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Annemarie Ernst und Ferdinand Hügl gehören zum ersten Studiengang der privaten medizinischen Universität in Erfurt. Bildrechte: MDR/Antje Kirsten

Health and Medical University"Ärzte der Zukunft": Hunderte studieren Medizin an Privatuniversität in Erfurt

29. Februar 2024, 20:44 Uhr

Kaum ein anderes Studienfach ist so hart umkämpft wie Humanmedizin. Selbst mit 1,0-er Abi ist der Studienplatz nicht sicher. Deshalb gehen pro Jahr ca. 8.000 Menschen ins Ausland, um an Privatunis zu studieren - etwa in Ungarn oder Kroatien. Seit fast einem Jahr kann man in Erfurt ohne Numerus clausus Medizin studieren. Dafür werden an der privaten "Health and Medical University" monatlich 1.500 Euro Studiengebühren fällig. Aber so sollen auch mehr Ärzte in Erfurt und Thüringen gehalten werden.

von Antje Kirsten, MDR THÜRINGEN

Sie sind die Ärzte der Zukunft und sie wollen diesen Job unbedingt. Dafür nehmen sie viel in Kauf. In den sechs Jahren ihres Studiums werden sie rund 93.000 Euro in ihre Ausbildung investiert haben.

Annemarie Ernst finanziert das Studium mit einem Mix: Noch wohnt die Erfurterin bei den Eltern, das spart schon mal die Miete für eine WG. Außerdem arbeitet sie bis zu 20 Stunden in der Woche als Rettungssanitäterin. "Wir stemmen das gemeinsam - meine Eltern und ich", sagt die 20-Jährige. 

Glücklich über ihr Medizinstudium an der Privat-Uni in Erfurt: Annemarie Ernst und Ferdinand Hügl. Bildrechte: MDR/Antje Kirsten

Trotz einer Abiturnote von 1,3 bekam sie von staatlichen Unis nur Absagen. Die Erfurter "Health and Medical University" (HMU) sei ein Glücksfall gewesen, sagt sie. Die Bedingungen an der jungen Universität seien hervorragend, auch weil die Studierenden mit einbezogen würden.

Studium an Erfurter Privatuniversität

Es fühle sich an wie ein Start-up, meint Mitstudent Ferdinand Hügl. Der 25-jährige Leipziger stammt aus einer Arztfamilie, wollte aber eigentlich schon allein wegen des Schichtdienstes nicht in die Fußstapfen von Vater und Großvater treten. So wurde er Rettungssanitäter, machte seinen Bachelor als Krankenpfleger, arbeitete auf einer Intensivstation.

Dabei merkte er, dass er noch tiefer in die Medizin eindringen will. "Mich fasziniert die Verbindung von Zwischenmenschlichem und dem Handwerk. Man befasst sich mit so kleinen Details und versteht den menschlichen Körper auf einer anderen Ebene".

30 Jahre lang gab es kein Medizinstudium in Erfurt - das ändert sich nun mit der Privat-Uni. Bildrechte: MDR/Katharina Osterhammer

Das Studieren an der Privat-Uni mache ungeheuren Spaß, auch wenn es anstrengend ist, sagen die zwei. Geschenkt werde ihnen nichts. "Wir haben hier viele Möglichkeiten, zusammen zu lernen, auch in kleineren Gruppen. Wir können auch zum Dozenten gehen und sagen: Das haben wir nicht verstanden, könnten wir noch mal ein Tutorial machen", sagt Annemarie.

Mit dabei zu sein, wie die neue Universität wächst und sich etabliert, sei ein tolles Gefühl, fügt Ferdinand hinzu. Im Erfurter Helios-Krankenhaus können die Studierenden ihre klinische Ausbildung absolvieren, weitere Krankenhäuser der Region sollen hinzu kommen.

Wir können auch zum Dozenten gehen und sagen: Das haben wir nicht verstanden, könnten wir noch mal ein Tutorial machen.

Annemarie Ernst

Als sie ihre ersten Hospitationstage im Klinikum hatten, habe der Oberarzt ganz stolz seinen Kollegen und Kolleginnen gesagt: "Wir haben jetzt wieder Medizinstudenten in Erfurt."

Seit einem Jahr gibt es die HMU. Annemarie Ernst und Ferdinand Hügl sind dabei. Bildrechte: MDR/Antje Kirsten

Medizinstudium in Erfurt lange Zeit nicht möglich

Nach der Wende war das Medizinstudium an der Uni Erfurt zugunsten der Uni Jena eingestellt worden. Dies ist nun seit April 2023 Geschichte mit der "Health and Medical University".

