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ÄrztemangelErste Akutpraxis in Thüringen eröffnet: Wie funktioniert das Geraer Modell?

08. Januar 2024, 20:25 Uhr

In Gera ist am Montag die erste Akutpraxis Thüringens eröffnet worden. Sie richtet sich an Patienten ohne Hausarzt und soll den Ärztemangel abfedern. Die wichtigsten Antworten rund um das Modell finden Sie hier.

von Marian Riedel, MDR THÜRINGEN

"2035 fehlen in Deutschland rund 11.000 Hausärzte." Mit dieser Schlagzeile informierte die Robert-Bosch-Stiftung über eine Studie, die schon vor zwei Jahren einen Trend belegte: Wenn Hausärzte in den Ruhestand gehen, finden deren Patienten immer öfter keinen neuen Hausarzt. Allein rund um Gera gibt es derzeit 14 offene Hausarzt-Sitze.

Eigentlich kann Dr. Annette Rommel als Erste Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen (KVT) jedoch optimistisch in die Zukunft schauen: 13 Prozent aller Hausärzte in Thüringen sind jünger als 40 Jahre. Das ist deutlich mehr als im Bundesdurchschnitt.

Auch die Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen unter Vorsitz von Annette Rommel (Mitte) ist mit dem Hausärztemangel konfrontiert. Bildrechte: Marian Riedel/MDR THÜRINGEN

Andererseits ist der KVT-Chefin klar: Mehr als 500 Hausärzte werden in den kommenden Jahren in den Ruhestand wechseln und ein Drittel aller Thüringer Hausärzte ist schon 60 oder älter. Von einer "Ruhestandswelle" ist in der Dezemberausgabe 2023 des Magazins der KVT die Rede - unter der Überschrift "Ideen für morgen".

Seit Montag können Patienten der Region die Leistungen der Akutpraxis in Gera in Anspruch nehmen, Bildrechte: Marian Riedel/MDR THÜRINGEN

Eine ist das Modell "Akutpraxis" in Gera. Sie bietet ihren Dienst seit Montag an - in den Räumlichkeiten, die auch vom Bereitschaftsdienst der KVT genutzt werden. Dort ist Katharina Heppler aus Altenburg jetzt Praxismanagerin. Zugute kommen ihr hier Erfahrungen, die sie als Leiterin der Corona-Impfstelle in Schmölln sammeln konnte.

Wer kann die Akutpraxis nutzen?   

Behandelt werden Patienten der Region, die in Gera und Umgebung keinen Hausarzt finden, aber dringend Hilfe benötigen. Vorgesehen ist die erste Versorgung bei akuten Erkrankungen, es können Krankenscheine und Überweisungen zu Fachärzten ausgestellt werden. Auch Rezepte werden verschrieben und Impfungen verabreicht. Auch Medikamente bei chronischen Erkrankungen werden verordnet.

Wie gelingt der Arztbesuch?

Die KVT rechnet damit, wöchentlich etwa 120 Patienten betreuen zu können. Dazu wird ein 15-Minuten-Takt getestet. Deshalb ist eine Vorstellung beim Arzt in der Akutpraxis nur mit vergebenen Termin nach Voranmeldung möglich. Anmeldungen können per Mail unter info.gera@akutpraxen.kvt.de oder telefonisch unter 03643-4950 400 erfolgen.

Dr. med. Barabara Torka (Mitte) übernahm die erste Sprechstunde der Akutpraxis. Bildrechte: Marian Riedel/MDR THÜRINGEN

Wer behandelt in der Akutpraxis?

Aktuell stehen sechs Ärztinnen und Ärzte zu Verfügung. Sie haben eine Qualifikation für Allgemeinmedizin oder Innere Medizin. Zum Teil wurden das behandelnde Personal schon während seines Ruhestandes für die Tätigkeit in der Akutpraxis gewonnen. Um alle Wochentage und die übliche Sprechzeit einer Praxis abzusichern, sucht die KVT weitere Ärzte für das Modell Akutpraxis. Die ärztliche Vergütung liegt übrigens bei 105 Euro pro Stunde.

Personell wird das Ärzteteam von zwei Medizinischen Fachangestellten und der Praxismanagerin unterstützt, die nach dem branchenüblichen Tarif bezahlt werden.

Welche Ausstattung gibt es?

Zur Ausstattung gehört Technik für EKGs und Ultraschall-Untersuchungen, auch Laboruntersuchungen sind möglich.

