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Corona-SondervermögenWarum eine Künstlerin aus Halle nach der Pandemie auf Fördermittel wartet

27. April 2023, 00:08 Uhr

Die Pandemie gefährdete die Existenz vieler Kunstschaffender in Sachsen-Anhalt. Mit 5,6 Millionen Euro aus dem Corona-Sondervermögen will das Land daher Künstlerinnen und Künstler wie die Hallenserin Dorit Kempe unterstützen – doch bei der Auszahlung kommt es zu langwierigen Verzögerungen.

Die Zeit der Corona-Pandemie, sie war für Dorit Kempes Dasein als Künstlerin existenzbedrohend. In drei verschiedenen Ausstellungen hingen die Werke der Malerin und Textilkünstlerin aus Halle, als im Frühjahr 2020 der erste Lockdown Deutschland in eine Art verspäteten Winterschlaf versetzte. Die Galerien und Ausstellungen, die Kempes Werke zeigten, blieben von einem Tag auf den anderen geschlossen – und der Künstlerin fehlte plötzlich ihre wichtigste Werbefläche.

"Anfangs", erinnert sich Kempe, "gab es noch einige Anfragen von kunstinteressierten Privatleuten, die Werke von mir kaufen wollten." Doch spätestens ab 2021 sei es sehr schwer geworden, es habe fast keine Nachfrage mehr gegeben. Auch die geplante Zusammenarbeit mit einer Galerie in Berlin fiel für die Künstlerin durch Corona aus. "Durch die Pandemie ist für mich eine Art Loch entstanden, in das alles reingefallen ist. Mir fehlen zwei bis drei Jahre, in denen ich meine Werke nicht zeigen und keine Aufmerksamkeit auf sie lenken konnte", sagt Kempe.

5,6 Millionen Euro aus dem Corona-Sondervermögen

So wie Dorit Kempe ging es zahlreichen freischaffenden Künstlerinnen und Künstlern in Sachsen-Anhalt. "Sehr viele mussten Gelegenheitsjobs annehmen oder in andere Berufsfelder ausweichen, um überhaupt über die Runden zu kommen", sagt Ruth Heftrig, die Geschäftsführerin des Berufsverbandes Bildender Künstler Sachsen-Anhalt (BBK). Nicht wenige Kunstschaffende haben die Szene im Land durch die Pandemie wohl für immer verlassen und sich dauerhaft neue Jobs gesucht, berichtet Heftrig.

Das Land Sachsen-Anhalt stellte daher das Förderprogramm "Kultur ans Netz" auf die Beine. Damit sollen Kunstschaffende beim Neustart nach der Pandemie unterstützt werden. Zweimal wurden die Mittel dafür aus dem normalen Landeshaushalt bereitgestellt. Für die dritte Runde des Programms sind 5,6 Millionen Euro aus dem Corona-Sondervermögen des Landes vorgesehen.

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Bis zu drei Monate lang sollen Künstlerinnen und Künstler mit einem nicht rückzahlbaren Stipendium von 2.000 Euro monatlich gefördert werden. Doch bei den meisten Antragstellerinnen und Antragstellern ist bislang kein Cent angekommen.

Ein Jahr lang ist kein Geld geflossen

Immer wieder verzögerte sich der Bewerbungsstart, sehr zum Bedauern des Berufsverbandes Bildender Künstler. "Es war ja eigentlich der Plan, das schon im Sommer oder Herbst letzten Jahres wieder auszuschreiben. Das hat sich enorm verzögert, sodass es erst Anfang 2023 ausgeschrieben wurde. Im ganzen Jahr 2022 sind über dieses Programm keine Gelder an Künstlerinnen und Künstler geflossen", sagt BBK-Geschäftsführerin Ruth Heftrig.

