AsylpolitikStreit um stationäre Grenzkontrollen - Sachsen hält an Forderung fest
Sachsen und Brandenburg fordern seit Monaten stationäre Grenzkontrollen zu Polen, um die illegale Migration zu bekämpfen. Sachsens Innenminister Armin Schuster warnt vor einem erneuten Anstieg Asylsuchender ab September. Doch können stationäre Kontrollen Migration tatsächlich verhindern? Nein, meint auch die Gewerkschaft der Polizei bei einem gemeinsamen Arbeitstreffen.
- Der Streit um stationäre Grenzkontrollen in Sachsen hält an, derzeit deutet sich aber keine Lösung an.
- Die Gewerkschaft der Polizei hält Grenzkontrollen nicht für sinnvoll.
- Auch der Sächsische Flüchtlingsrat bezweifelt, dass die Zahl der Einreisenden durch Grenzkontrollen zurückgehen würde.
Der Ruf nach stationären Grenzkontrollen – seit Monaten ist er vehement und laut zu hören von Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU). Bei einem gemeinsamen Arbeitstreffen mit seinem brandenburgischen Amtskollegen Michael Stübgen (CDU) und der Gewerkschaft der Polizei warnte Schuster erneut vor einer "schwierigen Lage an der Grenze" vor allem zu Polen. Ab September stünden die zugangsstärksten Monate und damit deutlich mehr illegale Grenzübertritte bevor.
Ich denke, dass wir mit unserer gemeinsamen Fahndungsarbeit - Bundespolizei, Zoll, sächsische Polizei im Hinterland - sehr viel Fahndungsdruck erzeugen. Das muss man jetzt ergänzen ab September durch Kontrollen auf der Grenzlinie.
Armin Schuster (CDU) | Innenminister Sachsen
Bundespolizei zuständig für stationäre Grenzkontrollen
Zuständig wäre dafür die Bundespolizei. Zudem müsste sich Deutschland diesen Schritt erst von der EU in Brüssel genehmigen lassen – ein Verfahren, das rund einen Monat in Anspruch nehmen könnte. Um handlungsfähig zu bleiben, müsse Bundesinnenministerin Nancy Faeser von der SPD jetzt die Notifizierung beantragen, so Schuster. Doch bisher lehnt die Bundesregierung stationäre Grenzkontrollen sowohl zu Tschechien als auch zu Polen ab.
GdP lehnt stationäre Grenzkontrollen ab
Skeptisch zeigt sich auch die Gewerkschaft der Polizei in Sachsen. Die Behauptung, mit stationären Grenzkontrollen illegale Migration zu verhindern, sei irreführend. Denn Geflüchtete, die unerlaubt einreisen und erstmals innerhalb der EU in Sachsen oder Brandenburg einen Asylantrag stellen, dürften gar nicht abgewiesen werden.
Also wir haben einen deutlichen Ansatz hier gewählt. Dass erstens der, der Hilfe braucht auch Hilfe bekommen soll und das gilt auch für Deutschland. Dafür sind wir auch in der Genfer Konvention. Dafür gibt es auch Schengenvereinbahrungen.
Jan Krumlovsky | Gewerkschaft der Polizei Sachsen
Wenn bisher nicht registrierte Geflüchtete an der Grenze stünden, würde sie entsprechend des vorgegeben Asylverfahrens behandelt. Verhindern ließe sich die Einreise aber nicht, so Jan Krumlovsky.
Flüchtlingsrat: Stationäre Kontrollen ohne Effekt
Sachsen und Brandenburg sehen die stationären Grenzkontrollen in Bayern als Vorbild. Dort wurden vergangenes Jahr von rund 29.000 unerlaubt Eingereisten etwa 15.000 zurückgewiesen. Ganz anders in Sachsen: Von knapp 21.000 unerlaubt Eingereisten durften nur 168 Personen von der Bundespolizei zurückgewiesen werden. Das entspricht weniger als einem Prozent.
Ein wesentlicher Grund dafür sei, dass zahlreiche Asylsuchende, die über Italien und Österreich kämen, bereits registriert seien, so Dave Schmidtke vom sächsischen Flüchtlingsrat. Die Bundespolizei könne diese Menschen zurückweisen. Anders sei das bei jenen, die über Belarus nach Polen und Tschechien kommen. Vielfach seien diese Personen noch nicht registriert. Dementsprechend habe die Bundespolizei keine Handhabe diese Menschen zurückzuweisen.
Solang das Land Polen die Asylsuchenden nicht ordnungsgemäß registriert, sondern eher daran interessiert ist, dass diese sich weiter nach Westen, in dem Fall Richtung Sachsen bewegen, hat eine stationäre Grenzkontrolle überhaupt keinen Effekt.
Dave Schmidtke | Sächsischer Flüchtlingsrat
Der Flüchtlingsrat hält auch die Darstellung einer Überlastung Sachsens oder Deutschlands für übertrieben. Gemessen an der Einwohnerzahl sei die Zahl der Erstanträge oberes Mittelfeld in der EU. Tatsächlich kamen 2022 in Zypern auf 100.000 Einwohner rund 2.431 Asyl-Erstanträge. In Österreich waren es 1.241. Während in Deutschland nur 291 Erstanträge pro 100.000 Einwohner gestellt wurden.
Zu wenig Personal und Geld für die Polizei
Als "moderat" bezeichnet zudem SPD-Innenpolitiker Albrecht Pallas die Einreisezahlen in Sachsen in den letzten Monaten. Stationäre Grenzkontrollen hält auch er für wenig zielführend. Für diesen Fall brauche es mehrere Dienstgruppen, die rund um die Uhr kontrollierten sowie Verwaltungspersonal für die weitere Bearbeitung der Fälle – Ressourcen, die es nicht gebe.
Die Bundespolizei ist doch jetzt schon an der Belastungsgrenze. Nicht ohne Grund werden jetzt bei den lockeren Kontrollen im grenznahen Bereich weitere Kräfte aus anderen Bundesländern angefordert und kommen auch nach Sachsen, um zu unterstützen.
Albrecht Pallas (SPD) | Innenpolitischer Sprecher
Auf die angespannte Personalsituation und fehlende finanzielle Mittel verwies bei dem Treffen auch der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Jochen Kopelke. Er forderte eine bessere Ausstattung der Polizei in den Grenzregionen.
Innenminister und GdP wollen Schleuserkriminalität bekämpfen
Statt stationärer Grenzkontrollen brauche es aber flexible Kontrollen an wechselnden Schwerpunkten. Dazu müsse die gesamte Grenze zu Polen und Tschechien bei der EU notifiziert werden.
Die Polizei darf keine Kriegsflüchtlinge aufhalten, aber muss die kriminellen Schleuser jagen und dingfest machen.
Jochen Kopelke | Bundesvorsitzender Gewerkschaft der Polizei
Die Bekämpfung der Schleuserkriminalität ist für Sachsens Innenminister hingegen ein weiteres Argument für stationäre Grenzkontrollen. Die lauten Rufe danach werden so wohl weiterhin nicht nachlassen, nicht zuletzt weil man sich vor allem politische Signale erhofft.
MDR (jus)