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FachkräfteKehrtwende: Gastronomie für Azubis in Thüringen wieder beliebter

20. Oktober 2022, 22:49 Uhr

Erst im Sommer wurden die Ausbildungsberufe in der Gastronomie neu geregelt. Mit der "Fachkraft für Gastronomie" und der "Fachkraft Küche" gibt es zwei neue Ausbildungen. Nun steigen die Azubizahlen in Thüringen - sogar über das Vor-Corona-Niveau: 420 Ausbildungsverträge wurden in diesem Jahr in der Branche abgeschlossen.

von Andreas Dreißel, MDR Thüringen

Konzentriert schneidet Alexandro Drosel die Zwiebeln auf der großen Arbeitsplatte. Seit Kurzem ist er einer von sechs neuen Auszubildenden im City-Bowling in Gera. Sein Traumberuf: Koch. Die richtige Entscheidung, wie er wenige Wochen nach dem Start sagt. "Ich habe schon immer gern gekocht, eigentlich war das mein Hobby", sagt Alexandro Drosel, "Ich probiere auch viel aus, auch wenn natürlich nicht alles gelingt".

Für Ausbilder Philipe Kettlitz sind es die ersten eigenen Azubis. Ihm liegen das Erklären und die Arbeit mit jungen Menschen. Nachdem es in den vergangenen Jahren gar keine Bewerbungen für eine Kochausbildung im City-Bowling gab, kann Philipe Kettlitz jetzt gleich zwei Mal Nachwuchs betreuen.

Wenig Bewerber in vergangenen Jahren

Für Chefin Grit Harthaus sind die vielen neuen Azubis eine Überraschung. Sie führt die Bowling-Bahn seit dem Jahr 2000 und bildete von Anfang an auch junge Menschen aus. In den ersten Jahren, erzählt sie, habe sie noch stapelweise Bewerbungsschreiben bekommen, zum Schluss nur noch eine oder zwei pro Jahr. Umso erstaunter war sie über das Interesse in diesem Jahr.

Wir sind hier ein gutes Team, wir kümmern uns nicht nur um eine gute Ausbildung.

Grit Harthaus, Chefin im City-Bowling

Nach den Gesprächen mit den jungen Leuten stand für sie fest: Ich nehme alle. "Wir sind hier ein gutes Team, wir kümmern uns nicht nur um eine gute Ausbildung", sagt Grit Harthaus. "Die Azubis können auch bei allen anderen Problemen zu uns kommen." Die gute Stimmung im Team mag auch Lisa Buchholz, die schon im zweiten Lehrjahr zur Restaurantfachfrau ist.

Sie begann ihre Ausbildung mitten in der Corona-Zeit. Die Arbeit am Gast mag sie, auch wenn das heißt, den ganzen Tag auf den Beinen zu sein und schwere Tabletts zu schleppen. "Ich habe viel in Ferienjobs gearbeitet", sagt die junge Frau. "Ich kann mich sportlich betätigen und es ist lustig mit den Gästen."

Zwei neue Ausbildungsberufe in der Gastronomie

Erst im Sommer hatten Industrie- und Handelskammern (IHK) gemeinsam mit dem Hotel- und Gaststättenverband Dehoga die Ausbildung in der Gastronomie komplett umgekrempelt. Mit der "Fachkraft für Gastronomie" und der "Fachkraft Küche" gibt es jetzt zwei neue Ausbildungsberufe mit jeweils zwei Jahren bis zum Abschluss.

Auch die anderen Berufe wurden überarbeitet und an neue Zeiten angepasst. Jetzt spielt bei den Restaurantfachleuten auch die Organisation von Veranstaltungen eine Rolle. Aber auch die Anleitung von Mitarbeitern, der Vertrieb oder die Kalkulation spielen eine Rolle, denn immer mehr wollen sich nach ihrer Ausbildung selbstständig machen. In der Küche liegt in Zukunft das Augenmerk verstärkt auf Inhalten wie gesunder und veganer Ernährung. Diese Themen wurden vorher in Zusatzlehrgängen vermittelt.

Mittlerweile wieder mehr Bewerbungen in Thüringen

Laut IHK Ostthüringen führen die neuen Möglichkeiten nicht nur in Gera zu viel Interesse. In ganz Thüringen seien die Bewerberzahlen nach oben gegangen. Insgesamt wurden im Freistaat in diesem Jahr 420 Ausbildungsverträge in der Gastronomie und der Hotellerie abgeschlossen. Mehr als im Vor-Corona-Jahr 2019. Damals waren es 412.

Schon 2020 brachen die Zahlen um etwa 30 Prozent ein, auch weil viele Restaurants geschlossen waren und die Branche in eine unsichere Zukunft steuerte. Die Folgen des Lockdowns sind bis heute zu spüren.

Viele frühere Beschäftigte suchten sich während Corona neue Arbeitsmöglichkeiten außerhalb der Gastronomie. Die Branche sucht händeringend Ersatz und kann den Azubi-Nachwuchs gut gebrauchen.

IHK: Trendwende in der Gastronomie

Doch für eine Kehrtwende braucht es nicht nur gute und interessante Ausbildungsinhalte, wie Matthias Säckl von der IHK Ostthüringen weiß: "Die Unternehmen stellen sich auf die neue Situation ein und wollen sich als attraktive Arbeitgeber aufstellen", sagt der Ausbildungsfachmann. "Dazu gehört, welche Zulagen man zahlt, wie die Arbeitszeitgestaltung ist oder wann Betriebsferien gemacht werden."

Die IHK spricht von einer Trendwende in der Gastronomie. Und auch die Dehoga ist zuversichtlich. Gern hätte man auch für den Hotelbereich eine verkürzte Ausbildungsmöglichkeit auf den Weg gebracht. Laut Dehoga-Chef Dirk Ellinger sei das allerdings am Widerstand der Gewerkschaft NGG gescheitert.

Für die neuen Azubis im City-Bowling in Gera ist es trotz kürzerer Ausbildungszeit noch ein langer Weg bis zur Abschlussprüfung. Grit Harthaus hofft, dass alle bleiben. Und ihren Weg in der Gastronomie gehen werden.

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MDR (jn)

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 20. Oktober 2022 | 19:00 Uhr

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