"Es geht um die Ärzte der Zukunft - und wenn sie hier studieren, ist die Chance größer, dass sie vielleicht auch in der Region bleiben", schätzt Gründungsrektor Thomas Steiner ein. "Die jungen Leute sind hochmotiviert, viele haben schon Berufserfahrung. Das ist ein großer Vorteil."

Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein (links) übergab dem Rektor der neuen medizinischen Hochschule in Erfurt, Thomas Steiner, im April 2023 die Amtskette. Bildrechte: MDR/Antje Kirsten

Es geht um die Ärzte der Zukunft - und wenn sie hier studieren, ist die Chance größer, dass sie vielleicht auch in der Region bleiben.

Thomas Steiner

Die private Universität wächst. Aktuell hat sie 330 Studierende der Medizin und der Psychologie. Mit 270 neuen Medizinstudierenden in diesem Jahr komme man schon langsam ans Limit, sagt Steiner. Die junge Universität war mit 93 Medizin - und 30 Psychologiestudenten gestartet. "Es läuft erstaunlich gut. Hingeschmissen hat im ersten, zweiten Semester keiner. Und das ist sicher auch der Charme der Anfangsphase, dass alles im Miteinander funktioniert. Wenn jemand das Pensum nicht gleich schafft, versuchen wir zu helfen. Die Studierenden sind aber alle hochmotiviert."

Anatomieraum mit Plastinationen von Gunter von Hagen. Bildrechte: MDR/Antje Kirsten

Studiengebühren von 1.500 Euro monatlich

Und das hänge nicht nur damit zusammen, dass sie monatlich 1.500 Euro Studiengebühren zahlen und das Geld nicht in den Sand setzen wollen. "Ich will das einfach", bringt Annemarie Ernst es auf den Punkt. "Ohne Ehrgeiz kann man dieses Studium nicht stemmen."

Für die Studierenden gibt es spezielle Kredite, um die Studiengebühren aufzubringen. Inzwischen bieten Kliniken an, einen Teil der Gebühren zu übernehmen, wenn sich die künftigen Mediziner verpflichten, für einige Jahre bei ihnen zu arbeiten. "Das hält uns die Ärzte auch in der Region", sagt Steiner.

Unterschied zwischen Studienbeitrag und StudiengebührenDer Semesterbeitrag ist eine Pflichtabgabe, die jede Studentin und jeder Student vor jedem Semester zu entrichten hat. Der Studienbeitrag hingegen, wird für bestimmte Studiengänge erhoben und soll dazu beitragen, die Kosten für das Studium zu reduzieren.

Uni-Gebäude am Anger und in Bindersleben

Die Universität hat derzeit zwei Gebäude, ein drittes wird gerade bezogen und soll im April eingeweiht werden. Das erste Gebäude ist die Hauptpost am Erfurter Anger. Dort lernen vor allem die Psychologie-Studierenden. Zunächst waren es 350 Quadratmeter, nach und nach kommen weitere Räume hinzu. "Die Uni soll über kurz oder lang dort ihren Hauptsitz haben", sagt Steiner.

Im historischen Gebäude der Hauptpost am Anger befinden sich einige Räume der HMU. Bildrechte: MDR/Katharina Osterhammer

Das zweite Gebäude ist ein Bürokomplex in Erfurt-Bindersleben. Dort gibt es Hörsäle, Lehr- und Seminarräume, Anatomieräume und Labore. Auch erste Forschungslabore werden laut Steiner gerade eingerichtet. "Wir sind ja keine 'Arztschule'. Eine Universität muss auch forschen. Diese Aufgabe müssen und wollen wir ebenso erfüllen."

Medizin-Training in "Skill Labs": EKG und Ultraschall erlernen

Das dritte - zukünftige - Gebäude befindet sich wiederum in der Innenstadt. Dort wird es eine weitere Bibliothek geben, große Lernflächen, wo sich die Studierenden in Gruppen zusammenfinden können. Es werde "Skill Labs" eingerichtet, wo die Studierenden trainieren können, beispielsweise das EKG-Schreiben oder Ultraschall-Untersuchungen.

"Das Tempo, wie sich die junge Uni in Erfurt entwickelt, ist atemberaubend", schwärmt der Rektor. Studentin Annemarie Ernst nennt es einen Glücksfall, die Uni kam für sie genau zur richtigen Zeit: "Ich habe hier alles, was ich fürs Studium brauche."

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MDR (kir/mm)

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Fazit | 29. Februar 2024 | 18:00 Uhr

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