LinksextremismusMutmaßliche Späherin bei Überfall auf Neonazis in Erfurt ausfindig gemacht
Das Thüringer LKA hat offenbar eine heiße Spur zum mutmaßlich linksextremen Überfallkommando, das 2023 in Erfurt zwei Rechtsextremisten misshandelt hatte. Die Staatsschützer suchen nach einer mutmaßlichen Späherin.
Inhalt des Artikels:
Um 8:27 Uhr betritt am 11. Januar 2023 eine junge Frau einen Supermarkt in einem Erfurter Wohngebiet. Sie starrt auf ihr Handy. Eine beigefarbene Mütze bedeckt die dunkelblonden Haare. Die junge Frau trägt eine Brille. Völlig unauffällig.
Wenige Minuten später, der Zeitstempel der Überwachungskamera im Eingangsbereich des Supermarktes zeigt 8:33 Uhr, verlässt die Frau den Laden wieder: plötzlich ohne Mütze und ohne Brille. Bevor die Kamera im Außenbereich die Frau wieder erfasst, bindet sie die offenen Haare zu einem Zopf.
Verdacht: Tatort und Opfer ausgekundschaftet
Die Aufnahmen haben Thüringer Kriminalisten stutzig gemacht. Inzwischen sind sich die Staatsschützer der Sonderkommission im Landeskriminalamt sicher: Die junge Frau ist eine Späherin. Sie - so der Verdacht der Ermittler - hat nicht nur den späteren Tatort in dem Wohngebiet, sondern offenbar auch die späteren Opfer ausspioniert. Dabei wurde sie von der Überwachungskamera des Supermarkts erfasst. Mehr wollen die Staatsschützer dazu allerdings nicht verraten. Nur so viel: Sie können die junge Frau dem Schlägertrupp zuordnen.
Exakt einen Tag später, am 12. Januar 2023, nur wenige Meter vom Eingang des Supermarktes entfernt, stürzt sich ein offenbar linksextremer Schlägertrupp auf zwei Rechtsextremisten, die gerade auf dem Weg zur Arbeit gewesen sein sollen. Tatort: Pestalozzistraße 12 in Erfurt. Einer schnell eingesetzten Sonderkommission im Landeskriminalamt werden zehn Beamte zugeordnet.
Die Staatsschützer beginnen die Jagd nach den mutmaßlichen Linksextremisten - in enger Zusammenarbeit mit dem sächsischen Landeskriminalamt und dem Bundeskriminalamt. Es gibt viele Zeugen: Die Anwohner sind auf dem Weg zur Arbeit.
Überfall mit Totschlägern und Hämmern
Das scheint das Rollkommando nicht zu stören: Mit Totschlägern und Hämmern schlagen sie auf die Neonazis ein. Immer wieder. Auch als die am Boden liegen, lassen die vermummten Schläger nicht von ihren Opfern ab. Dann: Wie auf Kommando rennt die Bande weg. "Scheiß Nazis sind das", brüllen sie noch - und sind verschwunden.
Beschreibung der mutmaßlichen Späherin:- circa 20-25 Jahre alt
- circa 1,70 m groß, sportliche Figur
- dunkelblondes, leicht gewelltes, schulterlanges Haar
- schwarze Steppjacke mit Kapuze
- dunkelblaue Freizeithose mit weißen Streifen an der Seite
- schwarze Turnschuhe mit weißen Applikationen
- Das LKA Thüringen hat eine 24-Stunden-Hotline geschaltet unter Tel.: 0800/ 58 90 503
Videos von Zeugin sichergestellt
Eine Zeugin filmt mutig den Überfall, andere die Flucht der Täter. Anwohner beobachten die mutmaßlichen Schläger beim Vermummen. Doch alles reicht zunächst nur für ein, bald drei Phantombilder: Zwei junge Männer sind da zu sehen und eine streng blickende Frau. Sie alle - so wirkt es zumindest - kaum älter als 25 Jahre. Nun kommen die Aufnahmen der mutmaßlichen Komplizin dazu, der vermeintlichen Späherin.
Weitere Überfälle in Erfurt in Jahren zuvor
Eine Überwachungskamera war es auch, die einen ähnlichen, nicht weniger brutalen Überfall filmte. Im April 2022 überfiel ein Schlägertrupp die Verkäuferin eines rechtsradikalen Szeneladens am Erfurter Hirschgarten. Die Bande flüchtete unerkannt. Ein Jahr zuvor - im Mai 2021 - überfielen mutmaßliche Linksextremisten einen Neonazi in dessen eigener Wohnung. Die Schläger waren als Polizisten verkleidet. Auch andere Bundesländer registrierten ähnliche Angriffe auf Rechtsextremisten.
Bundesanwaltschaft prüft Übernahme
Offenbar plant die Bundesanwaltschaft die Übernahme der Ermittlungen - wegen der offensichtlichen Serie, heißt es unter Ermittlern in Thüringen und Sachsen. Und auch, so die Kriminalisten, weil es offenbar Überschneidungen zu einem Überfall in Budapest gebe. Auch hier hatte sich ein mutmaßlich linksextremes Schlägerkommando auf einen vermeintlichen Rechtsextremisten gestürzt. Auch hier sind einige der Täter noch auf der Flucht.
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MDR (rom)
Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 06. Mai 2024 | 19:00 Uhr