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David Banik aus Stendal"Halb Sozialarbeiter, halb Musiker" – über das Leben als Straßenmusiker

23. Juli 2022, 17:15 Uhr

Von den einen geliebt, von anderen nicht gewollt: David Banik aus Stendal macht nun schon seit einem Jahrzehnt Musik auf der Straße. Er verdient damit seinen Lebensunterhalt. Doch der Familienvater kämpft auch gegen allerlei Widrigkeiten. Eine Geschichte über das Los von Straßenmusikern.

So ganz legal war das damals vermutlich nicht. Aber: "Ich habe mich eben schon früh gerne in Kneipen rumgetrieben", sagt David Banik und lacht: "Ich sah ja im Grunde auch genau so aus wie jetzt, hatte lange Haare, habe geraucht. Niemand hat erkannt, dass ich erst 15 Jahre alt war."

Also saß der Jugendliche oft stundenlang in besagten Kneipen, "wo sich immer viele Musiker rumgetrieben haben", wie er sich erinnert. "Hauptsächlich waren da so Berufsmusiker. Die haben oft über ihren Chef gemeckert oder solche Sachen. Aber einer war anders, total frei. Der hat anders gespielt. Bei dem ging es immer nur um die Sache: seine Musik." Das faszinierte David Banik. Es war der Beginn seiner Leidenschaft für Straßenmusik.

Von den einen geliebt, von anderen bestenfalls geduldet – so lässt sich das Los der Straßenmusiker zusammenfassen. Auch in Sachsen-Anhalt ist das so. Doch was zeichnet das Musizieren auf der Straße eigentlich aus? Was für Typen machen das überhaupt? Und vor allem: Kann Straßenmusik helfen, eine Innenstadt zu beleben?

Liberales Magdeburg in puncto Straßenmusik

Die Stadt Magdeburg denkt offensichtlich: Ja, Straßenmusik würde der Innenstadt gut tun. Dort können sich Musiker seit einiger Zeit bewerben, um sonnabends auf dem Wochenmarkt am Alten Markt aufzutreten.

"Wir wollen die Innenstadt beleben und grundsätzlich sind da ja alle Maßnahmen recht, um viele Menschen in die Innenstadt zu holen", sagt Sandra Yvonne Stieger, Magdeburgs Beigeordnete für Wirtschaft, Tourismus und regionale Zusammenarbeit. Und: "Ich bin überzeugt davon, dass wenn man eine schöne Innenstadt mit guter Aufenthaltsqualität hat, dass es dann einfach Spaß macht, in die Innenstadt zu gehen. Und ein Puzzle-Stück sind die Straßenmusiker."

Während die Musiker in Magdeburg auf dem Alten Markt sogar noch 150 Euro für drei Stunden Musizieren von der Stadt erhalten, müssen sie anderenorts sogar bezahlen, um spielen zu dürfen. In Dresden ist das beispielsweise so. In München müssen sie vorher im Rathaus vorspielen, um auf die Straße gelassen zu werden.

"Ich war schon viel unterwegs und habe in vielen Städten gespielt", sagt David Banik, der Jugendliche aus der Kneipe, mittlerweile selbst Straßenmusiker. "Du kommst irgendwo mit deinem letzten Sprit hin, musst sehen, dass du irgendwie weiterkommst und dann wirst du in bestimmten Städten genötigt, erstmal 20 Euro zu zahlen, damit du spielen darfst. Das finde ich schlimm. Denn viele haben das Geld gar nicht. Hier in Magdeburg ist das noch liberaler." In letzter Zeit kommt Banik öfter nach Magdeburg.

Fast jeden Tag auf der Straße

Die Geschichte von David Banik aus der Altmark ist auch die vom Umgang mit Straßenmusikern. Der Musiker aus der Kneipe damals nahm ihn mit zu Konzerten. Als Banik 18 Jahre alt war, durfte er sein erstes "richtiges" Konzert mitspielen, wie er sagt.

Zwar studierte er im Anschluss auch Lehramt, nach fünf Jahren war damit Schluss. Ob er einen Abschluss hat? "Ich hatte für mich persönlich damit abgeschlossen", sagt Banik und lächelt. Trotzdem stieg er als Quereinsteiger später in den Beruf ein, unterrichtete Musik. "Ich habe auch gutes Geld verdient", sagt er, "aber es hat keinen Spaß gemacht. Ich wollte etwas Anderes arbeiten. Ich wollte die Arbeit auf der Straße."

Genauer gesagt: auf der Breiten Straße im Zentrum von Stendal. Seit einem Jahrzehnt spielt der heute 30-Jährige dort nun schon. Und das fast jeden Tag. "Es ist ja mein Job", sagt David Banik. "Ich lebe davon." Werke von Bob Dylan oder den Rolling Stones sind von ihm zu hören, auch eigene Stücke. Nebenbei spielt und singt der Gitarrist und Sänger noch in einer Rockband aus Magdeburg.

Er kennt dort alle, ist halb Sozialarbeiter, halb Musiker.

Conrad Knorr | Bandkollege von David Banik und Musiker aus Magdeburg

"Er ist eine feste Größe in der Stadt und gehört zum Stadtbild dazu. Die Leute wollen diese Musik hören und wenn sie nicht da ist, dann fehlt was", weiß sein Bandkollege Conrad Knorr, der Bass spielt. "Wenn ich mit ihm da im Café sitze, dann kommen die Leute und fragen, wann er wieder spielt. Er kennt dort alle, ist halb Sozialarbeiter, halb Musiker. Der energetische Punkt dieser Breiten Straße ist David Banik."

