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ChipindustrieWirtschaftsminister Dulig weist Kritik an Milliarden-Förderung für Chipfabriken zurück

22. Februar 2023, 18:30 Uhr

Die geplanten neuen Halbleiterwerke von Infineon in Dresden und von Intel in Magdeburg kosten die Steuerzahler Milliarden an Fördergelder. Diese Förderpolitik hat Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) gegen Kritik verteidigt. Laut Dulig haben sich frühere Subventionen durch Steuereinnahmen ausgezahlt. Zudem gäbe es sicherheitspolitische Argumente vor dem Hintergrund des russischen Angriffs auf die Ukraine. Wirtschaftsforscher hatten die Subventionen für ostdeutsche Chipwerke als unnötig und überhöht kritisiert.

Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) hat Kritik an Subventionen für die Mikrochip-Industrie als "absurd" zurückgewiesen. Dulig sagte dem MDR, man habe gelernt, was es bedeute, bei wichtigen Ressourcen von anderen Ländern abhängig zu sein. Deshalb stellten Förderungen für die Halbleiterindustrie auch eine "knallharte ökonomische Entscheidung" dar. Der Angriff Russlands auf die Ukraine zeige zudem, dass es auch eine sicherheitspolitische Frage sei, wo die Chips für Militärtechnik produziert werden.

Dulig: Subventionen fließen als Steuereinnahmen wieder zurück

Frühere Subventionen hätten sich zudem durch Steuereinnahmen längst ausgezahlt, so Dulig. Die Steuereinnahmen seien "deutlich höher" als die geflossenen Subventionen. Auch sei die Chipbranche ein "wesentlicher Treiber für die Digitalisierung und Modernisierung unserer Wirtschaft". Der Wirtschaftsminister betonte zudem, dass Sachsen bei der Förderung beihilferechtliche Grenzen gesetzt sind.

70.000 Mitarbeiter in Halbleiterindustrie in Sachsen

In Dresden produzieren bisher Globalfoundries, Infineon und Bosch Chips für die Halbleiterindustrie. Entlang der Wertschöpfungskette sind laut dem Branchenverband Silicon Saxony etwa 2.500 sächsische Unternehmen mit insgesamt 70.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aktiv. Unter anderem entwickeln, fertigen und vermarkten sie integrierte Schaltkreise oder dienen der Chipindustrie als Material- und Equipmentlieferanten.

Dulig hat mit seinem Statement auf die Kritik des Präsidenten des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung (IWH) in Halle (Saale), Reint Gropp, reagiert. Gropp hatte hohe Fördergelder wie etwa für die neue Infineon-Fabrik in Dresden und die geplante Ansiedlung des US-Chipherstellers Intel in Magdeburg als falsch bezeichnet. "Warum sollte man so profitablen Unternehmen noch Geld geben? Es dürfen keine Geschenke verteilt werden", sagte Gropp der "Süddeutschen Zeitung".

Wenn wir abhängig sind von Lieferketten, wo wir notwendige Ressourcen dann nicht mehr zur Verfügung haben, dann ist es eben nicht nur eine politische, sondern eine knallharte ökonomische Entscheidung.

Martin Dulig (SPD) | Sächsischer Wirtschaftsminister

Wirtschaftsforscher befürchtet Überkapazitäten bei Chips

Laut Gropp sei unklar, ob es künftig wieder große Engpässe bei Halbleitern geben werde. Darum dürften mithilfe öffentlicher Gelder keine "Kapazitäten aufgebaut werden, die wir vielleicht gar nicht brauchen." Laut IWH-Chef werden beispielsweise im geplanten Intel-Werk in Magdeburg "auch künftig keine wichtigen Entscheidungen fallen oder bedeutende Aktivitäten für Forschung und Entwicklung angesiedelt". Das habe sich schon "bei den großen Investitionen von BMW und Porsche in Werke in Sachsen" gezeigt. Gropp forderte, der Staat solle stattdessen mehr in Forschung und Entwicklung investieren.

Warum sollte man so profitablen Unternehmen noch Geld geben? Es dürfen keine Geschenke verteilt werden.

Reint Gropp | Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung

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Intel fordert drei Milliarden Euro mehr für Werk in Magdeburg

Im März 2022 hatte Intel bekanntgegeben, dass in Magdeburg ab 2027 Chips der neuesten Generation produziert werden sollen. 17 Milliarden Euro soll das Investment kosten. Aus der Bundesregierung hatte es zuletzt geheißen, Intel fordere für die Ansiedlung statt der zugesagten 6,8 Milliarden Euro nun zehn Milliarden Euro. Der Chipkonzern Infineon will im Herbst 2023 mit dem Bau eines fünf Milliarden Euro teuren Werks in Dresden beginnen. Es sollen rund 1.000 Arbeitsplätze entstehen. Infineon strebt eine Förderung von rund einer Milliarde Euro an.

Eine Computergrafik zeigt die in Magdeburg geplante Chipfabrik des US-Konzerns Intel. Bildrechte: picture alliance/dpa/Intel Corporation

Welche Subventionen sind in Sachsen für Technologie geflossen?Sachsen hat in den vergangenen Jahren rund 600 Millionen Euro für Technologieförderung ausgegeben. Allein das Unternehmen Globalfoundries bekam seit 2007 mehr als 100 Millionen Zuschüsse aus Fördertöpfen. Darunter waren 28,9 Millionen Euro aus dem Programm "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (GRW). Weitere 100 Millionen Euro flossen im Rahmen der EFRE-Technologieförderung und der KETs-Pilotlinienförderung. Weiterhin unterstützte der Freistaat Sachsen das Unternehmen bei Forschungs- und Entwicklungsprojekten im Rahmen des Important Projects of Common European Interest (IPCEI) Mikroelektronik mit Zuschüssen über rund 50 Millionen Euro und im Rahmen der ECSEL (Electronic Components and Systems for European Leadership)-Förderung mit zwei Millionen Euro.

Quelle: Sächsisches Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr

Subventionen: Globalfoundries verlagert Arbeitsplätze nach Portugal

Nicht immer geht die Subventionspolitik für Chipfabriken in Sachsen voll auf. Globalfoundries will einen Teil seines mit einer dreistelligen Millionensumme geförderten Dresdner Werks nach Portugal verlagern. In Porto übernehme der Elektronikhersteller Amkor Technology einen Teil der Produktion, teilten die beiden Unternehmen mit. Der Auftragshersteller von Halbleitern gehörte früher dem US-Hersteller AMD und aktuell einem Staatsfonds in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Im Gespräch mit MDR AKTUELL bezeichnete Dulig diese Pläne als "relativ unproblematisch". Laut Dulig ist Dresden bei Halbleitern "der führende Standort in ganz Europa", der weitere Ansiedlungsanfragen bekommen habe.

Vor der Grundsteinlegung für die Chipfabrik Fab38 im Jahr 2006 in Dresden (u.a. mit dem früheren sächsischen SPD-Wirtschaftsminister Thomas Jurk und Ex-Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU), v.li.) hatte die EU-Kommission für die zweite 2,4 Milliarden Euro teure Dresdner AMD-Fabrik nach einem Bericht des "Spiegel" 500 Millionen Euro an Beihilfen genehmigt. Bildrechte: IMAGO / momentphoto/Bonss

MDR (wim/sth)/dpa

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Nachrichten | 21. Februar 2023 | 06:00 Uhr