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PremiereGroße Enttäuschung: Premiere von "Moby Dick" am DNT Weimar

12. April 2024, 14:43 Uhr

Herman Melvilles Klassiker handelt von der Jagd des Kapitäns Ahab nach dem legendären weißen Wal Moby Dick. Heute liest sich der weltberühmte Roman als Kritik an der Verwüstung, die der Mensch in der Natur anrichtet. Die Inszenierung am Deutschen Nationaltheater Weimar (DNT) kann mit dem Tiefgang des Originals jedoch nicht mithalten. Ein enttäuschter Premierenbericht.

"Moby Dick" gilt heute als Weltliteratur. Autor Herman Melville hat den Erfolg selbst nicht miterlebt: Als der Abenteuerroman 1851 herauskam, wurde er von der Kritik zerrissen. Wohl auch, weil das religiöse Amerika viele Stellen als Gotteslästerung empfand. Erst Jahrzehnte später wurde der Roman wiederentdeckt und zum Klassiker.

Klassiker der Weltliteratur am DNT Weimar

Literaturnobelpreisträger William Faulkner sagte später einmal, "Moby Dick" sei das einzige Werk eines anderen Autors, das er gerne selbst geschrieben hätte. Die Geschichte handelt von Walfängern, die auf dem Meer unterwegs sind. Im 19. Jahrhundert war der Walfang ein zentraler wirtschaftlicher Baustein. Es ging darum, Waltran zu gewinnen, ein wichtiger Rohstoff, der zum Beispiel als Lampenöl genutzt wurde. Die Wale wurden dafür rücksichtslos fast bis zur Ausrottung gejagt.

"Moby Dick" ist eng mit dem Thema Walfang verbunden, wie am DNT Weimar deutlich wird. Bildrechte: Candy Welz

Im Zentrum von "Moby Dick" steht der Walfänger und Kapitän Ahab, der bei einer Jagd durch einen Pottwal ein Bein verloren hat – der Meeressäuger hat es ihm abgerissen. Seitdem ist Ahab getrieben von fanatischem Hass und besessen davon, Rache zu nehmen. Mit dem Ziel, den Wal zu finden und ihn zu vernichten, sticht er mit einer Mannschaft in See. Erzählt wird die Geschichte aus Sicht der Figur Ismael, einem der Matrosen, der mit an Bord ist. 

Das große Thema, die Widersprüchlichkeit des Menschen, Produkt und gleichzeitig Verwüster der Natur zu sein, entfaltet sich nicht. Und das obwohl der Stoff so viele Anknüpfungspunkte zum Hier und Jetzt bietet.

Marlene Drexler über "Moby Dick" am DNT Weimar

Herman Melvilles Vorlage stark gekürzt

Im Original beschreibt Melville auf 900 Seiten mit unvergleichlich eindringlicher Sprache und Bildern die Rachefahrt und das spätere Zusammentreffen von Kapitän Ahab und Wal Moby Dick als archaisch und mythisch überhöhten Zweikampf. Der Stoff wurde vielfach bearbeitet und zum Beispiel als gekürztes Jugendbuch herausgegeben.

In der Weimarer Inszenierung von "Moby Dick" erstrecken sich von beiden Seiten der Bühne riesige weiße Segel bis zur Decke. Bildrechte: Candy Welz

Das Weimarer Produktionsteam um Regisseur Sebastian Martin und Dramaturg Carsten Weber hat das Werk in der Übersetzung von Matthias Jendis auf 50 Seiten zusammengestrichen. Den Text an sich haben sie bis auf wenige Kleinigkeiten nicht verändert.

Weimarer Inszenierung fehlt es an Spannung

Dadurch, dass der Text in Prosa übernommen wurde, gibt es nur wenig richtige Szenen. Das Ensemble spricht größtenteils nach vorne, als seien sie Erzählerinnen und Erzähler. Durch die Frontalität entwickelt sich wenig Geheimnisvolles oder Zweideutiges auf der Bühne. Die Spannung so über knapp anderthalb Stunden hochzuhalten, gestaltet sich schwierig.

Die Figur Ahab ist auf mehrere Darsteller aufgeteilt, seiner Seele, dem Hass und Blutdurst, aber auch möglichen Zweifeln an seinem irrsinnigen und brutalen Plan näher zu kommen, gibt es wenige. 

Die Figur des rachesüchtigen Jägers Ahab ist am DNT Weimar auf mehrere Darsteller aufgeteilt. Bildrechte: Candy Welz

Brisanz und Aktualität des Originals verfehlt

Insgesamt wird die Inszenierung so dem Tiefgang, den die Geschichte liefert, nicht gerecht. Das große Thema, die Widersprüchlichkeit des Menschen, Produkt und gleichzeitig Verwüster der Natur zu sein, entfaltet sich nicht. Und das, obwohl der Stoff so viele Anknüpfungspunkte zum Hier und Jetzt bietet.

Der Mensch ist seit dem 19. Jahrhundert im Umgang mit Tieren nicht besser, wahrscheinlich sogar schlechter geworden, die Ausbeutung wurde weiter industrialisiert.

DNT Weimar wird dem Thema Ausbeutung nicht gerecht

Die Inszenierung in Weimar macht aus den Walfängern eine Gruppe emotionsloser Psychos – von denen man sich sehr leicht distanzieren kann. Die Brücke zu heute und unserer eigenen Verantwortung kommt dadurch nicht zustande. Das viele Kunstblut, das bei der Schlachtung eines Wals auf der Bühne zum Einsatz kommt, wirkt dann vor allem trashig – und ruft unpassenderwise Lacher hervor.

Die Gewalt, die da gerade exerziert wird, bestürzt irritierend wenig. Die Walfänger stellen die Meeressäuger als Monster da. Dass das wirkliche Monster ganz eindeutig am anderen Ende der Harpune sitzt – und zwar bis heute! – dieser Erkenntnis kann man sich an diesem Abend zu leicht entziehen. 

Für die Inszenierung von "Moby Dick" greift das DNT Weimar auf eine übermäßige Menge Kunstblut zurück. Bildrechte: Candy Welz

Angaben zum Stück

"Moby Dick"
Schauspiel nach dem Roman von Herman Melville

Deutsches Nationaltheater Weimar
Theaterplatz 2, 99423 Weimar

Termine:
14. April 2024, 19:30 Uhr
15. April 2024, 19:30 Uhr
14. Mai 2024, 19:30 Uhr
15. Mai 2024, 19:30 Uhr

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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR am Morgen | 12. April 2024 | 08:40 Uhr