In der Akutpraxis werden auch EKGs angeboten - jedoch keine langfristige Betreuung chronisch kranker Patienten. Bildrechte: Marian Riedel/MDR THÜRINGEN

Wann ist die Akutpraxis geöffnet?

Montag, Dienstag, Donnerstag: 8 Uhr bis 12 Uhr und 13 Uhr bis 16 Uhr
Mittwoch, Freitag: 8 bis 12 Uhr

Was wird nicht angeboten?

Eine andauernde hausärztliche Betreuung ist nicht möglich. Chronische Beschwerden können nicht dauerhaft durch die Akutpraxis behandelt werden. Betäubungsmittel sind nicht vorrätig und einsetzbar. Telefonische Krankschreibungen sind für unbekannte Patienten ebenfalls nicht möglich.

Gera - das Vorbild für Thüringens Umgang mit dem Ärztemangel?

Dr.med. Annette Rommel sagt, das Modell Akutpraxis soll in Gera erst einmal erprobt werden. Außerdem werde bei der KVT auch an anderen Ideen gearbeitet: Video-Docs könnten beispielsweise auch Patienten unterstützen, die keinen Hausarzt haben. Überlegt wird auch, einen mobilen Hausarztdienst zu testen, sagt Frau Rommel.

Aber was könnte langfristig helfen gegen den Hausärztemangel? Ein Blick in das KVT-Magazin vom Dezember 2023 zeigt den Ernst der Lage in Thüringen: "Derzeit gibt es 87,5 offene Vertragsarztsitze. Anfang 2021 lag diese Zahl bei gerade einmal 37,0."

Neben Praxen vor Ort, könnte künftig auch ein Arzt Abhilfe schaffen, der per Video kontaktiert werden kann. Bildrechte: Marian Riedel/MDR THÜRINGEN

"Unterversorgung" wegen Hausarztmangel erwartet

Die schon zitierte Studie der Bosch-Stiftung rechnet demnächst "im Wartburgkreis und im angrenzenden Landkreis Gotha mit Unterversorgung". Und auf MDR-Anfrage listet die Kassenärztliche Vereinigung Thüringen allein für Ostthüringen eine ganze Reihe von offenen Hausarzt-Stellen auf. In der Sprache der KVT handelt es sich um "Zulassungsmöglichkeiten":  3,5 für Altenburg, fünf für Schmölln/Gößnitz, acht für Gera-Land/Landkreis Greiz und neun für den Planungsbereich Gera-Stadt.

Praxisbörse soll Nachfolge regeln

Es gibt laut KVT-Pressesprecherin Luisa Ihle keine gesetzliche Vorgabe, dass Praxis-Inhaber mit einer bestimmten Frist die Aufgabe ihres Vertragsarztsitzes ankündigen müssen. Allerdings gibt es eine Praxisbörse, durch die sich Aufgebende und mögliche Nachfolger für Praxen finden sollen. Dort seien derzeit für Gera-Stadt und -Land acht hausärztliche Einträge zu verzeichnen. In diesem Bereich waren zuletzt zwei Hausarztpraxen im September geschlossen worden - ohne eine Nachfolge.

Stipendien für angehende Mediziner sollen Anreiz schaffen

Für eine langfristige Besetzung von Hausarztstellen werden deutschlandweit verschiedene Versuche mit Förderangeboten gemacht. Der Landkreis Schmalkalden-Meiningen führte als erster in Thüringen ein Stipendium ein: 500 Euro monatlich - für bis zu drei Studierende im Jahr, wenn sie sich verpflichten, nach der Facharztweiterbildung mindestens fünf Jahre lang im Landkreis zu praktizieren. Seit dem Start im Wintersemester 2022/2023 gibt es laut KVT inzwischen fünf Stipendiaten des Landkreises. Im Oktober 2023 hat auch der Kreistag im Altenburger Land ein Stipendium beschlossen.

Die KVT macht darauf aufmerksam, dass es in der Regel elf Jahre bis zum Abschluss einer Facharztausbildung dauert. Mancherorts werden schnellere Lösungen gebraucht - wie jetzt in Gera, wo die Akutpraxis ein rasches Angebot in einer schwierigen Versorgungslage ist.

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MDR (ost)

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN | Thüringen Journal | 08. Januar 2024 | 19:00 Uhr

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