EinwanderungThüringer CDU will Abschiebezentren für Asylbewerber mit geringen Bleibeaussichten
Die Thüringer CDU will im Freistaat landeseigene Abschiebezentren für Asylbewerber mit geringen Bleibeaussichten einrichten. Einen Gesetzentwurf dazu will die Union noch in dieser Woche im Landtag einbringen. Der Entwurf könnte gegen den Willen der rot-rot-grünen Minderheitsregierung beschlossen werden.
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Migrantinnen und Migranten mit geringer Bleibeperspektive sollen nach Vorstellungen der Thüringer CDU-Fraktion nicht mehr auf die Kommunen verteilt werden. Stattdessen sollen solche Asylbewerber in landeseigenen Abschiebezentren untergebracht werden.
Das sieht ein Gesetzentwurf zur Migrationspolitik vor, den die Christdemokraten am Montag in Erfurt vorgestellt haben. "Wir wollen die grundlegende Wende in der Migrationspolitik", sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Thüringer CDU-Fraktion, Andreas Bühl.
Wir wollen die grundlegende Wende in der Migrationspolitik.
Andreas Bühl | Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU im Thüringer Landtag
Betroffen: Geflüchtete aus sicheren Herkunftsstaaten
Dem Entwurf zufolge sollen Männer, Frauen und Kinder etwa aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten gar nicht erst auf die Kommunen verteilt werden. Stattdessen sollen sie nach ihrer Registrierung direkt in solchen "Thüringer Zentren für Aufnahme und Rückführung" untergebracht werden, bis ihr jeweiliges Asylverfahren abgeschlossen ist. Bis zu zwei Jahre sollen sie dort bleiben können, so Bühl.
Abschiebe-Unterkünfte nach bayerischem Vorbild
Vorbild sind Bühl zufolge sogenannte Ankerzentren in Bayern. Die Erstaufnahmestelle Suhl und die Kommunen sollen künftig nur noch für Geflüchtete mit guten Bleibechancen oder anerkannte Asylbewerber zuständig sein.
Sichere HerkunftstaatenAls sicheren Herkunftsstaat definiert das Gesetz Länder, bei [denen aufgrund des demokratischen Systems] und der allgemeinen politischen Lage davon ausgegangen werden kann, dass dort generell keine staatliche Verfolgung zu befürchten ist und dass der jeweilige Staat grundsätzlich vor nichtstaatlicher Verfolgung schützen kann. Schutz vor nichtstaatlicher Verfolgung bedeutet zum Beispiel, dass Rechts- und Verwaltungsvorschriften zum Schutz der Bevölkerung existieren und diese auch zugänglich gemacht und angewendet werden. Es gilt dann die sogenannte Regelvermutung, dass keine Verfolgungsgefahr vorliegt.
(Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge)
CDU-Pläne umfassen neue zentrale Ausländer-Behörde
Der CDU-Migrationspolitiker Stefan Schard sagte, dass mit den Plänen die Erstaufnahmeeinrichtung des Landes und die Kommunen entlastet werden sollen. Unklar blieb zunächst, wie viele Menschen die von der Union vorgesehene Regelung voraussichtlich betreffen könnte. Gesteuert werden sollen die Prozesse der CDU zufolge von einer neuen Zentralen Ausländerbehörde im Landesverwaltungsamt. Sie soll sich auch um die Zuwanderung von Fachkräften und die Anerkennung von Berufsabschlüssen kümmern. Ausländerbehörden sind bisher Ämter der Kreise und kreisfreien Städte in Thüringen.
Gesetzentwurf könnte im Landtag mit AfD-Stimmen beschlossen werden
Bühl sagte, der CDU-Gesetzentwurf solle bereits am Donnerstag im Parlament beraten werden. Verabschiedet werden könnte er seiner Ansicht nach noch vor der Landtagswahl, die für den 1. September 2024 geplant ist. Zunächst wolle die Fraktion erreichen, dass er in den Ausschüssen beraten wird. Bühl sagte, "dann werden wir sehen, welche Mehrheit sich dafür findet".
