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Am Feuer und mit viel guter Laune genießen diese drei Frauen ihr Heißgetränk auf einem regionalen Weihnachtsmarkt in der Lausitz (Archivfoto). Bildrechte: picture alliance/dpa | Frank Hammerschmidt

SaisongetränkeHeiß, süß, umdrehungsfrei: Der Trend zu alkoholfreien Glühweinen in Sachsen

09. Dezember 2023, 09:00 Uhr

Rund 50 Millionen Liter Glühwein gehen in Deutschland jedes Jahr über die Tresen. Wie viele davon auf Weihnachtsmärkten ausgeschenkt werden, lässt sich nicht beziffern. Die Händler schweigen - mit Verweis aufs Steuergeheimis. Die Vielfalt steigt. Es gibt Glühwein in Rot, Weiß und neuerdings auch als Rosé. Und alkoholfreie Alternativen sind öfter zu haben, so der subjektive Eindruck der Onlineredaktion von MDR SACHSEN. Ist das wirklich so? Kathrin König hat Marktleiter und Hersteller gefragt.

"Ja, es gibt insgesamt betrachtet mehr alkoholfreien Glühwein an den Ständen, als in den letzten Jahren. Es scheint da eine neue Begehrlichkeit zu geben", sagte der Geschäftsführer der Förder- und Verwaltungsgesellschaft für Wirtschaft, Kultur und Sport Riesa, John Jaeschke. Er ist für die Klosterweihnacht verantwortlich und sagte MDR SACHSEN: "Die Händler sehen einen Verkaufsanteil von 20 bis 25 Prozent beim alkoholfreien Glühwein. Nach Einschätzung von einigen Händlern, die ich auch teile, lässt sich das mit einem teils veränderten Bewusstsein für maßvollen Konsum begründen." In Riesa sei heißer Holunder sehr beliebt. Bei den Glühweinen mit Alkohol seien weiße und Rosé-Glühweine stark im Kommen. Immer beliebter werde auch Glüh-Gin.

Die Händler selbst sehen einen Verkaufsanteil von 20 bis 25 Prozent beim alkoholfreien Glühwein.

John Jaeschke | für die Klosterweihnacht in Riesa verantwortlich

Die Obstkelterei Kurt Heide in Siebenlehn stimmt den Beobachtungen in Riesa zu. Der Familienbetrieb stellt in vierter Generation Fruchtsäfte und Glühweine her, füllt tausende Liter nur für Weihnachtsmarkthändler ab und beliefert nach Aussage von Verkaufsleiterin Kathrin Walcha "Weihnachtsmärkte von Oberwiesenthal bis Rostock" und auch in die Schweiz. In Skigebieten bestückt der Hersteller eigene Glüh-Bars. "Ja, das ist keine Einbildung. Die Leute trinken häufiger alkoholfreien Glühwein, aber der alkoholische Glühwein überwiegt noch immer." Sie schätzt den Verkauf von alkoholfreiem Glühwein gegenüber herkömmlichem Glühwein auf den Märkten bei 20 zu 80 Prozent.

Was der Trend mit Corona zu tun hat

Der Zuspruch zum Promille-freien Glühwein hat aus Walchas Sicht mehrere Gründe. Erster Grund: Die Corona-Beschränkungen in den Vorjahren. Wegen der hohen Infektionszahlen im Freistaat und damit die Menschen Abstand halten und sich nicht beim öffentlichen Feiern versammeln, war der Alkoholausschank untersagt worden. Die Händler griffen zu alkoholfreien Heißgetränken als Alternative. "Viele unserer Kunden waren erst skeptisch, doch dann reagierten sie begeistert. Mancher hat den Unterschied gar nicht bemerkt", erinnert sich Kathrin Walcha an Gespräche mit Markthändlern.

Einen weiteren Grund sieht die Verkaufsleiterin im gestiegenen Verantwortungsbewusstsein der Menschen. In den Skigebieten beispielsweise würden viele bewusst auf Alkohol verzichten. "Ich selbst bestelle auch lieber alkoholfreie Getränke an der Piste. Es passieren schon genug Unfälle."

