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75 Jahre Kriegsende in ThüringenDie Besetzung Heiligenstadts und Leinefeldes

28. Januar 2021, 16:41 Uhr

Das Kriegsende im Eichsfeld verlief friedlich. Doch für die Bewohner war es eine aufreibende Zeit. Heiligenstadt war eine Lazarettstadt. Die meisten Bewohner sehnten sich dem Ende des Krieges entgegen.

Am frühen Morgen des 9. April 1945 waren auf den Höhen um Heiligenstadt die ersten Panzer zu sehen. Von Eschwege aus waren bereits das Süd- und Obereichsfeld besetzt worden. Das restliche Heiligenstädter Kreisgebiet sollte folgen. Die Bewohner hatten die schweren Kämpfe der Vortage in Struth und Dörna vernommen. Gerüchte kursierten, dass die Amerikaner vorrücken würden, die SS jedoch weiter zum Widerstand aufrufen würde.

Ungewissheit in Heiligenstadt

Gleich mehrere US-Truppen kreuzten sich in der Region. Doch kurz vor Eintreffen der Amerikaner flüchteten die NSDAP-Verantwortlichen. Auch der versammelte Volkssturm vermochte den Angreifern angesichts der militärischen Unterlegenheit nicht viel entgegensetzen. Da im Eichsfeld seit jeher die katholische Kirche stark präsent war, versuchten kirchliche Vertreter und Bürger in vielen Städten und Gemeinden, mit den Amerikanern zu verhandeln. Torsten Müller, der Leiter des Eichsfelder Heimatmuseums kennt die damalige Situation:

In den Kriegswochen zuvor wurde das Eichsfeld täglich von Tieffliegern überflogen, sodass sich die Bewohner regelmäßig in den Kellern verstecken mussten. Heiligenstadt war längst im Ausnahmezustand. Zwischen 3000 und 4000 verwundete deutsche Soldaten waren in der Stadt untergebracht. In fast allen Dörfern und Städten des Obereichsfelds wurden weiße Fahnen als Zeichen der Kapitulation an den Gebäuden angebracht. Dank der Verhandlungsbereitschaft beider Seiten kommt es zu keinen größeren Kampfhandlungen.

Die 1. und 3. US-Armee besetzten das Heiligenstädter Kreisgebiet. Das Ehepaar Orlob kann sich heute noch gut an die damaligen Ereignisse erinnern. Ingrid Orlob wohnte als Kind mit ihrer Familie neben dem Gymnasium am Bahnhof. Dort besetzten Amerikaner ihr Haus. Anfangs lebte die Familie gemeinsam mit den Soldaten, bald mussten sie aber aus ihrem Haus ausziehen und bei Verwandten unterkommen.

Brückensprengung in Leinefelde

Ihr Mann Heinrich lebte damals in Leinefelde. Hier zogen die Amerikaner am 10. April 1945 ein. Kurz zuvor haben deutsche Soldaten noch eine Brücke gesprengt. Denn Leinefelde war damals der zentrale Eisenbahnknotenpunkt des Eichsfeldes. Die Strecken von Kassel, Göttingen oder Halle in Richtung Erfurt führten über Leinefelde. Um den Verkehr nach Westen zu unterbinden, haben deutsche Soldaten noch die Brücke gesprengt. Heinrich Orlob erinnert sich an die Detonation. Zwar sollten die Bewohner vorab alle Fenster öffnen, doch durch die Sprengung wurden trotzdem einige Gebäude im Umkreis beschädigt.

Als die ersten amerikanischen Jeeps und Panzer einfuhren, machte Heinrich Orlob Fotos. Es sind seltene Aufnahmen aus der Zeit. Denn die amerikanischen Besatzer sammelten alle Kameras und Gewehre von den Bewohnern ein. Doch der Vater von Heinrich Orlob gab die Kamera nicht heraus. So blieben rare Zeugnisse erhalten. Über die Besatzung selbst war die Familie dankbar: "Wir waren froh dass der Krieg zu Ende war".
Die Sprengung der Brücke bedeutete nach dem Krieg, dass die Züge aus Erfurt mit Flüchtlingen nicht weiter kamen und sich in Leinefelde massenhaft Menschen stauten.

BuchtippsDie letzten Kriegstage im Eichsfeld und im Altkreis Mühlhausen.

Von Eduard Fritze
Rockstuhl, 2002.

von Lothar Günter im Wehry-Verlag

ISBN: 978-3936030068
Preis: EUR 29,95

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Leinefelde - Fotos und Erinnerungen aus dem letzten Jahrhundert.

Von Heinrich Orleb
Druckerei Müller Leinefelde, 2005.

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Fazit vom Tag | 01. April 2020 | 18:00 Uhr