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Fairly FairAbgelaufen und mit Druckstellen: Laden in Erfurt verkauft Lebensmittel mit kleinen Fehlern

27. Juli 2022, 11:11 Uhr

Obst mit kleinen Fehlern oder Bier mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum - der Erfurter Laden Fairly Fair verkauft Lebensmittel, die eigentlich in der Tonne gelandet wären. Den Preis bestimmen die Kunden selbst.

Gemüse mit kleinen Schönheitsfehlern, Bananen mit braunen Stellen oder Haselnussmilch mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum - diese durchaus noch essbaren Lebensmittel landen oft im Müll. Das Gleiche gilt für Backwaren vom Vortag. Allein 2020 landeten in Deutschland 800.000 Tonnen Lebensmittel aus dem Handel im Müll, berichtet das Statistische Bundesamt.

Foodsharing, Tafel und Containern

Zahlreiche Initiativen haben dieser Lebensmittelverschwendung den Kampf angesagt. Während das sogenannte Containern, also das Sammeln von Lebensmitteln aus den Müllcontainern der Supermärkte, eher verpönt ist, gibt es mittlerweile legale Alternativen. Die bekanntesten davon sind die Tafeln oder die auch in Thüringen vertretenen Foodsharing-Gruppen.

Während die Tafeln sich ausschließlich an Bedürftige richtet, wird das Foodsharing-Angebot derzeit hauptsächlich von Studenten genutzt. Der Erfurter Laden "Fairly Fair" möchte auch andere Zielgruppen erreichen.

Fairly Fair: Lebensmittelrettung als Ladenkonzept

Das Anliegen des gemeinnützigen Vereins, der hinter dem Laden steckt, ist die Rettung von Lebensmitteln, die sonst im Müll landen würden. Das Angebot kann sich laut den Betreibern mit jedem Tante-Emma-Laden messen. Backwaren, Milchprodukte, Obst, Gemüse, Süßigkeiten und Getränke finden sich im Sortiment. Die Preise sind deutlich günstiger als im Supermarkt.

Viele der Produkte haben ein abgelaufenes Mindesthaltbarkeitsdatum. Manche haben es wegen eines Fehldrucks auf dem Etikett nicht in den Handel geschafft. Brot und Brötchen stammen vom Vortag und wurden von regionalen Bäckereien gespendet. Auch gebrauchte Kleidung, Bücher und Spiele haben einen Platz.

Sommerloch und Stromrechnung reißen Loch in Kasse

Im Gegensatz zum regulären Handel bestückt der Laden seine Regale mit gespendeten Artikeln. Kosten entstehen trotzdem, vor allem durch Ladenmiete und Logistik. Plus/minus null sei die Bilanz, sagt Ladenbetreiber Christoph Blanke, der nebenbei noch E-Scooter wartet, um über die Runden zu kommen.

Im aktuellen Monat beträgt der Verlust aber knapp 1.000 Euro. Ursache sei das Sommerloch und eine Stromkostennachzahlung. Ohne Spenden gehe es derzeit nicht, so der Ladenbetreiber. Um Gewinne einzufahren, bräuchte es vor allem mehr Kunden. Dann könne auch Mitarbeiter Patrick Bechtloff bezahlt werden, der derzeit ehrenamtlich hinter der Theke steht.

"Mango-Oma" sorgt für neues Verkaufskonzept

Die Preise für die Produkte bestimmen die Kunden des "Fairly Fair" selbst. Für manche der Waren gilt mittlerweile ein Mindestpreis, weil einige wenige Kunden das Konzept zu ihren Gunsten ausnutzten. Schmunzelnd erinnern sich die Betreiber an die "Mango-Oma", die ihren Einkaufskorb mit den hochwertigen Früchten "vollklatschte" und dann 20 Cent auf den Tresen warf. Für den Laden wäre ein solches Verhalten auf Dauer ruinös.

Reich werden wollen die Betreiber jedoch ausdrücklich nicht. Das Hauptziel bleibe die Rettung von Lebensmitteln, die sonst in der Tonne landen würden. Auf Dauer müsse sich der Laden aber von selbst tragen. Um das zu erreichen, scheut der Verein auch keine Risiken. Schon bald soll ein zweiter Laden in Erfurt eröffnet werden.

Das sagen unsere User:

Es gab lebhafte Reaktionen auf der Seite und auf Facebook in die eine wie die andere Richtung. "Also bei Lebensmitteln hört der Spaß auch auf ", meinte Marcus Waldow und kassierte gleich die Entgegnung von Antje Behrens "sehr viele Lebensmittel sind nach dem MHD noch sehr lange haltbar und genießbar". Unter diesem Facebook-Disput gab es viel "super" für das Projekt. Auf der Webseite erntete es aber auch reichlich User-Kritik aus einem ganz anderen Grund: "Der Ansatz und die Idee ist wirklich gut, im Endeffekt ist es aber auch nichts groß anderes als eine Tafel. Und die haben jetzt schon nicht mehr genügend Lebensmittel was sich demnächst noch extrem verschärfen wird", meinte GuterMensch und verschärft OOOO: "Lebensmittel 'retten' ist erst mal okay. Aber eine Konkurrenz zur Tafel aufbauen ist einfältig. Als Geschäftsidee so was von blöd." Zweifel an der wirtschaftlichen Tragfähigkeit klang auch bei Kalkbrenner durch: "Na ja... Schauen wir mal, ob es den Laden im nächsten Sommer noch gibt."

Nicht gleich abschreiben wollten das Vorhaben unter anderem Freies Moria: "Besser als das Containern ist die Idee allemal, denn sie gibt nutzbaren Dingen einen Wert. Eine breite Kooperation mit den normalen Läden wäre also zielführend" oder Sozialberuflerin: "Bin hin und wieder auch dort und finde immer was brauch-bzw. essbares. Es wäre schön, wenn es mehr genutzt werden würde und somit der Verschwendung entgegen getreten wird! Und natürlich.... Geld sparen ist auch ein Effekt." camper21 relativierte Kritik am Wegwerfen: "Für tierische Lebensmittel, wie Fleisch, Wurst, Eier oder Käse finde ich den Laden nicht schlecht. Denn es sollte kein Tier für uns für umsonst leiden oder getötet werden. Abgelaufene Lebensmittel werden bei uns in Deutschland nicht weggeschmissen auch wenn sie in der Tonne landen. Abgelaufene Lebensmittel kommen in eine Biogasanlage wo sie neben erstklassigen Mais oder Getreide vergoren werden und anschließend Strom und Wärme draus gemacht wird."

MDR (nis)

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 27. Juli 2022 | 16:20 Uhr

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