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Wenn getrennte Eltern das Besuchsrecht zum Kind nicht geregelt bekommen, können Umgangsbegleiter eine Hilfe sein. (Symbolbild) Bildrechte: imago images/Ulianna19970

UmgangsbegleitungGezerre ums Besuchsrecht: Wenn Eltern den Kontakt zum Kind nicht selbst regeln

20. August 2023, 10:00 Uhr

Die klassische Kleinfamilie mit Vater, Mutter und Kindern scheint ausgedient zu haben. Paare trennen sich schneller. Gleichzeitig häufen sich die Konflikte rund um den Kontakt der Kinder zu den leiblichen Elternteilen. Hier sollen staatlichen Helfer kitten, was Vater und Mutter nicht gemeinsam geregelt bekommen.

Ein Kind soll Kontakt zu beiden leiblichen Eltern haben. So steht es im Bürgerlichen Gesetzbuch. Doch was ist, wenn sich die Eltern getrennt haben und schlimm streiten? Dann können sie in eine Umgangsbegleitung einwilligen. Diese Person, die vom Jugendamt oder vom Familiengericht bestellt wird, soll die gestörten Eltern-Kind-Kontakte wieder kitten.

Zwei Mütter berichten

"Mit einer Umgangsbegleitung kann man Glück oder Pech haben", denkt Sandra Schmidt, eine betroffene Mutter*, zurück. Zweimal hatte es Umgangsbegleitungen zur Tochter gegeben, um die Besuchsrechte des Vaters zu verwirklichen. Schmidt kritisiert, dass auch Anwälte diese Aufgabe übernehmen: "Die sind zu sehr in Gerichtsverfahren involviert und gehen nicht auf das Kind ein."

Anwälte sollten keine Umgangsbegleitung machen. Sie sind zu sehr in Gerichtsverfahren involviert und gehen nicht auf das Kind ein.

Mutter | hatte einer Umgangsbegleitung zugestimmt

Sozialarbeiter handelten hingegen eher zum Wohle des Kindes. Man müsse Glück haben, einen zu erwischen, so die Mutter. In diesem Beispiel konnte die Umgangsbegleitung letztlich nichts normalisieren. Die leiblichen Eltern befinden sich in einem scharfen Rechtsstreit um das Kind.

Ich habe mein Kind seit Januar nicht mehr gesehen.

Mutter | wünscht sich eine Umgangsbegleitung

Acht Jahre dauerte der Rechtsstreit von Manuela Krause* mit ihrem Ex. Ende des Jahres 2022 ging das Sorgerecht für den mittlerweile 14 Jahre alten Sohn auf den Vater über. Für die Mutter wurde gerichtlich einmal im Monat Umgang vereinbart. "Ich habe mein Kind seit Januar nicht mehr gesehen." Auch schriftlich oder telefonisch gebe es keinen Kontakt.

"Ich weiß nicht, ob es meinem Sohn gut geht", sagt die Mutter mit brüchiger Stimme. Sie würde gern einen begleiteten Umgang haben, um ihr Kind endlich zu sehen. Doch Unterstützung vom Dresdner Jugendamt erfuhr sie nicht. Ihr Vorwurf: "Es herrscht Funkstille." Umgangsbegleitung sei ihr nicht angeboten worden.

Jahrelange Rechtsstreitigkeiten sind Gift für Eltern und Kind. Dennoch gehen viele getrennte Paare den Weg übers Familiengericht. (Symbolbild) Bildrechte: imago images/Panthermedia

Blick in die Black Box

Dabei ist die Aufgabe der Jugendämter definiert: "Das Jugendamt hat in seinem Wirken die Eltern zu unterstützen, kindeswohldienliche Modelle zu besprechen, die den Kinder die Chance geben, beide Elternteile wahrzunehmen und gesund aufzuwachsen", erklärt das Jugendamt des Landkreises Nordsachsen.

Doch ist begleiteter Umgang ein probates Mittel? Und wie oft wird es bei sächsischen Familien eingesetzt? Da es gesetzlich nicht verlangt wird, gibt es zu dieser sensiblen Thematik keine einheitliche Statistik, haben Recherchen von MDR SACHSEN ergeben. Individuelle Übersichten der Behörden gleichen einer Black Box.

Das sagen die Großstädte

So führte das Dresdner Jugendamt im vergangenen Jahr 65 Beratungen zu begleiteten Umgängen durch. Statistische Auswertungen zur Altersstruktur der betroffenen Kinder würden nicht erfasst. Im Jahr 2022 gab es in Leipzig 135 Beratungen dazu, 2021 waren es 132. Dabei ging es in den Beratungen vor allem um Besuchsrechte zu Kindern im Alter von drei bis fünf Jahren. Sie machten mit mehr als einem Drittel den größten Anteil aus. Leider lasse sich nicht herauslösen, was eine Beratung zum Umgangsrecht oder ein tatsächlicher begleiteter Umgang war, sagte eine Sprecherin der Stadt Leipzig.

In der Stadt Chemnitz fanden im Jahr 2022 34 begleitete Umgänge statt, in denen ein Betreuer vom Jugendamt gestellt wurde. Im Vorjahr waren es 26. "Dies wird wahrscheinlich nur ein Bruchteil der begleiteten Umgänge in Chemnitz sein, weil in den meisten Fällen das Familiengericht diese Angelegenheit regelt und von dort eine Umgangsbegleitung beauflagt wird", heißt es aus der Stadtverwaltung.

