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Der Fuhrparkleiter der Dresdner Stadtentwässerung zählt noch zwölf Erdgasfahrzeuge in seinem Bestand. Diese sollen bald durch E-Autos ersetzt werden. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt

Umweltfreundliches FahrenErdgas-Autos - Totgesagt, aber nicht am Ende

05. Mai 2024, 08:00 Uhr

Fahren mit Erdgas ist für die Autoindustrie kein Thema mehr. Das sah vor einigen Jahren anders aus. Viele Sachsen haben deshalb auf den umweltfreundlicheren Kraftstoff gesetzt. Sie legten sich Fahrzeuge zu, die ausschließlich mit dieser Gasvariante oder ergänzend zu Benzin auch mit dem sogenannten CNG fahren. Was sollen sie tun, wenn vielleicht bald die Tankstellen schließen? Im Erzgebirgskreis ist es soweit: Dort macht die einzige Erdgastankstelle im Herbst dicht.

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Mit Erdgas ist man immer noch gut unterwegs, findet Thomas Würfel, Leiter des Fuhrparks der Dresdner Stadtentwässerung. "Eine Tankfüllung reicht bei dem Caddy hier für circa 380 Kilometer." Wenn der 58-Jährige Preise und Verbrauch zwischen Dieselfahrzeug, E-Auto und Erdgasfahrzeug vergleicht, ist seiner Meinung Erdgas, auch CNG genannt, immer noch deutlich günstiger als andere Antriebsarten.

Wir haben zwölf Erdgasfahrzeuge im Einsatz, die wir aber in den nächsten Jahren durch E-Fahrzeuge ersetzen werden.

Thomas Würfel | Fuhrparkleiter der Stadtentwässerung Dresden

Mehr als 30 Erdgasfahrzeuge hatte die Stadtentwässerung bis vor einigen Jahren in ihrem Fuhrpark. Doch jetzt wird in die Technologie nicht mehr investiert. "Wir haben noch zwölf Erdgasfahrzeuge im Einsatz, die wir aber in den nächsten vier Jahren durch E-Fahrzeuge ersetzen werden", so der Fuhrparkleiter. Das liege auch an den rar gesäten Gas-Tankstellen.

CNG-Säule in Aue schließt

Die Tankstellenlandschaft sei mit CNG-Zapfsäulen noch nie gut versorgt gewesen, sagt dazu Florian Wagner vom ADAC-Sachsen. "Erdgas hat anscheinend ausgedient, auch durch das Aufkommen von E-Fahrzeugen." In Sachsen gibt es gerade einmal 21 Tankstellen mit einer CNG-Säule. Und es herrscht Ungewissheit, wie viele bleiben. So ist die einzige CNG-Tankstelle im Erzgebirgskreis demnächst Geschichte. Die Zapfsäule an der Orlen-Tankstelle in Aue wird nach fast 20 Jahren ab dem 30. Oktober 2024 stillgelegt.

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Die Säule in Aue gehört nicht Orlen selbst, sondern den örtlichen Stadtwerken, die einst selbst mehr als 40 Erdgasautos in ihrem Fuhrpark hatten. Aktuell kommen private Autofahrer hier nicht mehr gern zum Tanken, weil der Preis überdurchschnittlich hoch ist. "Deutschlandweit liegt der Preis bei 1,10 bis 1,40 Euro je Kilogramm. Wir liegen bei 1,98 je Kilo", erklärt Stadtwerke-Chef René Rücker. Das liege am hohen Einkaufspreis zu dem Zeitpunkt, als das Erdgas damals von den Stadtwerken beschafft wurde.

Gegenwind von Autofahrern wirkt

Geht der CNG-Preis an einer Tankstelle hoch, sei das die erste Warnstufe, dass die Säule schließen könnte, hat Birgit Maria Wöber beobachtet. Sie ist im Vorstand des CNG-Club e.V., einem Verein, der sich bundesweit für die Gasfahrer einsetzt. Das Schließen von CNG-Tankstellen dürfe man nicht still hinnehmen. Die betroffenen Autofahrer müssten sich organisieren, wird Wöber nicht müde zu betonen: "Wenn kein Gegenwind kommt, macht man zu. Das muss nicht sein. Aktionen helfen in der Regel."

Wenn kein Gegenwind kommt, macht man zu. Das muss nicht sein. Aktionen helfen in der Regel.

Birgit Maria Wöber | CNG-Club

Das bestätigt ein Fall im Landkreis Bautzen. Dort wollte Aral vor zwei Jahren die einzige CNG-Tankstelle im Kreisgebiet schließen. Domenico Gruhn ging auf die Barrikaden. "Ich habe damals die Verantwortlichen angeschrieben und mir wurde zugesichert, dass es im Herbst 2022 eine Lösung geben wird. Dies ist, ich habe es nicht geglaubt, auch wirklich eingetreten", berichtet der Oberlausitzer. Seither fahre sein Familienauto weiter mit Erdgas.

In Deutschland gibt es nach Angaben des Verbandes der Automobilindustrie aktuell nur noch einen Hersteller, der CNG-Fahrzeuge produziert. Diese gehen in den Export. Damit seien CNG-Pkw als Neuwagen auf dem deutschen Markt nicht mehr bestellbar. Dennoch sind etliche Erdgas-Autos auf den Straßen unterwegs, wie die Zahlen aus den Zulassungsstellen zeigen.