"Mit Schuss" kommt aus der Mode

Auch beim Alkohol im Glühwein hat der Hersteller Veränderungen festgestellt. "Der Schuss ist extrem zurückgegangen. Ich habe unsere Händler auf dem Striezelmarkt in Dresden befragt. Sie haben früher pro Verkaufstag zwei Flaschen Amaretto benötigt. Jetzt verbrauchen sie eine halbe Flasche in zwei Tagen." Das könnte am höheren Preis liegen, mutmaßt Walcha. Es könnte aber auch mit der gestiegenen Qualität des Glühweins an sich zu tun haben und dass die Kunden den Wein in den Tassen schmecken. "Der Schuss ist nur wegen des billigen Weins im Glühwein dazugekommen. Das hat doch früher nur mit Schuss geschmeckt", erinnert sich Kathrin Walcha. Aber wenn Qualitätsweine verwendet würden, brauche es keinen extra Amaretto.

Jetzt merken die Leute, es geht um Wein. Es geht nicht nur ums Glühen, sondern eben um den Wein.

Walter Ebert | Amtsleiter des Marktamts Leipzig

Ob da auch ein "Schuss" im roten Bio-Glühwein war, den die belgische Königin Mathilde und ihr Gemahl Philippe am Donnerstag auf dem Neumarkt in Dresden getrunken haben? Bildrechte: picture alliance/dpa | Robert Michael

Die Heide-Glühweine haben nach Firmenangaben konstant 9,5 Promille Alkohol. Kathrin Walcha dazu: "Wenn ich da noch einen Schnaps reingebe, kann ich als Autofahrerin ja nur einen auf dem Markt trinken." Die alkoholfreien Glühweine sind Rotfruchtsäfte mit Gewürzmischungen. "Also wirklich frei von Alkohol", betonte Kathrin Walcha. Nur Kinderpunsch steht auf den umdrehungsfreien Glühweinen aus der Kelterei Heide nicht drauf. "Das schreiben wir nicht mehr dran. Männliche Kunden wollen das nicht. Die finden es komisch, für sich einen Kinderpunsch zu bestellen."

Glühwein ist Glühwein? Von wegen. Das sagt das Gesetz (zum Aufklappen)

  • Laut EU-Verordnung (Nr. 251/2014) ist Glühwein ein aromatisiertes weinhaltiges Getränk, das nur aus Rot- oder Weißwein gewonnen wird. Gewürzt darf er hauptsächlich mit Zimt und/oder Gewürznelken werden und soll mindestens 7 Promille, maximal 14,5 Promille haben. Wasser und Alkohol darf ncht dazugegeben werden, auch nicht in Form von Spirituosen.
  • Glühwein aus Weißwein muss so benannt werden, seit zwei Jahren ist auch Rosé in Deutschland erlaubt. Das muss eindeutig benannt werden.
  • Winzerglühwein: Der Begriff ist nur erlaubt, wenn der verwendete Weinanteil aus Trauben stammt, die von Rebflächen des kennzeichnenden Betriebes stammen und die Weinbereitung oder Herstellung des Glühweins vollständig im kennzeichnenden Betrieb erfolgt ist. Das schließt die Verwendung von zugekauften Erzeugnissen aus.
  • Fruchtglühwein ist ein Heißgetränk aus Fruchtwein und muss auch so benannt werden - auch mit Ergänzung der Fruchtart z. B. "Heidelbeerglühwein", "Kirschglühwein".
  • alkoholfreie Varianten wie "alkoholfreier Glühwein", "Autofahrerglühwein“ oder "Kinderglühwein" für Heißgetränke auf Basis von gesüßtem und gewürztem Fruchtsaft sind unzulässig. Solche Produkte können als "alkoholfreier Glühpunsch" o. ä. bezeichnet werden.
  • Jägertee oder Jagertee: Gemäß EU-Spirituosenverordnung VO (EU) 2019/787 i. V. handelt es sich dabei um eine geschützte geografische Angabe für einen ausschließlich in Österreich hergestellten Likör.
  • Hüttentee ist eine geschützte geografische Angabe für einen deutschen Likör. Eine Eigenherstellung ist nur in Deutschland möglich.
  • Glögi ist ein Wintergetränk aus Beerensäften und weihnachtlichen Gewürzen aus Finnland. Der Alkoholgehalt stammt von Spirituosen wie Rum, Wodka oder Klarem.
  • Glögg (das Verb glödga heißt glühen): In Schweden und Nachbarländern das Gegenstück zum deutschen Glühwein. Besteht auch aus Weiß- oder Rotwein, ist aber zuckerhaltiger. Um noch mehr zu glühen, geben die Schweden gerne einen Schuss Schnaps hinzu.


