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In Thüringen leiden rund 40.000 Menschen an Long-Covid-Symptomen. Bildrechte: IMAGO / Addictive Stock

Corona-PandemieNeue Hilfe bei Long-Covid: Uni-Klinikum Jena richtet Tagesklinik ein

02. September 2023, 17:10 Uhr

Rund 900.000 Corona-Infektionen sind in Thüringen in den letzten drei Jahren erfasst worden. In den meisten Fällen haben die Menschen die Krankheit gut überstanden. Aber eben nicht alle: Viele Menschen leiden an sogenannten Long Covid-Symptomen: Erschöpfung, Atemnot und Konzentrationsstörungen. Am Uni-Klinikum Jena gibt es bereits seit Sommer 2020 eine spezielle Ambulanz. Jetzt will das Klinikum aber aufrüsten: bis Anfang 2024 soll eine Tagesklinik für Long Covid-Patienten entstehen.

von Wolfgang Hentschel, MDR THÜRINGEN

Andreas Stallmach, Klinikdirektor für Innere Medizin und Leiter des Post-Covid-Zentrums am Uni-Klinikum Jena, kann sich einen Seitenhieb auf den Bundesgesundheitsminister nicht verkneifen. "Karl Lauterbach hat sich sehr deutlich für Tageskliniken für Long-Covid-Patienten ausgesprochen. Aber er hat nicht geklärt, wie die tagesklinische Betreuung finanziert werden soll. Und völlig ungeklärt ist auch, wie solche tagesklinischen Einheiten eingerichtet werden."

Andreas Stallmach ist Leiter des Post-Covid-Zentrums am Uni-Klinikum in Jena. Bildrechte: MDR/ Universitätsklinikum Jena

Laut Stallmach geht nun das Universitätsklinikum Jena (UKJ) einen eigenen Weg. Er könne mit einigem Stolz sagen, dass das UKJ von sich aus entschieden habe, eine Tagesklinik für Long-Covid-Patienten einzurichten.

Long Covid und Post CovidDer Begriff "Long Covid" umfasst Beschwerden, die mehr als vier Wochen nach Ansteckung mit dem Coronavirus fortbestehen, sich verschlechtern oder neu auftreten. Es darf außerdem keine andere Erklärung für die Beschwerden geben. Zu Long Covid gehört auch das Post-Covid-Syndrom. Als Post-Covid-Syndrom bezeichnet man Beschwerden, die noch nach drei Monaten bestehen und mindestens zwei Monate lang anhalten oder wiederkehren.
Quelle: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung

In dieser Einrichtung sollen laut Stallmach Mediziner verschiedener Fachbereiche zusammenarbeiten, wie etwa Neurologen, Internisten oder Experten für Psychosomatik. "Dafür soll jetzt ein Umbau initiiert werden. Wir hoffen, dass dieser Umbau im Januar, Februar nächsten Jahres abgeschlossen wird. Wir haben dann fast 300 Quadratmeter interdisziplinär für Post-Covid-Patienten." Ziel sei, über die Diagnostik die Patienten so weit zu ertüchtigen, dass sie besser in der Lage seien, ihren Alltag zu gestalten.

Mediziner räumt Fehler ein

Nach Angaben von Stallmach haben sich für Long-Covid-Patienten bisher Übungen bewährt, mit denen gezielt die Konzentration, aber auch niedrigschwellig die körperliche Belastung trainiert werden. Unter anderem gibt es Apps, mit denen die Konzentrationsfähigkeit geübt werden kann.

Der Mediziner räumt ein, dass er bei der Behandlung der Patienten selbst noch dazulernen musste: "Ich habe am Anfang den Fehler gemacht, dass ich Patienten gesagt habe, ihr müsst regelmäßig trainieren. Wenn ihr vorher Marathon gelaufen seid, dann lauft ihr jetzt nur noch dreimal fünf Kilometer pro Woche. Viele Patienten haben diesen Rat befolgt. Sie haben dann aber berichtet, dass sie am nächsten oder übernächsten Tag diese typische Crash-Symptomatik erlebt haben. Das heißt, sie sind gar nicht mehr aus dem Bett gekommen."

Ziel seien jetzt daher low-intensity-Übungen, so Stallmach. Also niedrige Belastungen, die mehrfach am Tag wiederholt werden - etwa das mehrfache Aufstehen vom Stuhl oder eine halbe Treppe hochsteigen. "Wird das längere Zeit durchgeführt, steigt langsam die Belastungsfähigkeit der Patienten an", so Stallmach.

International werde zudem daran geforscht, nicht nur die Symptome, sondern auch die Ursachen der Erkrankung zu behandeln. Schnelle Ergebnisse sollte man hier aber nicht erwarten, so der Klinikdirektor für Innere Medizin. Er hofft zudem, dass beim zweiten internationalen Jenaer Long-Covid-Kongress im November neue Studienergebnisse vorgestellt und diskutiert werden.

Rund 40.000 Menschen in Thüringen an Long Covid erkrankt

Stallmach geht davon aus, dass in Thüringen rund 40.000 Menschen an Long-Covid-Symptomen leiden. Die Long-Covid-Ambulanz an der Uni-Klinik Jena hat bisher bereits 3.000 Patienten erfasst und betreut. Weitere 650 stehen auf der Warteliste für einen Sprechstundentermin. In Thüringen gibt es zudem Reha-Kliniken für Long-Covid-Patienten, etwa in Bad Sulza und Bad Salzungen.

Stallmach rechnet damit, dass es im Winter zu einem deutlichen Anstieg der Infektionszahlen kommen wird: "Wir haben jetzt sehr niedrige Zahlen von Patienten, die sich infizieren. Die steigen wieder an. Wir gehen davon aus, dass sie in den Herbst- und Wintermonaten wahrscheinlich deutlich ansteigen. Ob die Dimensionen der Vorjahre erreicht werden, das weiß keiner. Das hängt von den Virus-Varianten ab. Das hängt davon ab, wie ansteckend das Virus ist. Aber ich bin ganz sicher, dass uns die SARS-CoV2-Problematik auch die nächsten Jahre beschäftigen wird."

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MDR (jn)

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 02. September 2023 | 09:00 Uhr

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