Banik nickt und lacht und erzählt schließlich: "Ich bin sogar im Wimmelbuch der Stadt." Und trotzdem musste er auch bereits erfahren, wie es sich anfühlt, wenn du als Straßenmusiker unerwünscht bist.

Zu laut? "Es ist nur ein Mann und seine Gitarre"

Seit Herbst 2020 hat David Banik ein Problem. Beziehungsweise: Vereinzelte Anwohner und Gewerbetreibende haben ein Problem mit seiner Musik. Die Anwälte Vilma Wendlandt, Dr. Bernd Siebert, Xenia Schüßler und der Anwohner Axel Hüneke wandten sich bereits damals an die Öffentlichkeit. "Wir wollen ihm generell nicht verbieten zu spielen", sagte die Juristin Vilma Wendlandt der Volksstimme. Der Mann singe einfach zu laut, die Arbeit der Kanzlei sei gestört. "Er schreit", sagte Wendlandt. "Und das über mehrere Stunden."

Mehrere Episoden der Auseinandersetzung spielten sich seither ab, das Ordnungsamt war involviert, sogar die Satzung der Stadt Stendal bezüglich der Straßenmusik sollte geändert werden. Wurde sie aber nicht. Mittlerweile stehen sich Banik und die sich gestört Fühlenden vor Gericht gegenüber. Ausgang noch ungewiss.

Wieder steht Conrad Knorr seinem Bandkollegen bei: "Das Spielen auf der Straße ist unbegrenzt in der Stadtordnung erlaubt. Er darf darf nur keinen Verstärker hinstellen. Aber das macht er ja nicht: Es ist nur ein Mann und seine Gitarre." Also: "Es ist wichtig, dass er vor Gericht geht, weil er damit einen Präzedenzfall schafft. Das geht in meinen Augen einfach nicht, dass man mit juristischen Mitteln versucht, einen Straßenmusiker zu vertreiben." Zumal "sie ihm damit gerade während der Corona-Zeit ja die letzte Bastion nehmen würden", wie Knorr sagt.

Die Auseinandersetzung, dass das Ordnungsamt immer wieder kam, "hat irgendwann dazu geführt, dass ich ganz leise gespielt habe", wie David Banik erzählt. "Dann kamen die Leute auf der Straße zu mir und haben gefragt, was mit mir los ist, ob es mir nicht gut geht. Natürlich ging es mir nicht gut. Aber ich sehe mich ungern als Opfer. Das Opfer ist das, was ich mache, das leidet ja darunter: nämlich die Musik."

Der große Traum: freie Bühnen in jeder Stadt

Alle drei Mitglieder von "Gruppe Null" der Rock-Band von David Banik, Conrad Knorr und Lars Jähner, beides Magdeburger, spielen mehr oder weniger regelmäßig auf der Straße. "Vor Corona gab es einen richtigen Aufschwung der Straßenmusik in Magdeburg", sagt Schlagzeuger Jähner. "Da hast du fast jeden Tag jemanden auf der Sternbrücke oder sonst wo gesehen." Dann kam Corona. Dann kamen Versammlungsbeschränkungen. Auch auf der Straße zu musizieren, wurde komplizierter. Doch Lars Jähner sagt: "Jetzt merkst du wieder, wie dankbar die Leute sind, wieder spielen zu dürfen." Das sei für viele ein Lebenselixier. "Die brauchen das."

Jetzt merkst du wieder, wie dankbar die Leute sind, wieder spielen zu dürfen. Das ist für viele ein Lebenselixier. Die brauchen das.

Lars Jähner | Bandkollege von David Banik und Musiker aus Magdeburg

Und auch Conrad Knorr sagt: "Es ist einfach ein seelisches Bedürfnis der Leute, Musik zu machen. Musik hat aus meiner Sicht auch eine gesellschaftliche Aufgabe: nämlich die Schattenseiten hervorzukehren und anzusprechen, sonst keimen sie wie Krebsgeschwüre, wenn solche Sachen nicht bearbeitet werden. Einfach Songs machen, über die Menschen nachdenken. Wenn das nicht stattfindet, wird die Gesellschaft krank."

Gerade auf der Straße seien die Begegnungen mit Menschen zahlreich, oft werde er angesprochen, erzählt David Banik. Und er höre dann zu, und zwar jedem. "Wenn du das nicht kannst, sondern jedem, der eine andere Meinung hat als du sagen würdest, dass er weitergehen soll, dann bräuchte ich nicht in die Öffentlichkeit gehen", sagt der 30 Jahre alte Familienvater.

Doch das Spielen auf der Straße, so gerne er es trotz aller Widrigkeiten auch mache, sei nur eine "Zwischenlösung", wie er es nennt. Denn David Banik hat einen Traum: "Eigentlich sollte es in jeder Stadt eine freie Bühne geben, wo klar ist: Da können Künstler einfach draufgehen und spielen. Das ist eine notwendige Entwicklung für die künstlerische Freiheit", sagt er, aber: "Ich kenne noch keine Stadt, in der das so ist."

Bildrechte: MDR/Jörn Rettig

Über den AutorDaniel George wurde 1992 in Magdeburg geboren. Nach dem Studium Journalistik und Medienmanagement zog es ihn erst nach Dessau und später nach Halle. Dort arbeitete er für die Mitteldeutsche Zeitung.

Vom Internet und den neuen Möglichkeiten darin ist er fasziniert. Deshalb zog es ihn im April 2017 zurück in seine Heimatstadt. Bei MDR SACHSEN-ANHALT arbeitet er seitdem als Sport-, Social-Media- und Politik-Redakteur, immer auf der Suche nach guten Geschichten, immer im Austausch mit unseren Nutzern.

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MDR (Daniel George)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 21. Juni 2022 | 15:00 Uhr

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