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Vögel sind ProblemLärm und Dreck: Wanzlebens Friedhof der 500 Krähen

18. Juni 2021, 18:48 Uhr

Auf Wanzlebens Friedhof gibt es ein Saatkrähen-Problem. Bis zu 500 Tiere nisten dort und machen Lärm und Dreck. Die Börde-Stadt hat schon einiges ausprobiert. Aber die Tiere zu vergrämen ist nicht einfach, auch weil sie geschützt sind.

von Mario Köhne, MDR SACHSEN-ANHALT

Eine Jungkrähe sitzt auf einem Grabrand auf dem Friedhof in Wanzleben. Bildrechte: MDR/Mario Köhne

Der Friedhof in Wanzleben ist eigentlich ein Kleinod. Mitten in der Stadt gelegen, könnte der Friedhof im vorderen Teil sogar als herkömmlicher Park durchgehen. Neben dem dichten Grün entlang der Wege stehen dort jahrhundertealte Bäume. Sie geben dem Ort einen besonderen Charme. Es gibt unattraktivere Plätze für die letzte Ruhe.

Seit 2019 sind Krähen ein Problem

Doch mit Ruhe ist das so eine Sache. Denn Saatkrähen haben sich den Wanzleber Friedhof als Ort zum Nisten ausgesucht. Die Tiere leben zwar schon immer dort. Aber seit 2019 sind die Vögel zu einem Problem geworden, die Population ist rasant gestiegen. Zwischenzeitig wurden bis zu 500 Tiere gezählt. Das berichtet Carolin Axmann MDR SACHSEN-ANHALT bei einem Ortstermin. Axmann ist bei der Stadt Wanzleben-Börde für die Friedhöfe zuständig.

Selbst durch das dichte grüne Laub sind die Nester klar zu erkennen. Bildrechte: MDR/Mario Köhne

Bei ihr laufen die Beschwerden der Friedhofsgänger und auch der Anwohnerinnen und Anwohner auf. Bei Tagesanbruch verlassen die Vögel in der Regel ihre Nester, in der Dämmerung kommen zurück – und machen dabei jede Menge Lärm. Auch beim Ortstermin kreisen die Saatkrähen über dem Friedhof, und ihr typisches Krächzen ist überall zu hören.

Grabstellen werden "vollgeschissen"

Neben dem Krach ist der Dreck ein Problem. "Die Grabstellen unter den betroffenen Bäumen werden vollgeschissen", erläutert Axmann und entschuldigt sich im gleichen Atemzug für ihre Wortwahl. Der Kot der Vögel ist so aggressiv, dass er sich nach kurzer Zeit in die Grabsteine brennt. Die Leute seien eigentlich nur noch dabei, alles sauber zu machen.

Der Kot der Saatkrähen ist so aggressiv, dass er sich in den Grabstein brennt. Bildrechte: MDR/Mario Köhne

Beim Gang über den Friedhof sind die weißen Kotflecken klar zu finden. Außerdem liegen schwarze Federn auf den Wegen und Wiesen. Und wenn die Krähen Anfang des Jahres mit dem Nestbau beginnen, verteilen sie auf dem Friedhof kleine Äste, die sie auf dem Weg verlieren.

Schallkanone darf nur bis Ende März eingesetzt werden

Überall auf dem Friedhof liegen die schwarzen Federn der Saatkrähen. Bildrechte: MDR/Mario Köhne

Dabei will die Stadt genau das verhindern: dass die Vögel dort überhaupt Nester bauen und brüten können. Eine Maßnahme, auf die die Wanzleber gesetzt haben, war eine Schallkanone. Doch das Landesverwaltungsamt als zuständige Naturschutzbehörde hat den Einsatz nur bis Ende März erlaubt, weil die Saatkrähen geschützt sind – und auch aus Rücksicht auf die anderen Vögel auf dem Friedhof.

Damit endet die Maßnahme vor Beginn der Brutzeit der Saatkrähen. In diesem Jahr wurden zudem die Bäume vom Bauhof zurückgeschnitten. Doch auch das konnte die Rückkehr der schwarzen Vögel nicht verhindern. "Wir haben 150 Nester aus den Bäumen entfernen lassen und hatten nach vier Wochen wieder 61 neue Nester", berichtet die Carolin Axmann. Die Stadt klagt nun gegen den Bescheid des Landesverwaltungsamtes. Sie möchte die Schallkanone bis zum Ende der Brutzeit im Mai einsetzen. Die Entscheidung ist noch offen.

Auch Menschen wurden von den Hinterlassenschaften der Vögel schon getroffen. Bildrechte: MDR/Mario Köhne

In der DDR habe man die Saatkrähen abschießen dürfen. Damals habe es für jedes Beinpaar 50 Pfennige gegeben, berichten zwei ältere Friedhofsbesucher. Das machen die Wanzleber heute natürlich nicht. Aber sie suchen nach kreativen Lösungen. Weil die Schallkanone von Mitarbeitern mit einer Warnweste bedient wurde, sorgte allein die Farbe bei den Tieren schon für Alarm. Mitarbeiter vom Bauhof haben deswegen eine orange Warnweste in eine Baumkrone gehängt. Mittlerweile haben sich die Krähen jedoch daran gewöhnt.

Klappt "Umzug" zum Domersleber See?

Die Wanzleber haben viel ausprobiert, um die Saatkrähen zu vergrämen. Bildrechte: MDR/Mario Köhne

So hoffen sie in Wanzleben auf eine erfolgreiche Klage und suchen weiter nach Lösungen. Die neueste Idee: Die Nester sollen aus den Bäumen entnommen und an den Domersleber See versetzt werden. Und damit die Krähen den Weg dorthin auch finden, soll der Bereich am See mit dem Lockruf der Krähen beschallt werden. Auf dem Friedhof in Wanzleben will man parallel deren Warnruf abspielen.

Ob das laute Krächzen der Krähen, die Schallkanone oder die Beschallung mit Warnrufen: Bis endgültig Ruhe auf dem Wanzleber Friedhof einkehrt, wird es noch einige Zeit dauern.

Bildrechte: MDR/Olga Patlan

Der AutorMario Köhne kommt gebürtig aus dem Emsland und arbeitet seit Anfang 2017 als freier Journalist bei MDR SACHSEN-ANHALT. Für das Studio Magdeburg berichtet er regelmäßig aus dem Landkreis Börde. Er schreibt außerdem für mdrsachsenanhalt.de. Bevor er zu MDR SACHSEN-ANHALT kam, arbeitete er als Radiojournalist im niedersächsischen Lokalfunk. Seine Lieblingsorte in Sachsen-Anhalt sind Schloss Hundisburg mit dem alten Steinbruch und das Elbufer in Magdeburg.

MDR/Mario Köhne

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT | MDR SACHSEN-ANHALT | 18. Juni 2021 | 14:40 Uhr

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