsmöglichkeiten auf der grünen Wiese und die Geschäfte der Innenstädte sterben aus". Auch Andreas (60) teilt diese Sorge und schreibt: "Wenn die Städte für den Autoverkehr geschlossen werden, dann gehen am Ende die Händler kaputt."

Der Blick über den Tellerrand zeigt: Es kann funktionieren

Aus Sicht einiger Befragungsteilnehmerinnen und -teilnehmer kann das Konzept "autofreie Innenstädte" trotz der Bedenken gelingen. Patrick (31) aus dem Unstrut-Hainich-Kreis verweist dabei auf einige Nachbarländer und schreibt: "Amsterdam, Kopenhagen, Madrid haben die Autozentrierung überwunden und es profitieren alle davon, auch die örtlichen Händler. Selbst die verbleibenden Autofahrer profitieren vom weitaus geringeren Verkehrsaufkommen." Einige MDRfragt-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer wie Carla (52) aus Magdeburg haben hier auch selbst schon Erfahrungen gesammelt. Sie erzählt in den Kommentaren: "Wir waren mehrfach in Kopenhagen und haben dort 14 Tage alles mit dem Rad gemacht, trotz vieler Autos und Straßen. Fast in der ganzen Stadt läuft das perfekt parallel. Extra Ampeln für Radfahrer, breite Wege, wann immer möglich und oft Vorfahrt für Radfahrer. Wir haben uns nicht einmal unsicher gefühlt. Keiner muss sich benachteiligt fühlen. In Deutschland gibt es oft nur entweder oder. Jeder will nur seine Interessen durchsetzen. Kaum Kompromisse. Das macht Frust."

Jeden zweiten Radfahrer begleitet schlechtes Gefühl

Blickt man auf den Radverkehr, zeigt sich: 50 Prozent der MDRfragt-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer, die hin und wieder mit dem Fahrrad fahren, haben dabei insgesamt ein schlechtes Gefühl. Die Gründe dafür sind vielfältig.

So bewerten 58 Prozent die vorhandene Radinfrastruktur als schlecht. Aus Sicht von 66 Prozent gibt es außerdem zu wenig sichere Abstellmöglichkeiten. 44 Prozent fahren mit einem schlechten Sicherheitsgefühl Rad.

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Mehr Radwege, mehr Radfahrer?

Für eine Verbesserung des Sicherheitsgefühls wünschen sich einige MDRfragt-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer separate Radwege. So auch Mike (54) aus dem Landkreis Leipzig. Er fordert: "Autoverkehr und Radverkehr sollten so schnell als möglich voneinander getrennt werden." Aus seiner Sicht sei es "das Dümmste überhaupt, Radstrecken auf vermeintlich wenig befahrenen, engen Straßen auszuschildern. Dort kommen sich Rad und Auto gefährlich nahe." Passend dazu schreibt Jana (42) aus dem Altenburger Land: "Da ich nicht auf der Straße mit dem Fahrrad fahren würde, kommt für mich eine häufigere Nutzung des Rades erst dann in Frage, wenn es separate Radwege geben würde, ansonsten ist mir das zu unsicher." Ähnlich sieht es ein weiteres MDRfragt-Mitglied (23) aus Mittelsachsen und merkt an: "Ich würde mehr Fahrrad fahren, wenn es ein gut vernetztes Fahrradwegesystem gibt."

Insgesamt bewertet die Mehrheit der Befragungsteilnehmerinnen und -teilnehmer, die hin und wieder Fahhrad fahren, die Radinfrastruktur mehrheitlich als schlecht.

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Zwei Drittel fordern Ausbau der Radwege

Ganz gleich in welchen Bereichen, aus Sicht der Befragungsteilnehmerinnen und -teilnehmer sollte das Radwegenetz überall ausgebaut werden. So sprechen sich mehr als drei Viertel dafür aus, die Radwege in den Städten auszubauen. 86 Prozent fordern dies auch für die ländlichen Regionen. Darüber hinaus plädieren 84 Prozent dafür, das Radwegenetz zwischen größeren Städten und Gemeinden auszubauen und 63 Prozent wünschen sich Radschnellwege zwischen den Städten.

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Über diese BefragungDie Befragung vom 27.06. – 30.06.2023 stand unter der Überschrift:

Chip-Produktion, E-Mobilität und Co. – Wird Mitteldeutschland zum Zentrum der Zukunftsindustrie?

Insgesamt sind bei MDRfragt 65.640 Menschen aus Mitteldeutschland angemeldet (Stand 30.06.2023, 9 Uhr).

19.837 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben online an dieser Befragung teilgenommen.

Verteilung nach Altersgruppen:

16 bis 29 Jahre: 178 Teilnehmende
30 bis 49 Jahre: 2.426 Teilnehmende
50 bis 64 Jahre: 8.082 Teilnehmende
65+: 9.151 Teilnehmende

Verteilung nach Bundesländern:

Sachsen: 10.017 (50 Prozent)
Sachsen-Anhalt: 5.118 (26 Prozent)
Thüringen: 4.702 (24 Prozent)

Verteilung nach Geschlecht:

Weiblich: 8.104 (41 Prozent)
Männlich: 11.681 (59 Prozent)
Divers: 52 (0,02 Prozent)

Die Ergebnisse der Befragung sind nicht repräsentativ. Wir haben sie allerdings in Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Beirat nach den statistischen Merkmalen Bildung, Geschlecht und Alter gewichtet. Das heißt, dass wir die Daten der an der Befragung beteiligten MDRfragt-Mitglieder mit den Daten der mitteldeutschen Bevölkerung abgeglichen haben.

Aufgrund von Rundungen kann es vorkommen, dass die Prozentwerte bei einzelnen Fragen zusammengerechnet nicht exakt 100 ergeben.

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 09. August 2023 | 16:00 Uhr