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Singen statt schlagenWie ein Projekt in Landsberg Gewalt an Schulen verhindern will

11. Mai 2023, 15:32 Uhr

Schülerinnen und Schüler im Saalekreis lernen in einem einwöchigen Projekt einen anderen Umgang mit negativen Gefühlen. Wie Jungen und Mädchen in Landsberg lernen, im Ernstfall gelassener zu reagieren.

Was an diesem Mittwochvormittag in der Cafeteria der Sekundarschule "An der Doppelkapelle" in Landsberg passiert, ist alles andere als normal. Drei Gruppen sitzen in dem großen Raum, die Pause ist längst vorbei. Die größte Gruppe mit sechs Schülern sitzt im Kreis vor den Fenstern. Auf Tischen vor ihnen stehen mehrere Keyboards und Mischpulte. An der Seite stehen E-Gitarren. Konzentriert arbeiten sie an einer kurzen Klangfolge.

In eine Sitzgruppe daneben hat sich die Arbeitsgruppe Text zurückgezogen. Dort arbeitet auch die 13-jährige Anna aus einem Ortsteil von Landsberg mit. "Wir texten gerade für unseren Song", erzählt Anna im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT. Die Zeit drängt, denn am Freitag vor den Ferien soll das fertige Lied den Mitschülern präsentiert werden.

Alternativen aufzeigen

Das alles ist Teil eines Projekts gegen Gewalt an Schulen. "Es geht darum, dass die Schülerinnen und Schüler einen anderen Umgang mit Wut und Gewalt erlernen. Es sollen sozusagen Ventile installiert werden, über die diese negativen Gefühle abgebaut werden können, bevor dabei andere Menschen verletzt werden", erklärt Schulsozialarbeiterin Saskia Ihwe.

Es sollen Ventile installiert werden, über die negative Gefühle abgebaut werden können, bevor andere Menschen verletzt werden.

Saskia Ihwe, Schulsozialarbeiterin

Unter dem Motto "Wer Gewalt ausübt, ist nur zu feige zum Reden" besuchen die rund achtzig Schüler der siebten Klasse der Sekundarschule Landsberg eine Woche lang verschiedene Kurse. Angeboten werden Tanz, ein Trommel-Kurs, Webseiten-Gestaltung, Selbstverteidigung oder eben das Band-Projekt, an dem sich Schülerin Anna beteiligt.

Schüler bringen sich voll ein

"Wir arbeiten hier mit den Schülern präventiv, damit es nicht zu Gewalt kommt", erklärt Sozialarbeiterin Ihwe. Schulleiterin Dany Hambach ergänzt: "Lehrer und pädagogische Mitarbeiter können so später an das hier erlernte Wissen bei den Schülern anknüpfen."

Studie über Gewalt an SchulenZu diesen Ergebnissen kommt eine repräsentative Studie im Auftrag der Bertelsmann Stiftung, für die im Jahr 2019 bundesweit 3.448 Schüler zwischen acht und 14 Jahren befragt worden waren. 

Besonders hoch ist der Anteil der Übergriffe in den Grundschulen. Dort gaben knapp 30 Prozent der befragten Jungen und Mädchen an, im Vormonat von anderen Schülern gehänselt, auch ausgegrenzt und zudem "absichtlich gehauen" worden zu sein. An Haupt-, Real-, Gesamt- und Sekundarschulen sagte jeder Fünfte, alle diese drei Übergriffsformen im Monat zuvor erlebt zu haben. Im Gymnasium war es jeder Zehnte.

Die Mehrheit der Schüler in Deutschland hat Ausgrenzung, Hänseleien oder körperliche Gewalt selbst erlebt. Auch in Halle, der größeren Nachbarstadt von Landsberg, gibt es immer wieder Probleme mit Jugendgewalt. Dort hat die Polizei sogar eine eigene Ermittlungsgruppe gegründet, um der Jugendkriminalität beizukommen. "Einen Zusammenhang mit den Vorfällen in Halle gibt es bei uns nicht", betont die Landsberger Schulleiterin Hambach.

Profis arbeiten mit Schülern

Einen ersten Entwurf für den Song hat Anna schon am Abend des ersten Tages aufgeschrieben – so viel Spaß hat ihr die Arbeit in dem Workshop gemacht. Nun diskutiert sie gemeinsam mit den anderen Teilnehmern der Gruppe "Text" über das Ergebnis und die Aussagen.

Andere Schüler tüfteln noch am richtigen Sound. Geleitet werden die einzelnen Workshops von Profis. Den Tanzkurs leitet beispielsweise die Chefin eines Tanz-Studios. Annas Coach spielt in einer eigenen Band.

Gefördert wird das Projekt vom Jugendamt des Saalekreises. Rund 15.000 Euro werden insgesamt in das Projekt fließen "Diese Workshops sind sehr beliebt", erklärt Schulleiterin Hambach, bei Schülern und Lehrern. Umso größer sei die Freude gewesen, als die Zusage gekommen ist.

Spielerischer Umgang mit großen Themen

"Alle Kurse funktionieren sehr gut", sagt Schulsozialarbeiterin Ihwe erfreut. Auch Anna ist begeistert. Weil ihr die Arbeit im Band-Workshop so großen Spaß macht, überlegt sie momentan sogar, ihren Berufswunsch zu ändern. Eigentlich wollte sie Kindergärtnerin werden, aber vielleicht wird sie nun doch Sängerin.

Bevor aber so große Entscheidungen getroffen werden müssen, steht erst mal der Video-Dreh für den Song an. Dafür ziehen die Kids mit Kameras bepackt zur berühmten Doppelkapelle im Ort. Sie soll die beeindruckende Kulisse für das Musikvideo werden.

Schulsozialarbeiterin Ihwe ist mit der Projektwoche sehr zufrieden: "Ich bin immer mal durch die Räume gegangen und habe geschaut, ob ich unterstützen kann. Aber da hieß es schon am zweiten Tag 'Du brauchst nicht mehr zu kommen.'"

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MDR (Hannes Leonard), dpa

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 12. Mai 2023 | 15:30 Uhr

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