Die meisten Beratungen im Leipziger Jugendamt drehen sich um Besuchsrechte zu Kindern zwischen drei und fünf Jahren. (Symbolbild) Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Zahlen aus den Landkreisen

Konkreter können sich einige Landkreise äußern. Zum Beispiel gab es im Jahr 2022 im Landkreis Bautzen und im Vogtlandkreis jeweils 18 begleitete Umgänge. 19 waren es im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Für 20 Elternpaare war im Landkreis Zwickau im vergangenen Jahr begleiteter Umgang gerichtlich angeordnet worden - mit je unterschiedlicher Anzahl und Dauer. 30 Kinder waren davon betroffen.

Begleiteter Umgang*Der begleitete Umgang wird auch als Umgangsrecht oder Besuchsrecht bezeichnet und ist im Sozialgesetzbuch VIII § 18 "Beratung und Unterstützung bei der Ausübung der Personensorge und des Umgangsrechts" geregelt.

*Es handelt sich um eine Leistung der kommunalen Kinder- und Jugendhilfe, bei der eine dritte Person helfen soll, die Eltern-Kind-Kontakte zu normalisieren.

*Bei der Herstellung von Umgangskontakten und bei der Ausführung gerichtlicher oder privat vereinbarter Umgangsregelungen soll vermittelt und in geeigneten Fällen Hilfestellung geleistet werden.

Vermutung der Ämter: Begleitete Umgänge haben zugenommen

Keine Zahlen haben Nord- und Mittelsachsen, der Landkreis Görlitz, Leipzig sowie der Erzgebirgskreis vorliegen. "Schätzungsweise hat sich die Zahl der begleiteten Umgänge in den letzten Jahren erhöht, urteilte das Jugendamt Nordsachsen. In Mittelsachsen werden begleitete Umgänge hauptsächlich von Erziehungsberatungsstellen durchgeführt. Auch hier wurde mitgeteilt, dass die Anzahl weiter gestiegen ist, so Kreissprecherin Peggy Hähnel.

Der Landkreis Meißen hat wieder mehr Überblick über seine Fälle. Hier liegt die Zahl begleiteter Umgänge seit 2019 jährlich zwischen 40 und 50. Im vergangenen Jahr gab es bei 44 getrennt lebenden Eltern einen begleiteten Umgang für die Kinder. Diesen empfiehlt das Meißner Jugendamt vor allem bei folgenden Problemen: Loyalitätskonflikte des Kindes, Konfliktpotential zwischen den Eltern, Entfremdung des Elternteils und bei Verdacht auf häusliche oder psychische Gewalt.

Auch bei Verdacht auf Gewalt gegenüber dem eigenen Kind können Umgangsbegleiter eingesetzt werden. (Symbolbild) Bildrechte: IMAGO / Petra Schneider

Kein Feedback über Erfolge

Begleitete Umgänge sind als eine Art Kontaktanschub kurzzeitig angelegt. Ziel soll sein, dass die Eltern trotz persönlicher Differenzen die Besuchstermine wieder selbst hinbekommen. So beschreibt es die Psychologin Marie-Luise Heidrich, die im Landkreis Meißen als Umgangsbegleiterin eingesetzt wird. "So in einem viertel bis zum halben Jahr sollte sich schon etwas tun", sagt sie. Eine längere Begleitung sei nicht mehr gewinnbringend.

Die positiven Fälle bekomme ich meistens nicht mit.

Marie-Luise Heidrich | Umgangsbegleiterin

Manchmal komme es vor, dass Heidrich mehrfach bei Familien eingesetzt wird, weil sie die Besuchsregeln allein nicht hinkriegen. Sie habe auch öfter Fälle, bei denen sich junge Eltern gerade erst getrennt haben und sich um Kleinkinder und Babys streiten. Das sei in den vergangenen Jahren mehr geworden. "Die positiven Fälle bekomme ich meistens nicht mit, weil ich vom Gericht keine Rückmeldung bekomme, wie das Ganze weitergegangen ist."

Selbsthilfegruppe für Eltern

In Dresden gibt es seit vielen Jahren die Selbsthilfegruppe "Eltern für Kinder". Einmal im Monat treffen sich Eltern, die von ihren Kindern getrennt sind. Ihr Erfahrungsaustausch ist breit gefasst und es geht um verschiedene Erziehungsmodelle bis hin zu Unterhalts- und Sorgerechtsthemen, erklärt der Leiter der Selbsthilfegruppe, Marco Lingelbach.

Gerichtlich erwirkte Umgangsvereinbarungen lassen sich in der Praxis schlecht umsetzen.

Marco Lingelbach | Leiter der Selbsthilfegruppe "Eltern für Kinder"

Viele Eltern, die Kontakt zu ihrem Kind wollen, hätten Umgangsvereinbarungen gerichtlich erwirkt, erlebt Lingelbach. "Aber sie sind in der Praxis schlecht umzusetzen." Lingelbach befürwortet das Wechselmodell, bei dem sich beide Eltern zu gleichen Teilen abwechselnd um ihr Kind kümmern. "Die beste Lösung wäre, wenn das Wechselmodell ins Grundgesetz kommt."

*Die Namen wurden zum Schutz der Personen geändert und sind der Redaktion bekannt.

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 20. August 2023 | 10:00 Uhr