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Naturschutz digital"Wirklich faszinierend": Goitzsche-Fischadler haben Fan-Club

20. April 2024, 08:31 Uhr

Seit mehreren Jahren überträgt eine Kamera am Fischadler-Horst an der Goitzsche im Landkreis Anhalt-Bitterfeld das Leben der Tiere direkt ins Internet. Und immer mehr Menschen schauen zu. Mittlerweile hat sich eine richtige Community gebildet, sehr zur Freude von Projektleiter Ralf Meyer.

Bis zu zehn E-Mails täglich bekommt Ralf Meyer, Leiter des Projekts "Goitzsche-Wildnis" der Bund-Stiftung. Seit Mitte März die Fischadler am videoüberwachten Horst an der Goitzsche gelandet sind, sind deren Fans an zurück den Bildschirmen und beobachten bei YouTube fast schon aufgeregt, was sich im Nest so tut. "Manchmal habe ich fast den Eindruck, man wetteifert schon, wer als Erster das erste Ei oder das dritte oder das zweite Ei sieht", sagt Meyer. Es werde genau geschaut, was da passiere.

Manchmal habe ich fast den Eindruck, man wetteifert schon, wer als Erster das erste Ei oder das dritte oder das zweite Ei sieht. Es wird genau geschaut, was da passiert.

Ralf Meyer, Projektleiter "Goitzsche-Wildnis"

Die Mails kommen aus Hamburg, aus Baden-Württemberg, aus dem gesamten Bundesgebiet, aber natürlich auch aus der Region, so Meyer. Da werden Beobachtungen mitgeteilt und Fragen gestellt. Zum Beispiel, wenn das Fischadler-Männchen Beute zum Horst bringt, die man sonst im Gartenteich schwimmen sieht.

Blick in den Adler-Horst: Über die Kamera kann man die Tiere aus der Nähe beobachten. Bildrechte: BUND Goitzsche-Wildnis

"Da haben mich mehrere Leute drauf angesprochen und ich war auch selbst erstaunt, dass da tatsächlich schon rote und goldfarbene Fische zum Horst gebracht wurden." Ziemlich sicher Goldfische und Kois, sagt Meyer. Er erklärt sich deren Vorkommen in der Goitzsche und im Muldestausee durch das letzte große Hochwasser 2013, das so manchen Gartenteich geflutet hatte. "Wir wissen ja nicht, wo genau der Fischadler jagt. Aber diese Fische sind von oben gut zu sehen und damit auch zu fangen. Das ist wirklich spannend."

Fast 800 Menschen schalten regelmäßig ein

Mit dieser Einschätzung ist Ralf Meyer nicht allein – derzeit haben fast 800 Menschen den YouTube-Kanal der Fischadler-Familie abonniert, sehen Jahr für Jahr dabei zu, wie das Fischadler-Weibchen 2JF und das Männchen 4ZE ihr Nest einrichten, sich paaren, und schließlich ihre Jungen ausbrüten und aufziehen.

"Großartiger Bruterfolg": Nicht nur die Fischadler-Fans werden mehr

In Sachsen-Anhalt leben immer mehr Fischadler. Guthard Dornbusch von der Staatlichen Vogelschutzwarte Steckby sagte MDR SACHSEN-ANHALT: "Der Bestand der majestätischen Tiere wächst stetig." Vor zehn Jahren seien erst 34 Brutpaare bekannt gewesen, inzwischen gebe es mindestens 65 Fischadler-Paare, die ihren Nachwuchs in Sachsen-Anhalt aufziehen. "Alle Brutplätze befinden sich auf Strommasten", sagte der Ornithologe. Früher hätten die Greifvögel ihre Nester auch in den Kronen großer, alter Kiefern gebaut. Mit der Zeit seien sie jedoch auf Strommasten ausgewichen. Dornbusch vermutet, dass die Fischadler gelernt haben, dass ihre Jungen besser geschützt sind, wenn sie auf Strommasten aufwachsen, die höher als Bäume sind.

Voriges Jahr im Sommer zählte Dornbusch im Rahmen eines Monitoringprogramms der Staatlichen Vogelschutzwarte Steckby 120 junge Fischadler in Sachsen-Anhalt. "Ein großartiger Bruterfolg." Die Zahlen seien ein Beleg dafür, dass Fischadler gute Lebensbedingungen in Sachsen-Anhalt vorfinden. Die Tiere würden sich fast ausschließlich von Fischen ernähren und deshalb die Nähe zu den großen Gewässern des Landes bevorzugen. Sie seien insbesondere an Elbe, Havel und Mulde anzutreffen. Laut Dornbusch bauen sie ihre Nester in den Landkreisen Stendal, Jerichower Land, Bördekreis, Anhalt-Bitterfeld, Wittenberg und in der kreisfreien Stadt Dessau-Roßlau. "Rechnet man alle Alt- und Jungvögel zusammen", so der Ornithologe, "dann leben über die Sommermonate bis zu 250 Fischadler in Sachsen-Anhalt."