Auch Dorit Kempe hat sich für das Stipendium beworben, um ein neues Kunstprojekt zu beginnen, und wartet noch auf eine Antwort. Ihr Vorhaben liegt daher vorerst auf Eis. Ob sie es jemals beginnen wird, ist offen, sagt Dorit Kempe: "Das bringt, wie alles, das unklar ist, Unsicherheit. Man weiß nicht, macht man's, macht man's nicht. Man freut sich ja eigentlich drauf. Und dann wird's halt doch nichts, dann ist die Enttäuschung wieder groß. Man muss dann immer gucken, dass man sich mit anderen Sachen beschäftigt."

Nebenjobs statt kreativem Schaffen

Um sich über Wasser zu halten, hat die hallesche Künstlerin verschiedene Nebenjobs angenommen. Zeit, um im Atelier an ihren Werken zu arbeiten, bleibt ihr oft nur abends oder am Wochenende. Darunter leide ihr künstlerisches Schaffen, sagt Dorit Kempe. "Ich brauche Entspannung und Ruhe, um kreativ arbeiten zu können", sagt die 55-Jährige. "Wenn ich zwei, drei Tage irgendwo arbeiten gehe und nicht an meinem Projekt arbeite, dann muss ich erst mal schauen, wo bin ich denn jetzt stehen geblieben."

Insgesamt 681 Anträge sind für die dritte Runde des "Kultur ans Netz"-Programmes bei der Investitionsbank Sachsen-Anhalt eingegangen. Dass es bei deren Bearbeitung zu Verzögerungen gekommen ist, begründet die verantwortliche Staatskanzlei in Magdeburg mit der Auswertung der beiden Vorläuferprogramme. Außerdem hätten die Künstlerverbände eingebunden werden müssen, die die eingegangenen Anträge vor einer Auszahlung prüfen sollen.

Auszahlung beginnt nach und nach

"Das hat ein bisschen länger gedauert, weil mit allen beteiligten Verbänden, die für uns prüfen, Verträge geschlossen werden mussten. Das musste technisch so eingerichtet werden, dass es auch funktioniert. Das ist jetzt alles passiert und nun sind wir dabei, dass wir nach und nach auszahlen können", sagt die stellvertretende Regierungssprecherin Ute Albersmann. Im April sei das erste Geld geflossen.

Doch ob und wann das Stipendium auch bei Dorit Kempe ankommt, ist unklar. "Ich weiß nicht, wie der Stand der Dinge ist. Ich weiß bis zum Schluss nicht, ob ich das Stipendium bekomme. Und ich weiß auch nicht, wenn ich es nicht bekomme, warum ich es nicht bekomme", sagt die Künstlerin.

In der Zwischenzeit beschäftigt sie sich mit einem anderen Projekt: Kempe malt Straßenszenen aus Halle. Die insgesamt sechs Bilder sollen in einer halleschen Galerie verkauft und außerdem in einem Kalender veröffentlicht werden. So will sie das Geschäft mit ihrer Kunst wieder ankurbeln – ganz ohne Hilfe des Landes.

Bildrechte: MDR/Tilo Weiskopf

Über Lucas RiemerLucas Riemer arbeitet seit Juni 2021 bei MDR SACHSEN-ANHALT. Der gebürtige Wittenberger hat Medien- und Kommunikationswissenschaft in Ilmenau sowie Journalismus in Mainz studiert und anschließend mehrere Jahre als Redakteur in Hamburg gearbeitet, unter anderem für das Magazin GEOlino.

Bei MDR SACHSEN-ANHALT berichtet er vor allem über gesellschaftliche und politische Themen aus den Regionen des Landes.

Bildrechte: MDR/punctum.Fotografie/Alexander Schmidt

Über Engin HauptEngin Haupt arbeitet seit Februar 2021 im Politikressort von MDR SACHSEN-ANHALT. Geboren und aufgewachsen in Rheinland-Pfalz, hat ihn das Journalismus-Studium nach Magdeburg gebracht.

In seiner Freizeit spielt er unter anderem American Football und kommentiert die Fußballspiele des 1. FC Magdeburg für blinde Menschen.

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MDR (Lucas Riemer, Engin Haupt)

Dieses Thema im Programm:SACHSEN-ANHALT HEUTE | 26. April 2023 | 19:00 Uhr

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