StadtentwicklungPlatzproblem gelöst? Jena baut mit seiner Skyline in die Höhe
In Jena wird gebaut, was das Zeug hält: Wegen des Platzproblems aber vor allem in die Höhe. Die künftige Skyline soll mehrere Probleme in der Stadt lösen, stößt aber längst nicht überall auf Zustimmung.
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Christian Grötsch ist die Freude über seine Baupläne anzusehen. Der Gründer der Digitalagentur Dotsource kann seit Firmengründung auf ein stetiges Wachstum des Unternehmens blicken. Das Unternehmen ist spezialisiert darauf, Online-Shops zu bauen. Überwiegend für Kunden im deutschsprachigen Raum, aber inzwischen auch darüber hinaus.
Jenaer Erfolgsunternehmen braucht mehr Platz
500 Mitarbeiter an mehreren Standorten hat das Unternehmen, zuletzt wurde sogar in Kroatien eine Außenstelle gegründet. Die 2006 gegründete Firma ist inzwischen in Jena einer der größten Arbeitgeber. "Wir wachsen jedes Jahr um 25 Prozent, so dass unsere Flächen hier zur Neige gehen", sagt Grötsch über den jetzigen Standort über einem Jenaer Einkaufszentrum.
Beste Lage - zusätzlichen Platz gibt es aber nicht. Also kündigte das Unternehmen an, einen Campus mit 10.000 Quadratmetern Bürofläche zu errichten. Gut doppelt so viel wie jetzt. Mit Platz für hunderte weitere Mitarbeiter. Homeoffice als Leitmotiv sei nicht möglich. "Der Trend geht dahin, dass Mitarbeiter zurückkommen ins Büro." Das wirke sich positiv auf die Kreativität aus - und auf firmeninterne Netzwerke.
Bürgermeister: "Verdichtete Innenstadt, kurze Wege" wichtig
Bürgermeister und Stadtentwicklungsdezernent Christian Gerlitz (SPD) sieht im Hochhausbau einen wichtigen Beitrag zu einem zentralen Jenaer Problem. Die Tal-Lage verhindert, dass sich die Stadt übermäßig ausdehnen kann.
"Wir wollen keinen Flächenfraß an der Peripherie, sondern wir wollen eine verdichtete Innenstadt, die es ermöglicht, zu Fuß, mit dem Rad, mit dem öffentlichen Nahverkehr Wege zu erledigen - möglichst ohne PKW. So kamen wir zur Hochpunktstrategie und deshalb haben wir in Jena gerade diverse Hochhausprojekte, die entweder in der Realisierung sind oder in der Planung."
Insgesamt drei neuer Hochhäuser
Dazu gehören direkt neben dem Jentower (früher Uniturm) drei neue Hochhäuser, einer davon ist der Dotsource-Campus mit seinem integrierten 66 Meter hohen Wohnhaus. Direkt daneben, ebenfalls an der Grenze zum sogenannten Damenviertel (wegen der Straßennamen wie Käthe-Kollwitz-Straße oder Sophienstraße) soll das sogenannte Solarquartier entstehen, ebenfalls mit einem mehr als 40 Meter hohen Hochhaus.
Alle geplanten Bauten sehen Sie in der Übersicht.
Initiative warnt vor Klimafolgen
David Reuß und mehrere Mitstreiter der Bürgerinitiative Damenviertel sind von den Plänen wenig begeistert. Auf der Ostseite des Damenviertels würde ein erheblicher Teil der bestehenden Altbauten abgerissen und durch größere und massivere Gebäude ersetzt. "Es wird eine starke Verdichtung an diesen Orten erfolgen - und Jena ist nicht gut gewappnet dafür", sagt er.
Einerseits habe der Stadtrat ein Klimaschutzkonzept beschlossen, wolle Jena Klimaschutz und Hitzeschutz voranbringen. Andererseits liefen die Planung der Hochhausprojekte diesen Zielen entgegen. Die weitere Verdichtung sei ein Fehler.
Verweis auf fehlende Parkplätze
"Es wäre wichtig, dass man an die Infrastruktur denkt. Wir haben jetzt schon Probleme mit der Parksituation", so Reuß. Das neue Gebäude solle hunderte, auch neue, Mitarbeiter anziehen und zahlreiche Wohnungen bieten - und die Parkgarage biete viel zu wenig Platz. "Das wird in den Planverfahren einfach übergangen."
