Fakt ist! aus ErfurtWie Oberhof als Touristenziel eine Zukunft haben könnte
Wie kann es gelingen, dass die topsanierten Oberhofer Sportstätten mehr Touristinnen und Touristen anziehen? Welche touristische Nutzung der Anlagen ist überhaupt möglich? Gibt es auch im Sommer genug attraktive Angebote? Darüber sprachen die Gäste am Montagabend bei Fakt ist! aus Erfurt.
Mit Geld alleine ist es offenbar nicht getan. Denn wenn die Welt nicht weiß, wie toll Oberhof ist, kommen auch nicht genug Touristen her. Das zeigte die Diskussion am Montag im MDR-Polittalk Fakt ist! aus Erfurt.
Die Übernachtungszahlen, die Moderator Andreas Menzel präsentierte, sprechen ihrer eigene Sprache: 2001 waren es 531.000, 2019 nur noch 425.000. Unternehmer Andreas Luck macht das wütend: "Die Vermarktung von Thüringen ist doch grottenschlecht, da muss endlich was passieren! Wir sind so ein tolles Bundesland - jetzt macht endlich mal was!"
Diese Aufforderung ging an die Gäste der Sendung: Peggy Greiser, Landrätin des Landkreises Schmalkalden-Meiningen, Hartmut Schubert (SPD), Oberhofbeauftragter der Thüringer Landesregierung, Antonia Sturm, Geschäftsführerin des Regionalverbunds Thüringer Wald e.V. und Karsten Albert, Nachwuchstrainer Rennrodeln.
Investitionen als "Initialzündung"
Laut Hartmut Schubert sind mehr als 80 Millionen Euro geflossen, und das könne man auch sehen: An der Rennschlittenbahn, den Dachkonstruktionen, den Zuschauertribünen und dem Stadion. "Die Rennschlittenbahn war fast eine Ruine, ohne die Investitionen wäre da Schluss gewesen."
Für ihn sind die Weltmeisterschaften das "Sahnehäubchen" auf den Oberhofer Sportstätten, die in erster Linie ganzjährige Trainingszentren für den Nachwuchs- und Leistungssport seien. Genau dafür hätten der Bund und das Land die Fördermillionen investiert.
Aber, so hieß es aus dem Publikum, die Winter würden immer kürzer, man müsse dringend über eine Vermarktung der Region für das ganze Jahr nachdenken. Und vor allem müssten die Sportstätten auch Zeiten für Touristen vorsehen und das auch offensiv anbieten.
Heike Luck erzählt von Gästen aus Schweden und Finnland, die total überrascht waren, dass es hier auch eine Langlauf-Halle gibt. "Die wussten davon nichts und konnten auch nicht vorher buchen."
Tolle Bedingungen für Tourismus
Landrätin Peggy Greiser Greiser sieht das Problem, erinnert aber auch an die positiven Effekte der Investitionen: "Vor 30 Jahren haben wir den Breitensport von den Sportstätten ferngehalten, jetzt kann jeder da hingehen, wo Olympiasieger trainieren."
Sie hat zur WM selber Führungen in Oberhof gemacht und die Begeisterung der Gäste erlebt. "Man kann hier auf der Bahn fahren, die man sonst nur im Fernsehen sieht". Auch unter Wanderern und Mountainbikern hat der Ort einen guten Ruf.
Allerdings ist Greiser der Meinung, Oberhof muss auch selber etwas für seine Vermarktung tun. Sie sei schließlich für den gesamten Landkreis zuständig und Antonia Sturm für den ganzen Thüringer Wald.
Standortvorteil nur mit Infrastruktur
Jan Scheftlein von der IHK Südthüringen findet, dass die Landesregierung beste Voraussetzungen geschaffen hat durch die Förder-Millionen. "Jetzt muss man gucken, was man daraus macht." Aus seiner Sicht ist der Tourismus ein extrem wichtiger Standortfaktor. "Nicht nur für die Leute, die hier in dem Bereich arbeiten, sondern auch für andere Branchen, die damit Leute ansprechen können."
