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Digitaler FachtagArbeitsmarkt-Integration von Migrantinnen: "Kein Sprint, sondern ein Marathon"

26. März 2021, 17:43 Uhr

Bis Migrantinnen in Sachsen-Anhalt einen Job finden, können Jahre vergehen – selbst wenn die Frauen gut ausgebildet und sehr motiviert sind. Wie kann ihr Berufseinstieg besser und schneller gelingen? Ideen einer Fachtagung.

von Maria Hendrischke, MDR SACHSEN-ANHALT

Wie können in Sachsen-Anhalt lebenden Migrantinnen besser ins Arbeitsleben starten? Mit dieser Frage beschäftigten sich am Donnerstag etwa 150 Teilnehmende des digitalen Fachtags "Migrantinnen auf dem Arbeitsmarkt: Hürden abbauen und Potentiale besser nutzen". Die Tagung hat das Verbundprojekt "Blickpunkt: Migrantinnen" veranstaltet.

Sachsen-Anhalts Arbeits- und Integrationsministerin Petra Grimm-Benne (SPD) erklärte in einem Grußwort zu Beginn des Fachtags, warum die Unterstützung der Migrantinnen wichtig ist. Zum einen würden migrantische Frauen wegen des Fachkräftemangels in Sachsen-Anhalt gebraucht. Zum anderen seien sie für andere Frauen und Mädchen Vorbilder – auch für nachfolgende Generationen.

Über den Fachtag-Veranstalter Blickpunkt: Migrantinnen

Die Tagung ist vom Verbundprojekt "Blickpunkt: Migrantinnen – Fach- und Servicestelle für die Arbeitsmarktintegration migrantischer Frauen in Sachsen-Anhalt" organisiert worden. Seit Anfang 2020 hat das Projekt mehr als 200 Migrantinnen in Sachsen-Anhalt zum Thema Berufseinstieg beraten. Das Projekt wird durch Mittel der Europäischen Union (ESF) und des Landessozialministerium gefördert.

Migrantinnen: eine heterogene Gruppe

Ein Fazit des Fachtags: Die "typische migrantische Frau" gibt es nicht. Um das weiter zu untermauern, erhebt ein Projektpartner, das Forschungsinstitut Minor, Daten zu migrantischen Frauen in Sachsen-Anhalt. Die Zahlen hat Minor-Mitarbeiterin Laura Ballaschk beim Fachtag vorgestellt. Demnach leben etwa 46.000 Frauen ohne deutsche Staatsbürgerschaft in Sachsen-Anhalt. Darunter sind Geflüchtete aus Syrien ebenso wie Zugewanderte aus EU-Ländern. Sie sind Akademikerinnen, Analphabetinnen, Geschäftsführerinnen, Mütter.

Das Durchschnittsalter der zugewanderten Frauen liegt bei 30 Jahren. Sie seien also sehr jung im Vergleich zum Durchschnittsalter der Frauen in Sachsen-Anhalt, das bei fast 50 Jahren liege, sagt Ballaschk. Durch das junge Alter und auch durch die Kompetenzen, die die Frauen mitbringen, hätten sie großes Potenzial für den Arbeitsmarkt in Sachsen-Anhalt, betonen die Veranstalterinnen der Tagung.

Die Zahlen zeigen auch: Zwar ist die absolute Zahl der migrantischen Frauen, die eine Arbeit haben, seit 2015 gestiegen. Doch nur etwa 10.000 Frauen ohne deutsche Staatsbürgerschaft in Sachsen-Anhalt hatten Stand Juli 2020 einen Job, der sozialversicherungspflichtig ist – das entspricht etwa 22 Prozent der 46.000 Frauen. Überdurchschnittlich oft arbeiten sie im Niedriglohn-Bereich und in Jobs mit geringen Anforderungen, also als Helferinnen. Ob diese Arbeit ihren eigentlichen Qualifikationen entspricht oder ob die Frauen dafür überqualifiziert sind, lasse sich aus den Daten nicht entnehmen, so Ballaschk.