Fischadler an der Goitzsche erhalten Namen von den Fans

Apropos 2JF und 4ZE, lacht Ralf Meyer: "Das war nicht unsere Idee, aber mittlerweile hat die Community den Vögeln schon Namen gegeben, nämlich Zeus und Fiona. Und das zeigt auch diese Bindung, die jetzt schon eine Reihe von Menschen in der ganzen Bundesrepublik zu den beiden Fischadlern bei uns in der Goitzsche-Wildnis aufgebaut haben. Ich als Naturwissenschaftler bin da zwar ein bisschen zögerlich, aber ich kann das gut verstehen. Und ich bin auch wirklich begeistert, wie begeistert andere sind. Begeistert darüber, dass die Adler so einen positiven Einfluss haben und ganz viel Neugier wecken."

Im Büro des BUND in Bitterfeld-Wolfen beantwortet Ralf Meyer viele Emails von den Fans der Fischadler. Bildrechte: BUND Goitzsche-Wildnis

Diese Neugierde will die Bund-Stiftung gerne stillen, erklärt Meyer. Derzeit überlege man, wie man die Mitglieder der Fischadler-Community am besten miteinander vernetzen und noch schneller mit den Natur-Freunden kommunizieren könnte.

Die Community vernetzen

Erste Ideen sollen bei einem digitalen Treffen mit den Fans Ende April ausgetauscht werden, vielleicht richtet man anschließend einen WhatsApp-Kanal ein oder wird auf Social-Media aktiv. "Wir haben da natürlich noch Luft nach oben", sagt Meyer und ist gespannt, was die Zukunft noch alles bringt. "Auf anderen Plattformen trifft man ja auch Leute, die noch gar nicht von den Fischadlern wissen oder sich vielleicht fragen, was das Besondere daran sein soll. Und ich glaube, wenn die dann reinschauen und so ein bisschen teilhaben, dann werden die sehr schnell merken, wie faszinierend das ist. Und das ist genau der Punkt: Wir wollen natürlich bei einer breiten Öffentlichkeit das Interesse wecken, für Wildnis, Naturschutz, Artenschutz. Und dafür sind die Fischadler einfach herrliche Botschafter."

Den Livestream aus dem Fischadler-Horst können Sie hier sehen.

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Auch Ralf Meyer, der seit 2018 als Projektleiter beim BUND an der Goitzsche arbeitet, ist den Tieren längst verfallen. "Das sind wunderschöne Tiere", sagt er. "Mir gefallen diese bernsteinfarbenen Augen besonders. Und dann das Gefieder, wenn diese Kopfhaube im Wind so gegen den Strich steht. Wirklich faszinierend."

Das sind wunderschöne Tiere. Mir gefallen diese bernsteinfarbenen Augen besonders. Und dann das Gefieder, wenn diese Kopfhaube im Wind so gegen den Strich steht. Wirklich faszinierend.

Ralf Meyer, Projektleiter "Goitzsche-Wildnis"

Projektleiter Ralf Meyer in seinem Element – draußen in der Natur. Bildrechte: MDR/André Kehrer

Viel Zeit, selbst in die Kamera zu schauen, bleibt dem 61-Jährigen allerdings nicht. Da ist es wirklich praktisch, wenn Andere das tun und Beobachtungen mit Zeitangabe und Screenshots an die Bund-Stiftung melden. Das hilft bei der Dokumentation, sagt Meyer, bittet aber auch um Verständnis dafür, dass nicht jede E-Mail sofort beantwortet werden kann. Auch dafür fehle oft die Zeit.

Im Internet und in der Natur

Der Live-Stream im Internet sei außerdem nur eine Möglichkeit, die Fischadler zu beobachten. "Es gibt viele Menschen, und da zähle ich mich dazu, die die Tiere in der Natur sehen wollen. Das geht natürlich auch. Sie brüten ja weithin sichtbar auf einem alten Elektromast in der Goitzsche-Wildnis. Und wir haben im sogenannten Döbelner Forst auch ein Beobachtungsfernrohr aufgestellt, sodass man dort, wenn man mit dem Fahrrad vorbeifährt, anhalten und sich die Tiere anschauen kann."

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MDR (Jana Müller)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 20. April 2024 | 10:10 Uhr

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