IntergationNeue Flüchtlingsunterkunft in Gera: So reagieren Politiker aus der Stadt
In Gera wird es ab Januar mit der ehemaligen Frauenklinik eine neue Unterkunft für Geflüchtete geben. Diese Entscheidung der Thüringer Landesregierung wird in der Stadtpolitik unterschiedlich bewertet.
- Oberbürgermeister Vonarb war schon vor der offiziellen Entscheidung gegen die Unterkunft.
- CDU, AfD und Grüne sehen die Stadt überfordert.
- SPD und Linke erwarten einen Ausgleich vom Land.
Die Entscheidung der Landesregierung für eine neue Flüchtlingsunterkunft in Gera wird in der Stadt mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Oberbürgermeister Julian Vonarb (parteilos) hatte sich schon im Vorfeld gegen die Unterkunft ausgesprochen. Gera habe das Soll bei der Aufnahme von Flüchtlingen längst übererfüllt. Jetzt müsse die Stadt die fehlende Flüchtlingspolitik des zuständigen Ministeriums der vergangenen anderthalb Jahre ausbaden, so Vonarb.
Auch Lob vom Bürgermeister für Innenminister
Er erinnerte zudem an die Jahre 2015 und 2016. Damals war die frühere Frauenklinik schon einmal Ankunftsort für Geflüchtete geworden. Viele Geraer hätten die damaligen Wanderbewegungen im Stadtgebiet noch in Erinnerung. Vonarb sagte, er sei sehr gespannt, wie das Land jetzt die Versorgung und Betreuung der Flüchtlinge sichern wird.
Er sagte aber auch, es sei bereits jetzt spürbar, dass es in Fragen der Erstaufnahmeeinrichtungen "tatsächlich mehr Initiative vom Innenminister" gebe, als in den letzten anderthalb Jahren vom Migrationsministerium. Vonarb verwies zudem darauf, dass die Bewohner auf das Flüchtlingskontingent für Gera angerechnet werden müssten.
CDU, AfD und Grüne sehen Stadt überfordert
Kritik kommt auch aus dem Geraer Stadtrat. CDU-Fraktionschef Christian Klein sagte, Gera müsse in vielen Bereichen für das Chaos der Landesregierung herhalten. Die rot-rot-grüne Koalition habe offenbar kein Gespür für die Geschehen, so Klein. Die Stadt habe schon jetzt mehr Flüchtlinge aufgenommen, als es vertretbar sei. Er fordert vom Land, für die Sicherheit des angrenzenden Krankenhauses und des Stadtgebietes zu sorgen. Dafür müssten mehr Polizisten eingesetzt werden.
Auch AfD-Stadtratsmitglied Stephan Brandner sieht Gera überfordert und überlastet. Er sprach von beängstigender Kriminalität durch Ausländer.
Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Nils Fröhlich sieht die Stadt angesichts der Unterkunft vor ernstzunehmenden Herausforderungen. Die Bewohner seien verunsichert und die Kapazitäten der Stadtverwaltung seien erschöpft, so Fröhlich.
SPD und Linke erwarten Ausgleich
SPD-Fraktionschefin Monika Hofmann erwartet einen finanziellen und sozialen Ausgleich für die Stadt vom Land. Vor allem bei der ärztlichen Versorgung dürfe die Standort-Entscheidung für Gera nicht zu weiteren Engpässen führen.
Auch Daniel Reinhardt von den Linken erwartet einen Ausgleich vom Land für die zusätzlichen Belastungen. Konkret müsse es Hilfe bei der Entwicklung der Innenstadt geben. Als Beispiel nannte er das Tietz-Kaufhaus und das Kultur- und Kongresszentrum. Zudem seien zusätzliche Gelder im Sozialsystem der Stadt Gera und für notwendiges Personal im Bereich Soziales und Integration vorstellbar.
Für den Linken-Fraktionsvorsitzenden Andreas Schubert war die Entscheidung vor dem Hintergrund der möglichen Unterbringungsalternative in Zelten naheliegend.
Bürgerschaft für Gera befürwortet kurzfristige Hilfe
Der Fraktionschef der Bürgerschaft für Gera, Ulrich Porst, stellt sich die Frage, warum nicht Erfurt, Jena oder Weimar als Standort ausgesucht wurden. Er sagte, dass er eine kurzfristige Hilfe für richtig hält. Diese sollte aber gleichmäßig auf Thüringen verteilt sein, so Porst.
Die Fraktion Die Liberalen kritisiert, bei Neuansiedlungen von Industrie oder Wissenschafts- und Bildungseinrichtungen werde Gera regelmäßig übersehen. Wenn es jedoch gelte, "unliebsame und unpopuläre Entscheidungen, wie im Falle der Unterbringung von Flüchtlingen über die Köpfe der lokalen Akteure hinweg zu treffen", erinnere man sich an Gera, schreibt Fraktionsgeschäftsführer Michael Böhme.
Lösung für rund 200 Menschen
Die Landesregierung hat am Dienstag beschlossen, dass im ehemaligen Wismut-Krankenhaus in Gera rund 200 Flüchtlinge untergebracht werden sollen. Das Gebäude der früheren Frauenklinik könne kurzfristig hergerichtet werden, sagte Innenminister Georg Maier (SPD). Voraussichtlich ab Januar könnten dort Geflüchtete unterkommen. Es handle sich dabei aber nicht um eine neue Erstaufnahmeeinrichtung wie in Suhl. Maier sprach von einer vorrübergehenden Lösung für etwa ein Jahr.
Zum Aufklappen: Erstaufnahmeeinrichtung und andere Unterkünfte - Was sind die Unterschiede?
Wenn Asylsuchende nach Deutschland kommen, werden sie über das sogenannte Easy-System auf die Bundesländer verteilt. In Thüringen kommen sie daraufhin in die Erstaufnahmeeinrichtung in Suhl. Die ist damit seit Ende 2017 quasi das Eingangstor für Geflüchtete nach Thüringen. Dort werden sie registriert, es finden medizinische Untersuchungen statt und auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) führt dort die Interviews für den Asylantrag durch.
Laut Asylgesetz sollen die Menschen maximal 18 Monate in Suhl bleiben. In der Praxis dauert es aber deutlich länger, bis die Flüchtlinge auf Unterkünfte in den Kommunen verteilt werden.
Um die Lage in Suhl zu entspannen, wurden in der Vergangenheit sogenannte Außenstellen eingerichtet. Dazu zählen Eisenberg und Hermsdorf. Dort werden die Geflüchteten seit Oktober ebenfalls registriert, um Suhl zu entlasten.
Aus dem gleichen Grund gab die Landesregierung zudem Anfang Oktober bekannt, vier neue regionale "Gemeinschaftsunterkünfte" einzurichten. Diese Unterkünfte sollen vom Land finanziert, aber mit der betreffenden Kommune geplant werden. Bei der Unterkunft in Gera handelt es sich laut Innenministerium um die erste dieser vier geplanten Einrichtungen. Insgesamt sollen laut Ministerium so 700 neue Plätze entstehen, die bei Bedarf kurzfristig genutzt werden können.
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MDR (mr/dst)
Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 29. November 2023 | 08:00 Uhr
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