Integration: kein Sprint, sondern ein Marathon mit Hürdenlauf

Das Projekt "Blickpunkt: Migrantinnen" hat seit Anfang 2020 mehr als 200 Frauen bei der Jobsuche in Sachsen-Anhalt unterstützt. Weil der Fall jeder Frau einzigartig sei, sei diese Arbeit sehr aufwändig und nehme viel Zeit in Anspruch, erklärt Projektleiterin Jennifer Heinrich MDR SACHSEN-ANHALT. Es gebe nicht ein Patentrezept für die Arbeitsmarkt-Integration, das für jede Migrantin funktioniere. Es müssten viele Stellen einbezogen werden – von Ausländerbehörde und Jobcenter über Sprachkurs-Anbieter bis zum potenziellen Arbeitgeber. Es sei wichtig, dass alle Akteurinnen und Akteure miteinander vernetzt seien und zusammenarbeiteten, so Heinrich.

Es dauere etwa drei bis fünf Jahre, bis die Frauen in ihrem eigentlichen Beruf Fuß fassten, sagt Heinrich. Das verlange von ihnen sehr viel Motivation und Durchhaltevermögen. In der Podiumsdiskussion am Ende des Fachtags fasst es Heinrich so zusammen: "Die Arbeitsmarkt-Integration der Frauen ist kein Sprint, sondern ein Marathon."

Ein Marathon mit eingebautem Hürdenlauf. Eine Hürde auf dem Weg zum Berufseinstieg sei, dass die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse sehr lange dauere, sagt Heinrich. Eine weitere ist die Mobilität. Gerade im ländlichen Raum seien die Frauen auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen, um zum Sprachkurs und später zur Arbeit zu kommen, sagt sie. Schwierig ist teils auch die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie: Eine gute Kinderbetreuung sei ein "Gelingensfaktor" für die Arbeitsmarkt-Integration, erklärt Carola Burkert vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) bei ihrem Vortrag auf der Fachtagung.

Rassismus und Diskriminierung überwinden

Es gibt noch eine Hürde für die Frauen, die auf der Tagung angesprochen wird. Eine, die sich auch mit sehr guten Deutschkenntnissen und ausreichender Kinderbetreuung nicht überwinden lässt. Die Hürde heißt Rassismus und Diskriminierung.

Sachsen-Anhalts Integrationsbeauftragte, Staatssekretärin Susi Möbbeck (SPD), sagte bei der abschließenden Podiumsdiskussion, dass einige Unternehmen vor der Einstellung einer Migrantin tatsächlich Sorge hätten, wie das im Betrieb akzeptiert werde. "Das können wir nur auflösen durch gute Beispiele, durch weitererzählten Erfolg, durch das reale Erleben." Durch den Fachkräftemangel werde der Druck auf die Unternehmen steigen, Migrantinnen einzustellen. Und Betriebe, die zum Beispiel eine ausländische Auszubildende einstellten, seien oft begeistert und öffneten sich dann dafür. Möbbeck sagt: "Wir müssen dazu beitragen, dass diese positiven Erfahrungen weiterkommuniziert werden, damit sich mehr Betriebe trauen, diesen ersten Schritt zu gehen."

Bildrechte: MDR/Jörn Rettig

Über die AutorinMaria Hendrischke arbeitet seit Mai 2017 für MDR SACHSEN-ANHALT – in Halle und in Magdeburg. Ihre Schwerpunkte sind Nachrichten aus dem Süden Sachsen-Anhalts, Politik sowie Erklärstücke und Datenprojekte. Ihre erste Station in Sachsen-Anhalt war Magdeburg, wo sie ihren Journalistik-Bachelor machte. Darauf folgten Auslandssemester in Auckland und Lissabon sowie ein Masterstudium der Kommunikationsforschung mit Schwerpunkt Politik in Erfurt und Austin, Texas. Nach einem Volontariat in einer Online-Redaktion in Berlin ging es schließlich zurück nach Sachsen-Anhalt, dieses Mal aber in die Landeshauptstadt der Herzen – nach Halle. Ihr Lieblingsort in Sachsen-Anhalt sind die Klausberge an der Saale. Aber der Harz ist auch ein Traum, findet sie.

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Quelle: MDR/Maria Hendrischke