Der ehemalige Rennrodler Karsten Albert findet, dass Oberhof das ganze Jahr über sehr viel zu bieten hat. "Wie müssen das aber alles auch bewerben", sagt er, denn hier sei wirklich für jeden etwas dabei, viele wüssten das nur nicht und kämen deshalb vielleicht nicht her.
Aber Andreas Luck sieht auch ganz praktische Probleme. Er kann derzeit nicht einmal von Schmiedefeld nach Oberhof mit dem Bus fahren, die Landkreisgrenzen verhindern das. Aber eigentlich, so sagt er, müssten auch die Touristen mit Bussen zu den Loipen oder zum Wandern kommen können. "Denen sind doch die Kreisgrenzen egal, die wollen sich erholen", ergänzt Scheftlein.
Nach der Bauzeit jetzt Zeit für Ideen
Hartmut Schubert erinnert daran, dass in den vergangenen Jahren vor allem gebaut wurde. Erst jetzt käme der nächste Schritt. Auch er findet, dass für die Touristen auf den Anlagen Besuchszeiten eingeräumt werden müssen, die man einfach online buchen kann. Und es gibt auch schon Ideen für eine Ganzjahresnutzung: "Wir haben ja jetzt alles dafür da." Mountainbiking, Festivals, vielleicht auch Konzerte - Ideen gibt es laut Schubert genug.
Das findet auch Antonia Sturm. "Aber das Land kann nicht Veranstalter von Festivals sein. Da braucht es privates Engagement." Natürlich müsse der Regionalverbund trommeln, um den Thüringer Wald in Gänze national bekannt zu machen und begehrt zu machen für Touristen. "Und das tun wir."
Aber Oberhof hat nur 1.300 Einwohner und ist damit nach Meinung von Andreas Luck überfordert. "Wir brauchen da mehr Unterstützung." Darüber hinaus würden Menschen, die etwas tun und investieren wollen, nicht nur Knüppel, sondern "ganze Bäume" zwischen die Beine geworfen.
Oberhof - eine Stadt im Umbruch
Für Antonia Sturm gilt es dabei zu bedenken, dass Oberhof einen "fundamentalen Umbruch" hinter sich hat. Die Marktsituation habe sich völlig verändert, das brauche seine Zeit. Auch der Tagestourismus sei sehr angestiegen. Es gerate immer in Vergessenheit, dass im Sommer mehr Touristen kämen als als im Winter.
Andreas Luck erinnert noch einmal an die perfekte Infrastruktur in Oberhof - mit Autobahnanschluss und nagelneuen Sportstätten: "Oberhof ist geil! Die Lage ist toll! Wir werden beneidet von der ganzen Welt!" Aber wenn dieses Kapital sich in steigenden Gästezahlen widerspiegeln solle, müssten alle Beteiligten an einem Strang ziehen.
Zum Aufklappen: MDR-Dokus zu Oberhof in der ARD Mediathek
"Wem gehört Oberhof?" … fragt der MDR in einer neuen Folge seiner preisgekrönten Doku-Reihe "Wem gehört der Osten?". Die Doku steht zum Abruf in der ARD-Mediathek bereit und wird am 7. Februar, um 22.10 Uhr im MDR-Fernsehen zu sehen sein.
Das aktuelle Geschehen zu den Wintersport-Weltmeisterschaften in Oberhof begleitet die MDR-Dokumentation "Weltmeisterstadt Oberhof", die ebenfalls in der ARD-Mediathek abrufbar ist.
Und wie geht es weiter? Nach den WM-Highlights in diesem Jahr mit der Biathlon- und der Rodel-WM könnte sich Oberhof bald wieder für das nächste große Wintersport-Event bewerben: Die nordische Ski-WM. Ob das geplant ist, dazu wollte Schubert in der Sendung nichts sagen. Aber: "dann müsste allerdings an der großen Schanze etwas gemacht werden". Wie ein Dementi klang das zumindest nicht.
Quelle: MDR (gh)
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Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN | Fakt ist! aus Erfurt | 06. Februar 2023 | 22:10 Uhr
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