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PriestermangelBistum Erfurt probiert neues Leitungsmodell in zwei Gemeinden

14. September 2022, 05:00 Uhr

Weil es auch im Bistum Erfurt immer weniger Priester gibt, werden die St.-Elisabeth-Pfarrei in Arnstadt und die St.-Josef-Pfarrei in Erfurt seit wenigen Wochen nicht mehr von Priestern, sondern von sogenannten "Pfarrbeauftragten" geleitet. Sie sind erster Ansprechpartner in Sachen Seelsorge und Gemeindeleben und kümmern sich zudem um Verwaltung und Finanzen.

von Samira Wischerhoff, MDR THÜRINGEN

An der Wand des Gemeindesaals lehnt noch eine große Pinnwand mit vielen Wünschen von Mitgliedern der Gemeinde an den neuen Leiter. Am vergangenen Sonntag wurde er offiziell in sein neues Amt als Pfarrbeauftragter eingeführt: Matthias Kugler ist 35 Jahre alt, Familienvater von vier Kindern und geweihter Diakon.

Das heißt, er hat Theologie studiert, darf Menschen taufen und die Eheschließung begleiten. Da er aber kein geweihter Priester ist, darf er keine heiligen Messen leiten oder die Beichte abnehmen. Dass er jetzt trotzdem die St.-Josef-Pfarrei leiten darf, ist ein Modellversuch des Bistums Erfurt, in dem es zu wenige Priester gibt.

Verwaltung und Seelsorge

Vor rund einem Jahr hat Kugler mit seiner Familie noch in Saalfeld gelebt und dort unter anderem als Gemeindeseelsorger gearbeitet. Als das Bistum ihn fragte, ob er sich das Leitungsmodell in Erfurt vorstellen könnte, nach dem der dortige Pfarrer in den Ruhestand gegangen ist, sagte er schnell ja. Auch wenn er vor der Herausforderung auch jetzt noch Respekt hat: "Ich merke, es gibt eben doch viel zu tun, auch vieles, was ich vorher noch nicht gemacht hab, wo ich mich einfach erst einarbeiten muss."

Dazu zählen beispielsweise die Verwaltung von Mietwohnungen in Pfarrhäusern, die zur Gemeinde gehören. Besonders wichtig ist für ihn, als Seelsorger für die Gemeinde da zu sein. Die hat ihn bisher mit offenen Armen empfangen, sagt er. Davon zeugen auch die vielen Wünsche an der Pinnwand. Wie ein Priester hat Matthias Kugler auch die "Residenzpflicht" - ist also als Ansprechpartner für die Gemeinde im Pfarrhaus da.

Priester kommt an Wochenenden hinzu

Aber: Es geht trotzdem nicht ganz ohne Priester - deshalb bekommt Kugler Unterstützung von einem "geistlichen Koordinator", dem Priester Johannes Kienemund aus Gispersleben, der derzeit seine theologische Doktorarbeit schreibt. Er wird vor allem an den Wochenenden kommen, um beispielsweise die heilige Messe zu leiten.

Alle zwei Wochen besprechen Kugler und Kienemund sich als Team ab und teilen sich auch zu anderen Anlässen die Arbeit, erzählt Matthias Kugler: "In Witterda wird zum Beispiel bald eine neue Feuerwehrhalle eingeweiht. Ich hab zeitgleich eine Taufe, darum geht er dorthin, um die Feuerwehrhalle zu segnen." Ursprünglich wollte der Familienvater selbst mal Priester werden, dazu habe er Theologie studiert. Doch von dem Weg sei er dann abgekommen, erzählt er: "Also ganz ehrlich muss ich sagen, der Grund war für mich der Zölibat, ja."

Keine Trendwende bei Priestermangel

Im Bistum Erfurt gibt es derzeit 33 Pfarreien, aber nicht mehr ausreichend Pfarrer. Das Modell, auch Laien, bzw. Gemeindereferenten und Seelsorgern die Leitung einer Gemeinde zu überlassen, war eine Reaktion aus der Not heraus. Laut einem Sprecher des Bistums gibt es derzeit fünf Priesteramtskandidaten, es sei aber nicht klar, ob auch alle fünf am Ende Priester werden. Eine Trendwende lasse sich auch nicht erkennen. Daher sei es durchaus möglich, dass künftig weitere Gemeinden dem Modell folgen.

Die St.-Elisabeth-Pfarrei in Arnstadt ist neben der St.-Josef-Pfarrei die zweite, die das Modell erprobt: Dort teilen sich eine Gemeindereferentin und ein promovierter Theologe die Leitung der Gemeinde. Allerdings ist das Bistum Erfurt nicht das erste in Deutschland, das wegen des Priestermangels neue Wege geht, so der Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr: "Wir haben uns umgesehen, wie andere Bistümer mit der immer kleiner werdenden Priesterschaft umgehen, und lehnen unsere Lösung für St. Josef an ein Modell des Bistums Osnabrück an."

"Wir müssen ganz grundsätzlich weg von einem Verständnis, dass Gemeinde immer jemanden mit Autorität und Macht von außen und von oben braucht, um den Glauben zu leben."

Matthias Kugler | Diakon und Pfarrbeauftragter

Matthias Kugler findet das Modell als neuer Leiter der Pfarrei St. Josef jedenfalls gut. Aus seiner Sicht muss sich das Verständnis von einer Kirchengemeinde sowieso weiterentwickeln: "Ich glaube, wir müssen ganz grundsätzlich weg von einem Verständnis, dass Gemeinde immer jemanden mit Autorität und Macht von außen und von oben braucht, um den Glauben zu leben. Ich glaub, wir müssen viel mehr hin zu einem Verständnis, dass eine Gemeinde aus sich selbst heraus lebt."

MDR (sw/tt)

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Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN – Das Radio | 14. September 2022 | 05:00 Uhr

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