Quellen: Veterinäruntersuchungsämter Baden-Württemberg, Deutsche Botschaft Stockholm

Wackerbarth: Nachfrage nach Alkoholfrei steigt konstant

Zwischen Erzgebirge und Ostsee schenkt auch das Sächsische Staatsweingut Schloss Wackerbarth auf 24 Weihnachtsmärkten weißen Glühwein und Punsch aus Apfel-, Trauben- und Orangensaft und Gewürzen aus. "Die Nachfrage nach alkoholfreiem Genuss auf Weihnachtsmärkten ist in den letzten Jahren konstant gestiegen. Während 2013 noch etwa jeder elfte Gast einen alkoholfreien 'Glühwürmchen'-Punsch bestellte, war es im vergangenen Jahr bereits jeder sechste", sagte Wackerbarth-Sprecher Martin Junge auf MDR SACHSEN-Anfrage.

Ob in Rot, Weiß, als Rosé oder mit Fruchtsaft: Das Heißgetränk muss weihnachtlich gewürzt schmecken, süß sein und wärmen helfen. Bildrechte: picture alliance/dpa | Philipp von Ditfurth

Auch Junge beobachtet einen Trend "hin zu hochwertigen, regionalen Produkten und in der kalten Jahreszeit auch zu Winzerglühweinen". Immer mehr Genießerinnen und Genießer würden nach manufakturell hergestellten Genussmitteln suchen und auch auf die Herkunft achten. Das bestätigte auch der Hauptgeschäftsführer des Hotel- Gaststättenverbandes in Sachsen (Dehoga), Axel Klein.

Die Vielfalt beim Glühwein wächst: weiß, rot, rosé. Und es wird auf Qualität geachtet.

Axel Klein | Hauptgeschäftsführer der Dehoga Sachsen

Glühwein mit Alkohol überwiegt auf Leipziger Weihnachtsmarkt

Wenn Qualitätswein ausgeschenkt wird, merken das die Leute, ist sich der Amtsleiter des Marktamtes der Stadt Leipzig, Walter Ebert sicher. Nachdem weißer Glühwein in Leipzig 2017 und 2018 noch als exotisch galt, werde der Weiße immer häufiger ausgeschenkt; seit vorigem Jahr auch immer mehr Rosé-Glühwein. "Jetzt merken die Leute, es geht um Wein. Es geht nicht nur ums Glühen, sondern eben um den Wein."

Insgesamt werde auf dem Leipziger Weihnachtsmarkt jedoch noch sehr viel mehr alkoholischer Glühwein verkauft als alkoholfreier. "Aber es bieten viele Händler ordentliche alkoholfreie Alternativen an. Das Bemühen um die Vielfalt mit hochwertigen Säften ist groß", urteilte Ebert. Wie viele Tassen alkoholfreier Glühwein genau in Leipzig konsumiert werden, kann er nicht sagen - den Umsatz verraten ihm die Händler in der Innenstadt nicht. Nur so viel erfuhr Ebert: "Der Umsatz beim Glühwein wird in diesem Jahr mindestens so hoch ausfallen wie 2022." Na, dann Prost!

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MDR (kk)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Weihnachtstelegramm | 03. Dezember 2023 | 16:20 Uhr