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Auf unbestimmte Zeit vom Dienst suspendiert: Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand (Archivbild) Bildrechte: imago/VIADATA

Interview zur Impfaffäre von Halle"Wiegand ist überzeugt, keine Straftat begangen zu haben"

10. April 2021, 12:35 Uhr

Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand ist am Mittwoch vorläufig vom Dienst suspendiert worden. Er hatte sich im Januar vorzeitig gegen das Coronavirus impfen lassen und in dem Zusammenhang gelogen. Ein Reporter der Mitteldeutschen Zeitung, Jonas Nayda, hat den Impfskandal von Beginn an begleitet. Er wurde im Zuge seiner Recherchen verbal angegriffen. Im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT schildert er Wiegands Umgang mit den Vorwürfen und was die Suspendierung für Halle bedeuten könnte.

von Cornelia Winkler, MDR SACHSEN-ANHALT

MDR SACHSEN-ANHALT: Herr Nayda, Sie haben den Impfskandal in Halle als Reporter von Anfang an begleitet. Wie haben Sie den Fall erlebt?

Jonas Nayda: Nachdem wir die vorzeitigen Impfungen von Wiegand, einer Reihe Stadträte und Teilen des Pandemiestabes aufgedeckt haben, war es sehr mühsam, sich ein vollständiges Bild zu machen. Die ersten Wochen waren aufgrund des Kommunikationsverhaltens des Oberbürgermeisters geprägt von viel Unklarheit. Man wusste lange gar nicht, welche Dimensionen das noch haben würde, wer was gemacht hat und was das bedeutet. Erst Schritt für Schritt hat sich herauskristallisiert: Da gab es offensichtlich ein System. Dieses System hat sich jemand ausgedacht und es hat bestimmten Personen geholfen und ganz praktisch dafür gesorgt, dass sie eine Impfspritze bekommen.

Wie ist der Oberbürgermeister mit den Vorwürfen umgegangen?

Herr Wiegand hat sich bei den Nachfragen zur Impfaffäre meiner Meinung nach teils um Kopf und Kragen geredet. Viele seiner Äußerungen haben alles nur schlimmer gemacht. Wenn ich nachgehakt und nachgefragt habe, wurde oft schnell klar: Ganz so, wie es Wiegand zunächst geschildert hat, war es dann doch nicht. Und irgendwann hat er das Thema Impfaffäre in den täglichen Corona-Pressekonferenzen einfach abgebrochen und auf Fragen nicht mehr geantwortet. Das gibt natürlich ein noch schlechteres Bild. Deswegen hat vermutlich die Pressestelle irgendwann die Reißleine gezogen und die täglichen Pressekonferenzen abgesagt.

Sie haben als Reporter Wiegand immer wieder Fragen zur Impfung gestellt. Wie hat er darauf reagiert?

Ich persönlich wurde in den Pressekonferenzen von Herrn Wiegand auch immer mal angegangen. Dabei habe ich immer nur sachlich gefragt. Reflexartig kam seit Anfang an und immer wieder der Vorwurf, es gehe um eine Hexenjagd gegen ihn. Man wolle ihm persönlich einfach nur schaden. Dabei war es eigentlich nur er, der persönlich wurde. Ich dürfe meine Fragen nicht stellen oder man könne nur noch mit dem Kopf schütteln, so wie ich frage. Solche Sachen kamen da, dabei habe ich lediglich sachlich meinen Job gemacht.

Sie haben im Rahmen Ihrer Recherche den Umgang des Oberbürgermeisters mit dem Impfskandal mehrere Monate erlebt. Nun wurde er für drei Monate suspendiert. Was denken Sie, wie er nun mit dieser Entscheidung umgeht?

Er gibt an, nach wie vor davon überzeugt zu sein, keine Straftat begangen zu haben und keine juristische Verfehlung. Was er weiter ausblendet, ist die moralische Ebene. Die Stimmung in der Bevölkerung, die anderer Meinung ist, scheint er nicht wahr oder nicht ernst zu nehmen. Selbst jetzt, wo der Zwischenbericht der Staatsanwaltschaft ja neue, schwere Vorwürfe aufgeworfen hat – aufgrund von Zeugenaussagen aus dem Pandemiestab. Meine Prognose: Er wird stur auf seiner bisherigen Position beharren. Einen Rücktritt kann ich mir bei ihm nicht vorstellen

Was denken Sie, wie es nun für ihn und auch die Stadt Halle weitergeht?

Für eine Prognose ist es noch zu früh. Es wird darauf ankommen, wie die Verfahren laufen und welche weiteren Erkenntnisse sie bringen: Das Disziplinarverfahren beim Landesverwaltungsamt und das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft. Bevor die ein Ergebnis vorlegen, kann man das schwer absehen. Und politisch ist ja noch offen, ob der Stadtrat ein Abwahlverfahren anstrengt. Diese Suspendierung ist eine wichtige Etappe, das hat es in der Geschichte der Stadt Halle noch nie gegeben. Und die Impfaffäre ist auf alle Fälle noch lange nicht zu Ende.  

Wie stehen Ihrer Auffassung nach die Hallenserinnen und Hallenser denn jetzt zu ihrem Oberbürgermeister?

Dazu muss man natürlich sagen, Wiegand hat für einen Teil der Hallenser über die Jahre gute Arbeit gemacht. Er hat zur Flut zum Beispiel wahrscheinlich bei vielen den Eindruck von einem starken Mann erweckt, der für die Interessen der Stadt eintritt, der beim Land dafür sorgt, dass genug Hilfsmittel ankommen. Von den Flutmitteln wird ja bis heute profitiert. Deswegen ist es wahrscheinlich auch für den Stadtrat schwierig, gegen den Oberbürgermeister zu entscheiden.

Aber für viele Risikopatienten geht es in der Pandemie um Leben oder Tod. Wiegand hat mit seinem Verhalten in der Affäre viel Vertrauen bei den Hallensern verspielt.

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MDR/Cornelia Winkler

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT | 08. April 2021 | 19:00 Uhr

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