InterviewRaubkunst: Kleine Thüringer Museen untersuchen ihre Sammlungen
In den Beständen vieler Museen befindet sich Raubkunst – etwa aus der Zeit des Nationalsozialismus oder der Kolonialzeit. Der Museumsverband Thüringen will nun die Sammlungen in kleineren und mittleren Häusern auf Objekte aus unrechtmäßigen Kontexten prüfen lassen. Denn sie stehen bei dem Thema noch ganz am Anfang. Sabine Breer von der Thüringer Koordinierungsstelle Provenienzforschung über den Ablauf und die Ziele des Vorhabens.
- In den kommenden zwei Jahren sollen 17 kleinere und mittlere Museen in Thüringen nach Raubkunst durchsucht werden.
- Bei den kleineren Häusern ist diese Forschung bisher vor allem an Budget- und Personalmangel gescheitert.
- Die Sammlungen sollen auf NS-Raubkunst und koloniale Raubkunst untersucht werden.
MDR KULTUR: Frau Breer, es ist nicht das erste, aber das bisher größte Projekt der Provenienzforschung in Thüringen – was konkret nehmen Sie sich für die nächsten zwei Jahre vor?
Sabine Breer: Wir wollen 17 Museen in Thüringen nach unrechtmäßigen Kontexten durchsuchen. Da wird ein sogenannter Erst-Check durchgeführt: Gibt es hier überhaupt Museumsobjekte, die unter problematischen Umständen erworben worden sind und muss man hier weiterforschen? Unsere Provenienzforscherin geht durch die Museen und benötigt pro Museum ungefähr einen Monat. Sie schaut Archivalien, die Inventare und Akten durch und spricht mit Museumsleuten vor Ort und, wenn es sie noch gibt, auch mit Zeitzeugen. Am Ende steht ein Bericht für jedes Museum. Aus diesen Bericht können natürlich die Museen ersehnen, ob weiterer Forschungsbedarf besteht - wir als Koordinierungsstelle ebenso.
Bei den kleinen Häusern ist die Forschungsarbeit bisher gescheitert – an Personal, Fachwissen und Finanzen?
Das kann man jetzt natürlich nicht immer so pauschal für jedes Museum sagen. Aber es ist tatsächlich so, dass die kleinen und mittleren Museen immer deutlich mehr Probleme haben solche zusätzlichen Projekte umzusetzen. Provinienzforschung ist nun mal ein sehr zeitintensives und damit auch kostenintensives Geschäft. Man braucht einen Experten, der ans Museum kommt, weil das notwendige Wissen nicht immer im Museum vorhanden ist. Oder weil man nur ein kleines Budget hat und vielleicht auch nicht die personellen Kapazitäten, das aus eigener Kraft durchzuführen.
Provinienzforschung ist nun mal ein sehr zeitintensives und damit auch kostenintensives Geschäft.
Warum ist es so wichtig, sich auch die Bestände der kleineren Häuser anzusehen? Glauben Sie beispielsweise, dass viel NS-Raubkunst oder Werke aus dem Kolonialismus zu finden sind?
Auch das kann ich nicht so pauschal sagen. Es ist natürlich so, dass während der Zeit des Nationalsozialismus und im Zweiten Weltkrieg unheimlich viel geraubt und vom Staat verwertet worden ist. Man hat ja ganze Haushalte aufgelöst. Von der Immobilie bis zum Geschirr und normalen Haushaltsgerät wurde einfach alles verwertet. Es ist so, dass viele Objekte nicht nur in Privathaushalten gelandet sind, sondern eben auch in unseren Museen. Deswegen muss man auch in der Breite schauen, ob in den kleinen Museen solche Objekte gelandet sind.
Für die NS-Zeit ist das tatsächlich auch ein bisschen schwierig – wir haben aber auch Objekte aus kolonialen Kontexten da, die man einfacher erkennen kann. Die kommen aus der ganzen Welt. Und da muss man eigentlich in jedem Fall noch weiter forschen. Was ist das überhaupt für ein Objekt? Kann das überhaupt entzogen worden sein? Gibt es vielleicht doch noch eine Überlieferung am Museum oder in den Archiven? Was kann man dazu herausfinden, um dann zu schauen, ob da auch wirklich Handlungsbedarf ist?
Gab es schon spektakuläre Rückgaben an Nachfahren oder Ähnliches?
Zuletzt haben die Meininger Museen eine Schamanentrommel nach Norwegen zurückgegeben. Das ist die letzte Rückgabe, die uns bekannt ist. Die kleineren Museen stehen ja noch relativ am Anfang. Da haben wir auch keine konkrete Übersicht was verschiedenen Unrechtskontexte betrifft. Es gibt keine Zahlen oder Statistiken, wie viel Objekte schon zurückgegeben worden sind.
Die Koordinierungsstelle Provenienzforschung des Museumsverbandes Thüringen gibt es seit drei Jahren. Was haben Sie bisher gelernt? Wie steht Thüringen da, wenn es um Sammlungsobjekte aus Unrechtskontexten geht?
Wir haben bisher drei dieser Projekte durchgeführt: Ein Projekt zur NS-Zeit und zwei Projekte zu kolonialen Kontexten. Wir stehen da in Thüringen noch relativ am Anfang. Vor allem wenn man bedenkt, dass die Washingtoner Erklärung, auf der die Provinienzforschung basiert, schon vor 25 Jahren stattgefunden hat.
Wir stehen in Thüringen noch relativ am Anfang.
Aber dieses Projekt, was wir jetzt, dank der großzügigen Förderung vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste, umsetzen können, wird eine sehr gute Basis bilden. Wenn wir 17 Museen durchsucht und die Ergebnisse haben, dann wissen wir genau, wo wir jetzt weitermachen können und in welche Richtung wir weiter forschen müssen.
Die Bestände dieser Thüringer Museen werden untersucht:
- Schloss- und Spielkartenmuseum Altenburg
- Schlossmuseum Arnstad
- Friedrich-Fröbel-Museum Bad Blankenburg
- Kunstsammlung Gera
- Stadtmuseum Gera
- Literaturmuseum "Theodor Storm"
- Heilbad Heiligenstadt
- Museum Burg Ranis
- Thüringer Landesmuseum Heidecksburg mit Schlossmuseum, Naturhistorischem Museum, Fürstlichen Erlebniswelten, Schloss Schwarzburg und dem Museum für Kloster-, Forst- und Jagdgeschichte
- Paulinzella Stadtmuseum Saalfeld im Franziskanerkloster
- Schlossmuseum Sondershausen
- Deutsches Spielzeugmuseum Sonneberg
- Hennebergische Museum Kloster Veßra
- Deutsches Bienenmuseum Weimar
- Museum für Ur- und Frühgeschichte Thüringens in Weimar
Quelle: MDR KULTUR (Thomas Bille)
Redaktionelle Bearbeitung: as, lg
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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR am Morgen | 19. Februar 2024 | 06:10 Uhr