Das Problem sei, dass die Stadt ihren Einfluss zu wenig geltend mache. "Und die Bürgerbeteiligung kommt zu kurz." Dabei freue man sich, wenn die umliegenden Brachen bebaut würden. "Aber es muss passen. Da kann man nicht nur mehrere Hochhäuser hinsetzen und hoffen, dass alle glücklich werden." Fürs Damenviertel sehe der Klimaschutzplan eigentlich vor, dass mehr für Abkühlung getan wird. Die Neubauten bewirkten das Gegenteil.
Das sieht der Jenaer Unternehmer Grötsch anders. Er zählt auf, dass es klimatechnisch durch den Neubau mehr Verbesserungen als Verschlechterungen gebe. So seien am Ende auf dem Gelände mehr Bäume geplant als bisher hier standen. Außerdem, so ergänzt Bürgermeister Gerlitz, sei das Gelände bereits heute vollständig versiegelt.
Sie verlieren durchaus etwas, vielleicht die schöne Aussicht auf die Berge.
Christian Gerlitz (SPD) | Bürgermeister und Stadtentwicklungsdezernent
Im Sinne der "Flächen-Sparsamkeit" seien die Projekte aber zu begrüßen. Deshalb habe die Stadt in einer Studie geeignete Hochpunkte ausgemacht, an denen solche Projekte möglich seien. "Natürlich ändern sich Dinge durch solche Bauten", so Gerlitz. Man müsse da auch zugeben, dass das nicht für alle vorteilhaft sei. "Sie verlieren durchaus etwas, vielleicht die schöne Aussicht auf die Berge. Das ist ein individueller Nachteil."
Die Zumutungen seien aber durch das Baurecht begrenzt, Verschattung oder Belichtung könnten nicht willkürlich erfolgen. Aber am Ende müsse man die Interessen abwägen. "Und das Interesse der Allgemeinheit ist eben eine kompakte und flächensparende Bauweise, die kurze Wege ermöglicht." Am Ende entscheide der Stadtrat. Und der hat bisher klar für den Dotsource-Plan gestimmt. Die endgültige Baugenehmigung steht allerdings noch aus.
Hoher Aufwand für Bauprojekt
Tatsächlich sei das Projekt seit dem Beginn im Umfang gewachsen. "Weil wir viel Energie in Ökologie und Qualitätssiegel stecken. Das macht auch die Finanzierung günstiger." Zudem zählt Grötsch auf, was im Sinne des Klimaschutzes alles passiere.
Das Gebäude sei nicht einfach nur ein Klotz, wie sie in der Vergangenheit gebaut worden seien, sondern genüge modernsten Anforderungen. "Die meiste Wärmeenergie kommt aus Geothermie", sagt er. Nur Spitzen müssten noch über das Fernwärmenetz abgedeckt werden.
Zudem könne überschüssige Wärme umgekehrt in der Erde gespeichert werden oder im 140-Kubikmeter-Wassertank. Bis in acht Meter Höhe sei am Sockel eine Begrünung vorgesehen, ebenso auf dem Dach zwischen den Solarzellen, die einen Teil des Energiebedarfs decken sollen.
Auch Wohnungen für Mitarbeiter
Die Wohnungen sollen auch Mitarbeitern oder Praktikanten zur Verfügung stehen. Wie groß der Mitarbeiter-Anteil bei den Wohnungen genau sein wird, das steht noch nicht fest. Die Bürgerinitiative würde sich wünschen, dass das Projekt und die, die noch folgen sollen, deutlich kleiner ausfallen.
Dass der Stadtrat das weit fortgeschrittene Projekt aber noch kippt, ist aber unwahrscheinlich - auch weil die Mehrheiten bisher überdeutlich waren. "Und bisher hat der Stadtrat die Grundzüge der Planung ja zweimal bestätigt", so Grötsch über sein 85-Millionen-Euro-Projekt.
"Aber wenn das nicht klappt, wäre das für das Unternehmen ein Desaster, sogar existenzbedrohend. Auch weil ja in die Planungen schon erhebliche Finanzmittel geflossen sind." Gearbeitet wird ohnehin jetzt schon. Einige Arbeiter sind damit beschäftigt, die Gebäude der alten Feuerwache zu entkernen. Ab Dezember könnten sie ganz abgerissen werden. Und dann könnte bald ein weiterer Baustein für die Jenaer Skyline entstehen.
Weiter Projekte allerdings könnten sich durchaus verzögern. Der Bürgermeister geht davon aus, dass die hohen Zinsen und Baukosten im Moment manchen Investor erstmal abwarten lassen, ehe es weitergeht.
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MDR (dst)
Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | THÜRINGEN JOURNAL | 19. Oktober 2023 | 19:00 Uhr
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