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Rekultivierung von TagebauenAlarmsignal von oben

11. Januar 2024, 13:23 Uhr

Die Rekultivierung der Tagebaulöcher in Sachsen und Sachsen-Anhalt kostet Milliarden. Rechtlich gesehen, müssen die Kohleunternehmen dafür aufkommen. Ob das Geld aber tatsächlich da ist, wenn es gebraucht wird, daran zweifeln offenbar auch Staatssekretäre. Sie befürchten, dass die Steuerzahler am Ende die Kosten tragen müssen.

Es ist nicht zu übersehen, dass es dem Autor dieser Zeilen ernst ist, verdammt ernst: "Die Absicherung der Rekultivierungskosten hat für das Land Brandenburg zwingend absolute Priorität." Man sieht quasi einen ausgestreckten Zeigefinger mit Nachdruck auf die Schreibtischoberfläche gepresst: "Zwingend absolute Priorität".

Geschrieben hat das Hendrik Fischer. Er ist Staatssekretär im brandenburgischen Wirtschaftsministerium. Im Spätsommer schickte er ein Schreiben, das der MDR einsehen konnte, an das Kohleunternehmen LEAG. Nach Bergrecht sind für die Rekultivierung der Tagebaue die Kohleunternehmen in der Pflicht. 

Kohlegeschäft als Resterampe?

Die LEAG gehört zu Deutschlands größten Stromlieferanten, betreibt Braunkohletagebaue und Kohlekraftwerke in der brandenburgischen und sächsischen Lausitz. Der Kohleriese investiert derzeit viel Geld in erneuerbare Energien, plant gigantische Wind- und Solarparks, die auch in Zukunft Gewinne bringen sollen. Die Kohle aber wird in eine operativ eigenständige Gesellschaft unter dem Dach der LEAG-Holding ausgegliedert.

Damit handelt die LEAG ähnlich wie ihr Mutterkonzern, die tschechische EPH-Gruppe. Die hat ebenfalls begonnen, ihr ostdeutsches Kohlegeschäft auszulagern. Die LEAG ist bereits Teil der neuen "EP Energy Transition". Bis 2025 soll darin auch die Mibrag, die Tagebaue in Sachsen und Sachsen-Anhalt betreibt, aufgehen.

Werden hier Bad Banks gegründet? Das befürchten Umweltverbände wie BUND oder auch Grünen-Politiker. Sie glauben, dass die Kohlesparte gezielt in die Insolvenz geschickt werden soll – ein Schachzug, um nicht für die Kosten der Renaturierung aufkommen zu müssen. Denn das Geschäft mit der Kohle wird immer unrentabler, je mehr die EU für klimaschädliche Abgase verlangt.

Benjamin Raschke, Landtagsabgeordneter der Grünen aus Brandenburg, sieht hier "eine ernsthafte Gefahr, dass am Ende die öffentliche Hand für die Schäden durch die Braunkohleförderung aufkommen muss."

Die LEAG weist das zurück. In einer Mitteilung erklärt sie, dass die Umstrukturierung für ihre Neuausrichtung wichtig sei. Wörtlich für "die Finanzierungsfähigkeit der grünen Geschäftsfelder". Dies schließe auch das Bekenntnis zu den langjährigen Verpflichtungen des Unternehmens zur Wiedernutzbarmachung der Tagebauflächen mit ein.

Frisches Geld für grüne Technologien

Wer ein Kohleunternehmen auf Klimaneutralität trimmen will, braucht dafür frisches Geld. Investoren stecken ihr Vermögen nicht mehr gern in einen abgeschriebenen Brennstoff. Die Ausgliederung erscheint daher plausibel. Nach dem Motto: Weg mit der Kohlesparte, auf in die Zukunft. Doch könnte sich die tschechische EPH-Gruppe damit auch ihrer Verantwortung für die Renaturierung entziehen, wenn das verrußte Schwesterunternehmen pleite geht?

Diese Sorge hat offensichtlich der brandenburgische Staatssekretär Hendrik Fischer. In seinen Brief an das Kohleunternehmen schreibt er weiter, "dass auch bei einem Umstrukturierungsprozess der LEAG gewährleistet sein muss, dass die festgelegten Einzahlungen […] gesichert erfolgen können."

Will sagen: Es muss immer sichergestellt sein, dass genug Geld für die Renaturierung da ist. Fischer droht dem Unternehmen gar zu prüfen, ob Sicherheitsleistungen zu erbringen sind. Garantien, die den Differenzbetrag zwischen den bereits vorhandenen Rücklagen und dem, was am Ende für die Renaturierung nötig sein wird, abdecken.

Brandenburg lässt die Informationen überprüfen

Auf Nachfrage des MDR bestätigt das brandenburgische Wirtschaftsministerium, dass das Unternehmen alle Informationen darüber, wie die Renaturierung sicher finanziert werden soll, geliefert habe. Diese würden derzeit von einem Fachanwalt überprüft. "Ein Ergebnis der Prüfung liegt noch nicht vor", heißt es von einer Sprecherin. 

In Sachsen sieht man keinen Grund zur Unruhe. Aus dem Wirtschaftsministerium in Dresden heißt es, der Freistaat habe zur Sicherung der Renaturierungskosten eine Vorsorgevereinbarung abgeschlossen: "Bis zum heutigen Tag hat die LEAG alle ihre Verpflichtungen aus der Vorsorgevereinbarung komplett erfüllt und wir gehen davon aus, dass das auch zukünftig so passieren wird. Sowohl der Freistaat Sachsen als auch das Land Brandenburg sind sich einig, dass mit der unternehmerischen Entscheidung seitens EPH zur Umstrukturierung der LEAG keine negativen Auswirkungen auf diese Vorsorgevereinbarung verbunden sein darf."

Dazu befinde man sich mit dem Land Brandenburg in Abstimmung, teilt ein Sprecher dem MDR mit.

Eine Mahnung von der Bundesebene

Wie sein Brandenburger Amtskollege, Staatssekretär Fischer, ist auch Michael Kellner der Meinung, dass sich die Kohleländer jetzt intensiv darum bemühen müssen, dass das Geld da ist, wenn es für die Renaturierung gebraucht wird. Der Grünen-Politiker ist der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium: "Das Risiko ist natürlich immer da, dass es schiefgeht. Dass die Kohlekraftwerke geschlossen werden, marktgetrieben, und die Länder darauf sitzen bleiben."

Ein weiterer Risikofaktor: Der deutsche Staat plant, die Kohleunternehmen für den Kohleausstieg zu entschädigen. 1,75 Milliarden Euro sollen allein an die LEAG gehen. Das Geld ist für die Renaturierung gedacht. Allerdings ist es gar nicht klar, ob die Milliarden wirklich fließen werden. Denn die EU-Kommission hat Zweifel an der Höhe der Ausgleichszahlungen und prüft nun, ob und wenn ja, wie viel Geld an das Unternehmen geht.

Ein Grund mehr für Staatssekretär Michael Kellner aus dem Bundeswirtschaftsministerium die Kohleländer Brandenburg und Sachsen aufzufordern, nochmal sehr genau hinzuschauen: "Wie stellen wir in jedem Szenario sicher, dass die Steuerzahler nicht die Dummen sind?"

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 11. Januar 2024 | 06:17 Uhr

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