Aktuell zugelassene CNG-Fahrzeuge in Sachsen
RegionErdgasfahrzeuge*
Dresden393
Leipzig753
Chemnitz153
LK Mittelsachsen219
LK Nordsachsen106 reine Erdgasfahrzeuge
LK Leipzig273
LK Meißen146
LK Sächs. Schweiz-Osterzgebirge172
Erzgebirgskreis130
LK Zwickau230
Vogtlandkreis122
LK Bautzen81 reine Erdgasfahrzeuge
LK Görlitz460
 * Für den LK Nordsachsen und Bautzen sind allein die reinen Erdgasfahrzeuge angegeben. Es muss davon ausgegangen werden, dass dazu noch eine etwas höhere Zahl an kombinierten Erdgas/Benzin-Fahrzeugen unterwegs ist.

Erdgas wird mehr und mehr Bio

Erdgas wurde vor der E-Autowelle als sauberer Kraftstoff angepriesen. Der Kraftstoff, der zum größten Teil aus Methan besteht, verbrennt im Motor wesentlich sauberer als Benzin und Diesel. Weil es aber ein fossiler Rohstoff ist, wurde nach einer klimafreundlichen Alternative gesucht. Inzwischen kann man zunehmend Bio-CNG tanken. Dieser Kraftstoff wird in Biogasanlagen unter anderem aus Stroh oder Futterresten gewonnen.

Bio-CNG wird in Biogasanlagen unter anderem aus Stroh, Gülle oder Futterresten gewonnen. Bildrechte: IMAGO / Joerg Boethling

So hat die Zwickauer Energieversorgung (ZEV) ihre Erdgastankstelle vor zwei Jahren komplett auf Biomethan umgestellt. Auch wenn die Nachfrage im privaten Sektor rückläufig sei, werde die Tankstelle an der Bürgerschachtstraße bleiben, erklärt ZEV-Sprecherin Sophie Beetz. Denn: "Einer der größten Abnehmer der Erdgastankstelle sind derzeit die Städtischen Verkehrsbetriebe Zwickau, da die vollständige Busflotte auf Erdgasbetrieb basiert." Eine stetig hohe Nachfrage bestehe außerdem bei Automobilzulieferern, Milchbetrieben und Unternehmen im Bereich Sozialwesen.

Einer der größten Abnehmer ist die Busflotte der Städtischen Verkehrsbetriebe Zwickau.

Sophie Beetz | Zwickauer Energieversorgung

Den Treibstoff aus Biomasse gibt es auch an den sechs Tankstellen von Totalenergies in Dresden, Leipzig, Glauchau, Grossweitzschen und Riesa. Pläne, diese CNG-Zapfsäulen zu schließen, gebe es nicht, teilt die Unternehmenssprecherin Cornelia Schulze mit. "Im Gegenteil, an unserem Autohof in Leipzig arbeiten wir momentan daran, das Angebot noch attraktiver zu gestalten, indem er zu einem großen, trucktauglichen Bio-CNG-Standort ausgebaut wird."

CNG* CNG steht für Compressed Natural Gas, zu Deutsch: komprimiertes natürliches Gas.
* Es besteht zu 86 Prozent aus Methan und zu 6,7 Prozent aus Ethan, Propan und Butan sowie weiteren 6,5 Prozent reaktionsarmen Gasen.
* Bio-CNG wird aus erneuerbaren Quellen wie Reststroh und Gülle gewonnen.
* Getankt wird CNG in Kilogramm und nicht in Litern.

Im Lkw-Bereich gilt das Fahren mit Gas durchaus als wirtschaftlich attraktive Variante zu Diesel und Co. Beispielsweise hat die DHL Group der Post 2023 angekündigt, eine eigene Tankstelleninfrastruktur für Bio-CNG an ausgewählten Paketzentren aufzubauen. Auch an solchen Trucksäulen könnten im Übrigen Pkw tanken, bemerkt Wöber vom CNG-Club.

Tankfüllung direktvermarktet beim Bauern

Neben der Klimafreundlichkeit sieht Wöber einen weiteren Vorteil: "Bio-CNG ist ein in Deutschland produzierter Kraftstoff, die Wertschöpfungskette bleibt also hier im Land." Es gebe bereits Bauern, bei denen man Tanken fahren könne. Von Sachsen weiß Wöber das nicht. Aber ein Beispiel für eine CNG-Tankstelle direkt beim Erzeuger, an einer Biogasanlage, gebe es in Thüringen - bei der Agra GmbH in Frohndorf.

Bio-CNG wird bei Verbio produziert und kann am Tankstellenautomaten in Zörbig getankt werden. Bildrechte: Verbio

Des Weiteren betreibt die Verbio Bioraffinerie, deren Verwaltung in Leipzig sitzt, in Zörbig in Sachsen-Anhalt so eine direktvermarktete Zapfstelle. Und vielleicht spezialisiert sich ja auch der ein oder andere Bauer in Sachsen in Zukunft darauf.

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MDR