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In voller Montur: Die Corona-Intensivstation darf Katharina Merz nur in Schutzkleidung betreten. Bildrechte: Katharina Merz | Collage: Fabian Frenzel

Pflege in der Corona-Pandemie"Wenn die Pandemie vorbei ist, möchte ich zur Kur fahren"

03. Dezember 2021, 09:33 Uhr

Katharina Merz ist 47 Jahre alt und Krankenschwester auf der Corona-Intensivstation einer Magdeburger Klinik. Hier berichtet sie von den psychischen und physischen Belastungen, denen sie und ihre Kolleginnen und Kollegen derzeit ausgesetzt sind.

"Ich arbeite seit 20 Jahren mit einer kurzen Unterbrechung als Krankenschwester auf der Intensivstation. Die Arbeitsbelastung ist seitdem immer größer geworden. Doch eine Situation wie aktuell habe ich noch nie erlebt. Bei uns auf der Corona-Intensivstation meiner Magdeburger Klinik sind momentan zehn von zwölf Betten belegt.

Die meisten unserer Patientinnen und Patienten sind zwischen 40 und 70 Jahre alt. Geimpfte und Ungeimpfte, Menschen mit und ohne Vorerkrankungen, es sind eigentlich alle Gruppen vertreten. Sehr viele Patienten bei uns werden beatmet, einige sind sogar an eine künstliche Lunge angeschlossen.

Die Patientinnen und Patienten, die zu uns auf die Station kommen, haben Angst. Wenn wir merken, dass wir jemanden intubieren müssen, bekommt er oder sie von uns die Gelegenheit, noch einmal mit den Angehörigen zu telefonieren. Diese Gespräche mitzubekommen, das sind Momente, die nicht spurlos an einem vorbeigehen. Da ist bei mir und meinen Kollegen schon die eine oder andere Träne gekullert. Wenn man einem jungen Patienten bei der Intubation die Hand hält und sagt 'alles wird gut', und später verstirbt derjenige, dann ist das auch schwierig.

Stabiles Umfeld und Sport als Ausgleich

Man merkt in diesen Zeiten ganz besonders, dass man ein stabiles Umfeld braucht, um diesen Job zu machen. Mir hilft es, sehr intensiv Sport zu treiben. Im letzten Jahr habe ich mir angewöhnt, drei-, viermal die Woche laufen zu gehen und dabei laut Musik zu hören, um den Kopf freizubekommen. Denn ich bin selbst ziemlich angekratzt, weil die Situation so anstrengend ist, psychisch und körperlich.

Katharina Merz arbeitet seit 20 Jahren als Krankenschwester auf der Intensivstation. Bildrechte: privat

Wir tragen die ganze Zeit Schutzkleidung. Man schwitzt darunter, kriegt schlecht Luft durch die FFP3-Maske, man kann stundenlang nicht einmal einen Schluck Wasser trinken, geschweige denn zur Toilette gehen. Ich habe mir sogar das Kaffeetrinken vorm Dienst abgewöhnt, damit ich nicht auf die Toilette muss.

Trotz der hohen Belastung mache ich meine Arbeit gerne und bin mit Empathie und ganzem Herzen für die Patientinnen und Patienten da. Auch die Stimmung bei uns im Team ist sehr gut. Wir müssen zusammenhalten und machen das Beste aus der Situation. Bald sollen wir psychologische Unterstützung bekommen. Viele machen den Stress mit sich selbst aus, aber ich denke, dass ich das auf jeden Fall in Anspruch nehmen werde.

Personalprobleme und zu wenig Wertschätzung

Allerdings ist unser Team seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie deutlich kleiner geworden. Allein auf meiner Station sind seit letztem Jahr sechs Leute gegangen. Und es gibt einige Kollegen mehr, die sagen, sie wüssten nicht, wie lange sie noch in der Pflege bleiben. Gleichzeitig ist es sehr schwierig, neues Personal zu finden. Es fehlt an Wertschätzung für unseren Beruf, und natürlich spielt auch das Geld eine Rolle. Immerhin haben wir von unserem Arbeitgeber eine Corona-Prämie bekommen.

Dass inzwischen über eine allgemeine Impfpflicht diskutiert wird, sehe ich zwiegespalten. Einerseits würden viele Leute wohl nicht bei uns liegen, wenn sie sich hätten impfen lassen. Andererseits fürchte ich, dass es zu Aufruhr kommen könnte, wenn es demnächst eine Impfpflicht geben sollte. Ich selbst bin geimpft, aber ich verurteile niemanden, der sich nicht impfen lässt. Jeder sollte das selbst entscheiden. Dafür sind wir letztlich ein freies Land.

Im tiefsten Inneren wissen wir alle, dass in den nächsten Monaten noch sehr viele Patienten und sehr viel Arbeitsbelastung auf uns zukommen.

Meine Kollegen und ich hoffen, dass diese Welle der Pandemie nicht so lange andauert wie die im letzten Winter. Doch im tiefsten Inneren wissen wir alle, dass in den nächsten Monaten noch sehr viele Patienten und sehr viel Arbeitsbelastung auf uns zukommen. Das Schlimmste wäre, wenn wir eines Tages in einer Triage-Situation entscheiden müssten, wen wir behandeln und für wen kein Bett mehr frei ist. Ich hoffe sehr, dass es nicht soweit kommt.

Wenn die Pandemie eines Tages vorbei ist, möchte ich zur Kur fahren, um das alles hinter mir zu lassen und psychisch zu verarbeiten."

Bildrechte: Magnus Wiedenmann

Über den AutorLucas Riemer arbeitet seit Juni 2021 bei MDR SACHSEN-ANHALT. Der gebürtige Wittenberger hat Medien- und Kommunikationswissenschaft in Ilmenau sowie Journalismus in Mainz studiert und anschließend mehrere Jahre als Redakteur in Hamburg gearbeitet, unter anderem für das Magazin GEOlino.

Bei MDR SACHSEN-ANHALT berichtet er vor allem über kleine und große Geschichten aus den Regionen des Landes.

MDR (Lucas Riemer)

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 29. November 2021 | 19:30 Uhr

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