Die Thüringer CDU ist in der Opposition, hat aber mit Hilfe von Stimmen von AfD, FDP und Fraktionslosen schon eigene Gesetzesänderungen im Landtag gegen den Willen der rot-rot-grünen Minderheitsregierung durchbringen können. Die Thüringer AfD wird vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft.
Die AfD und der Verfassungsschutz:
Im September 2018 hatte der Thüringer Verfassungsschutz den Landesverband der AfD Thüringen zum Prüffall erklärt. In dieser Vorstufe zur Beobachtung wertete der Geheimdienst offen zugängliches Material aus. Anlass waren u.a. mehrere Redebeiträge des AfD-Landeschefs Björn Höcke etwa zur deutschen Erinnerungskultur ("Denkmal der Schande") oder dessen Teilnahme an den fremdenfeindlichen Protesten in Chemnitz im Sommer 2018.
Im März 2020 wurde die Thüringer AfD zum Verdachtsfall hochgestuft. Seitdem konnten eingeschränkt geheimdienstliche Mittel wie die Überwachung von Telefonen eingesetzt werden. Gleichzeitig wurde die AfD-Parteiströmung "Der Flügel" als "erwiesen extremistische Bestrebung" eingestuft. Daraufhin lösten die damaligen "Flügel"-Anführer, der Thüringer AfD-Chef Höcke sowie dessen Pendant in Brandenburg, Andreas Kalbitz, die Parteiströmung offiziell auf. Dies bezeichnete der Thüringer-Verfassungsschutz-Chef Stephan Kramer damals als "Nebelkerze".
Im März 2021 erklärte der Thüringer Verfassungsschutz den Thüringer AfD-Landesverband schließlich zur "erwiesen rechtsextremistischen" Bestrebung. Seitdem kann das komplette Arsenal nachrichtendienstlicher Mittel wie etwa V-Leute eingesetzt werden.
Regierungsparteien kritisieren CDU-Gesetzentwurf
Die migrationspolitische Sprecherin der Linken, Katharina König-Preuss, sagte zum Gesetzentwurf, die Zentren seien "besonders bedenklich" und ein deutliches Zeichen an rechte und rassistische Strukturen. Geflüchtete sollten damit abgeschreckt, schikaniert und zur "freiwilligen" Ausreise gedrängt werden. Laut der Linken-Politikerin strotzt der Gesetzentwurf vor Inhumanität. Die Union setze damit auf eine rechte Mehrheit mit der AfD.
SPD-Politikerin Marx: CDU-Entwurf bedient Ressentiments
Ähnlich äußerte sich die innenpolitische Sprecherin der SPD, Dorothea Marx. Die Zahl der ausreisepflichtigen rechtskräftig abgelehnten Asylbewerber in Thüringen sei gering. Die von der CDU geplanten "Speziallager" würden deshalb nicht benötigt, sagte Marx MDR THÜRINGEN. Der Gesetzentwurf der CDU bediene an dieser Stelle nur Ressentiments und Vorurteile gegenüber Schutzsuchenden, denen signalisiert werden solle, dass sie hier generell nicht willkommen seien. Nach Angaben von Marx wird die CDU diesen Gesetzentwurf nur mit den Stimmen der AfD durch den Landtag bringen.
Grüne: Integration wichtiger als "Symbolpolitik"
Kritik kam auch von Astrid Rothe-Beinlich. Die Grünen-Fraktionschefin warf der CDU vor, einen "Gesetztenwurf der Symbolpolitik" vorzulegen. Statt Geflüchtete in Zentren zu gängeln und zu isolieren, müsse viel mehr getan werden, damit die Integration von Migranten gelinge. Den Gesetzentwurf der CDU werde es mit den Grünen nicht geben.
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MDR (ls)/dpa
Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 04. Dezember 2023 | 14:00 Uhr
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